Erhitzte Gemüter beim Fieberkrampf

Dr. Dorothea Ranft

Die Mortalität ist beim einfachen Fieberkrampf nicht erhöht und auch in komplizierten Fällen nur leicht gesteigert. Die Mortalität ist beim einfachen Fieberkrampf nicht erhöht und auch in komplizierten Fällen nur leicht gesteigert. © iStock/Dobrila Vignjevic

Kindliche Fieberkrämpfe versetzen die Eltern oft in Angst und Schrecken. Sie fürchten Epilepsie und geistige Behinderung. Doch die Prognose ist gut. Eine aktuelle Leit­linie führt aus, wie in welchem Fall zu handeln ist.

Als Fieberkrampf (FK) wird ein epileptischer Anfall bezeichnet, der bei einer Körpertemperatur ≥ 38 °C auftritt, ohne dass eine zentralnervöse Infektion (Meningitis, Enzephalitis) oder ein vorangegangener afebriler Iktus vorliegt. Besonders gefährdet sind Kinder zwischen sechstem Monat und sechstem Lebensjahr, aber auch spätere Erstmanifestationen im Alter von sechs bis acht Jahren sind möglich. Mehrheitlich handelt es sich um generalisierte klonische oder tonisch-klonische Anfälle, wobei die tonische Phase im Säuglingsalter oft fehlt. Ein Drittel der Betroffenen entwickelt mindestens ein Rezidiv.

Die häufigste Ursache für Fieberkrämpfe sind Virusinfektionen, insbesondere das mit einer starken Temperaturerhöhung einhergehende Drei-Tage-Fieber. Bei fehlendem Aufklären und fokalen Symptomen sollte man stets eine ZNS-Infektion ausschließen. Nach Impfungen kommt es nur sehr selten zu febrilen Anfällen (ca. 4/100.000 Kinder). Diese werden wahrscheinlich durch den immunologisch bedingten Anstieg der Körpertemperatur ausgelöst und nicht durch das Vakzin selbst, heißt es in der aktuell überarbeiteten S1-Leitlinie der Gesellschaft für Neuropädiatrie.

Zwei Verlaufsformen

Einfache Fieberkrämpfe (72 %) sind definiert als generalisierte Anfälle unter 15 Minuten Dauer und ohne erneutes Auftreten innerhalb von 24 Stunden. Komplizierte Fieberkrämpfe (28 %) dauern länger als 15 Minuten an, zeigen häufig fokale Symptome und/oder führen binnen 24 Stunden zu einem Rezidiv.

Die Mortalität ist beim einfachen Fieberkrampf (s. Kasten) nicht erhöht und auch in komplizierten Fällen nur leicht gesteigert. Eltern, die den Übergang in eine Epilepsie befürchten, kann man weitgehend beruhigen. Zwar besteht ein geringfügig erhöhtes Risiko, doch 96 % der Kinder mit FK entwickeln kein Anfallsleiden. Auch die Prognose für die kognitive Entwicklung ist gut, einzige Ausnahme sind junge Patienten mit neurologischer Grunderkrankung.

Rektales Diazepam eignet sich für die Akutbehandlung

Mehr als 90 % der generalisierten Attacken sistieren innerhalb von drei Minuten von selbst. Länger als fünf Minuten anhaltende Anfälle bilden sich in der Regel nicht mehr spontan zurück und sollten deshalb medikamentös beendet werden. Für die Akuttherapie eignet sich rektales Diazepam: Säuglinge und Kinder unter 15 kg Körpergewicht erhalten 5 mg, Patienten mit einem Gewicht über 15 kg bekommen 10 mg. Ein Herausfließen der Lösung kann durch Zusammendrücken der Pobacken über mehrere Minuten verhindert werden. Bukkales Midazolam ist für Fieberkrämpfe ohne Epilepsie nicht zugelassen, kann aber im Rahmen eines individuellen Heilversuchs (Aufklärung!) eingesetzt werden bei ähnlicher Wirksamkeit. Auf eine stationäre Beobachtung darf man bei Kindern > 1 Jahr mit einfachem Fieberkrampf und unauffälligem klinischem Befund verzichten. Dieser kann aber insbesondere nach dem ersten Ereignis die verunsicherten Eltern beruhigen. Wichtig sind eine sorgfältige Anamnese und körperliche Untersuchung, bei der vor allem drei Fragen zu klären sind:
  • Woher kommt das Fieber?
  • Besteht eine Entzündung des ZNS (Meningitis/Enzephalitis)?
  • Finden sich weitere Auffälligkeiten (neurologische Defizite, Dysmorphiezeichen, verlangsam­te Entwicklung)?
Eine routinemäßige Liquordiagnostik nach dem Anfall ist bei Kindern > 1 Jahr nicht erforderlich. Für eine großzügige Entscheidung zur Lumbalpunktion plädieren die Autoren der Leitlinie hingegen im Säuglingsalter, nach kompliziertem Fieberkrampf sowie bei mangelndem Impfschutz, antibiotischer Vorbehandlung oder verzögerter postiktaler Reorientierung.

Antikonvulsiva nach einem Fieberkrampf nicht empfohlen

Eltern machen sich oft Vorwürfe, weil sie den Fieberkrampf nicht durch eine rechtzeitige Antipyrese verhindert haben. Diesbezüglich kann man sie beruhigen: Die Senkung der Körpertemperatur verhindert keinen Anfall. Sie kann aber ggf. das Rezidivrisiko während des gleichen Infekts reduzieren.

Risikofaktoren für Erstkrampf und Rezidiv

  • positive Familienanamnese
  • postpartaler Klinikaufenthalt > 1 Monat
  • niedriges Geburtsgewicht
  • Alter < 18 Monate
  • Fieberphase bis zum Auftreten < 12 Stunden
  • Entwicklungsverzögerung
  • Tagesbetreuung

Bisher gibt es auch keinen Beleg dafür, dass eine antikonvulsive Behandlung nach Fieberkrampf dem Auftreten einer Epilepsie vorbeugen kann. Die bisherige Empfehlung zur Dauertherapie nach rezidivierenden FK lässt sich angesichts der guten Prognose auch komplizierter Anfälle nicht aufrechterhalten. Eine solche Prophylaxe kann beispielsweise nach einem lebensbedrohlichen Status epilepticus im Einzelfall sinnvoll sein, heißt es in der Leitlinie, die unter Federführung von Professor Dr. Gerhard­ Kurlemann­ vom Bonifatius Hospital Lingen und Privatdozentin Dr. Hiltrud­ Muhle­ vom Uniklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, erstellt wurde. 

Quelle: S1-Leitlinie „Fieberkrämpfe im Kindesalter“, AWMF-Register-Nr. 022-005

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Die Mortalität ist beim einfachen Fieberkrampf nicht erhöht und auch in komplizierten Fällen nur leicht gesteigert. Die Mortalität ist beim einfachen Fieberkrampf nicht erhöht und auch in komplizierten Fällen nur leicht gesteigert. © iStock/Dobrila Vignjevic