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Es geht auch ohne Eosinophile

Eosinophile Granulozyten entwickeln sich aus Interleukin-5-Rezeptor-alpha-exprimierenden Vorläuferzellen. Bei der Differenzierung, Reifung und Migration aus dem Knochenmark spielen verschiedene Transkriptionsfaktoren und Zytokine eine wichtige Rolle, allen voran Interleukin-5 (IL-5). Aus dem Kreislauf gelangen Eosinophile in periphere Gewebe, wo sie etwa zwei bis fünf Tage überleben, so Dr. David Jackson vom Guy’s Severe Asthma Centre, London und Prof. Dr. Ian Pavord vom King’s College London.
Die primäre Funktion von Eosinophilen wird gemeinhin in der Abwehr von Wurminfektionen gesehen. Die Zellen interagieren über einen antikörpervermittelten Prozess direkt mit dem Parasiten. Sie setzen zytotoxische Substanzen frei, die die Zellmembranen der Eindringlinge schädigen und deren Durchlässigkeit erhöhen. Darüber hinaus wurden Eosinophile mit der Abwehr von Viren, Bakterien und Pilzen in Verbindung gebracht.
Doch scheinen die Zellen außer der Infektabwehr weitere Funktionen zu haben. Denn sie lassen sich auch ohne Vorliegen einer infektiösen Bedrohung in vielen Körperregionen nachweisen (z.B. Schleimhaut des Gastrointestinaltrakts, Atemwege, Brustdrüsen, Thymus, Uterus, Fettgewebe).
Zelldefizit führte zu Veränderungen im Darm
Offensichtlich leisten sie u.a. einen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Homöostase. Dass Eosinophile in peripheren Geweben von funktioneller Bedeutung sind, zeigen Beobachtungen an Mäusen mit Eosinophilendefizit: Die Tiere weisen Defekte der intestinalen Schleimschicht sowie Veränderungen des Mikrobioms und der Peyer-Plaques auf.
Doch Eosinophile erfüllen nicht nur protektive und homöostatische Aufgaben, sie sind auch an der Pathogenese verschiedener Erkrankungen beteiligt. Als Effektorzellen antworten sie auf eine Aktivierung der Immunkaskade, die durch die Antigene bestimmter Allergene, Helminthen oder pathogener Mikroorganismen getriggert wird. Die eosinophile Degranulation setzt zytotoxische Substanzen frei, die Pathogene bekämpfen, aber auch umgebendes gesundes Gewebe schädigen. Eine periphere Eosinophile und/oder eosinophile Inflammation (unabhängig von einem Infektionsherd) wird bei folgenden Krankheitsbildern beobachtet:
- Asthma
- COPD
- chronische Rhinosinusitis mit nasalen Polypen
- eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis
- hypereosinophiles Syndrom
Man geht davon aus, dass zwischen Eosinophilen und den bei diesen Erkrankungen beobachteten Gewebeschäden und klinischen Manifestationen ein direkter, kausaler Zusammenhang besteht. Daher ist ihre Depletion eine logische therapeutische Konsequenz (siehe Kasten). Einige gegen Eosinophile gerichtete Substanzen sind für den klinischen Einsatz bereits zugelassen.
Medikamente, die Eosinophile beeinflussen
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Imatinib (Tyrosinkinaseinhibitor)
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Dexpramipexol
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Kortikosteroide
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Mepolizumab und Reslizumab (Anti-IL-5-Antikörper)
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Benralizumab (Anti-IL-5-Rezeptor-Antikörper)
Auch klinische Studien geben Entwarnung
Doch stehen dem potenziellen Nutzen einer Depletion funktionelle Einbußen gegenüber? Werden Patienten, die entsprechende Biologika erhalten, anfälliger gegenüber Infektionen und Krebserkrankungen? Dr. Jackson und Prof. Pavord gingen diesen Fragen nach und werteten zahlreiche tierexperimentelle und klinische Studien aus. Sie kamen zu der Ansicht, dass es sich auch ohne Eosinophile gut leben lässt:
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Mäuse ohne eosinophile Granulozyten sind offensichtlich lebensfähig und gesund und zeigen keine gesteigerte Anfälligkeit für Infektionen oder bösartige Erkrankungen.
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Insgesamt schien die Fähigkeit zur Helminthenabwehr bei diesen Mäusen intakt zu sein, auch wenn die Immunantwort auf eine Wurminfektion teilweise etwas verändert ablief.
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Beim Menschen wurde bisher nicht beobachtet, dass eine fast vollständige Eosinophilendepletion sich nachteilig auf die Gesundheit auswirkt, die Anfälligkeit gegenüber parasitären oder opportunistischen Infektionen erhöht oder das Risiko für Neoplasien steigert.
Diese Beobachtungen sprechen dafür, dass die Redundanz des Immunsystems ausreicht, um den Verlust von Eosinophilen zu kompensieren, schreiben Dr. Jackson und Prof. Pavord. Nach aktueller Datenlage stehen dem Nutzen einer therapeutischen Eosinophilendepletion weder nennenswerte Störungen der Immun- noch der homöostatischen Funktion gegenüber. Daher kommt den entsprechenden Medikamenten bei der Behandlung von durch Eosinophile vermittelten Erkrankungen eine Schlüsselrolle zu, meinen die beiden Autoren.
Quelle: Jackson DJ, Pavord ID. Eur Respir J 2023; 61: 2201217; DOI: 10.1183/13993003.01217-2022
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