Exazerbation trotz spezifischer Therapie

DGRh 2024 Dr. Sonja Kempinski

Das rechte Kniegelenk des Patienten war geschwollen, ebenso das linke Sprung- und das linke Ellenbogengelenk. Das rechte Kniegelenk des Patienten war geschwollen, ebenso das linke Sprung- und das linke Ellenbogengelenk. © VISUALPOINT - stock.adobe.com

Mit drei schmerzhaft entzündeten Gelenken gab ein Patient seinem Ärzteteam eine harte Nuss zu knacken. Als die Ursache schließlich bekannt war, ging der Spuk erst richtig los.
 

Seit Anfang 2022 litt ein 30-jähriger Mann an einer Oligoarthritis großer Gelenke. Auf Prednisolon sprach die Entzündung gut an. Um die Glukokortikoide zu reduzieren, wurde ambulant eine Therapie mit Methotrexat (MTX) eingeleitet. Das brachte keine Besserung, weshalb sich der Patient im August 2023 im Krankenhaus vorstellte, berichtete Dr. Lisa Seibold vom Asklepios Klinikum Bad Abbach. Dort präsentierte sich der aus Indien stammende Mann unauffällig. Er hatte kein Fieber, keinen Nachtschweiß, keine Rückenschmerzen und keine Hautauffälligkeiten. Miktion und Stuhlgang waren normal.

Klinisch nicht zu übersehen war allerdings die Oligoarthritis: Das rechte Kniegelenk war geschwollen, ebenso das linke Sprung- und das linke Ellenbogengelenk. Parallel dazu fanden sich mit einem CRP von 102 mg/l und einer BSG von 40/85 mm/h hohe Entzündungswerte. Rheumafaktoren, ACPA, ANA und HLA-B27 ließen sich nicht nachweisen, die Hepatitisserologie war unauffällig. Röntgenthorax und Abdomensonografie blieben ohne pathologische Befunde. 

Zunächst Verdacht auf eine rheumatoide Arthritis

Die Gelenksonografie ergab in den betroffenen Gelenken deutliche Zeichen einer Arthritis inkl. Erguss im Kniegelenk. Mit 4.800 Leukozyten/µl war das Synoviapunktat entzündlich. Die Untersuchungen auf Urat- und Pyrophosphatkristalle, Pilze, Borrelien und andere Bakterien sowie auf Morbus Whipple waren negativ. In der Mikroskopie ließen sich keine säurefesten Stäbchen erkennen. Eine Mycobacteriumkultur wurde angelegt, der zusätzlich durchgeführte ELISpot-Assay zum Nachweis einer Tuberkulose war grenzwertig, der Interferon-Gamma-Test negativ. Nach Ausschluss von Infektionen und ohne Anhalt auf eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung ging das Ärzteteam von einer rheumatoiden Arthritis aus und ergänzte die MTX-Therapie um Etanercept, berichtete die Referentin.

Vier Wochen später kam jedoch der Anruf vom mikrobiologischen Labor: Aus dem Kniegelenkspunktat war Mycobacterium tuberculosis angezüchtet worden, molekulargenetisch ohne Hinweise auf eine Rifampicin- oder Isoniazidresistenz. Inzwischen hatte der Mann auch Husten bekommen. In einer Lungenfachklinik wurde mittels CT und weiterer Untersuchungen eine geschlossene Lungentuberkulose diagnostiziert und eine Vierfachtherapie mit Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid und Ethambutol eingeleitet. Etanercept und MTX wurden abgesetzt, Prednisolon 10 mg/d zur Symptomkontrolle verordnet.

Doch die Sache war damit noch lange nicht ausgestanden: Etwa eineinhalb Wochen nach der Therapieumstellung kam es zur Exazerbation der Gelenkschmerzen mit Schwellungen in Knie und Ellenbogen bei hohem CRP-Wert. Im Ellenbogengelenk ließen sich röntgenologisch erosive Gelenkdestruktionen mit periartikulärer Osteopenie, Verkalkungen und ausgeprägtem Gelenkerguss erkennen.

Was war passiert? Resistenzen waren nicht festgestellt worden, die Antituberkulotika hätten eigentlich greifen müssen. Nach interdisziplinärer Diskussion ging man schließlich von einem Immunrekonstitutionssyndrom nach Absetzen des Etanercepts aus. Unter der daraufhin auf 40 mg/d gesteigerten Prednisolontherapie waren Schmerzen und CRP dann innerhalb von vier Tagen rückläufig.

Das Immunrekonstitutionssyndrom beschreibt eine paradoxe Verschlechterung einer Infektion unter deren Therapie, erklärte Dr. Seibold. Am häufigsten kommt es bei HIV-Infektionen, Tuberkulose oder Lepra vor. Beobachtet wurde es auch nach der Reduktion von Glukokortikoiden, nach Absetzen von TNF-Blockern sowie nach Neutropenie oder zytotoxischer Chemotherapie

Normalerweise ist das Syndrom selbstlimitierend. Bei schweren Verläufen kommen wie im Fallbeispiel zusätzlich zur bestehenden Therapie Glukokortikoide zum Einsatz, schloss die Kollegin.

Quelle: Deutscher Rheumatologiekongress 2024

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Das rechte Kniegelenk des Patienten war geschwollen, ebenso das linke Sprung- und das linke Ellenbogengelenk. Das rechte Kniegelenk des Patienten war geschwollen, ebenso das linke Sprung- und das linke Ellenbogengelenk. © VISUALPOINT - stock.adobe.com