
Expertentipps zur Coronaimpfung bei verschiedenen Patientengruppen

1. Allergiker generell
Die Frage, ob man sich als Allergiker bedenkenlos gegen SARS-CoV-2 impfen lassen kann, lässt sich eigentlich relativ einfach mit einem „Ja“ beantworten. Allergische Impfreaktionen sind insgesamt sehr selten, erklärte Professor Dr. Margitta Worm von der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Was die mRNA-Impfstoffe betreffe, sehe es „bislang so aus, dass wir keine deutlichen Signale für ein erhöhtes Anaphylaxie-Risiko haben“.
Natürlich gibt es Sonderfälle.1 Wie bei allen Impfungen sollten Patienten, die in der Vergangenheit auf einen Inhaltsstoff der Vakzine eine schwere allergische Reaktion gezeigt haben, nicht mit dieser geimpft werden. Generell wird bei Anaphylaxien in der Anamnese eine allergologische Abklärung oder zumindest eine erhöhte Alarmbereitschaft im Falle einer Impfung empfohlen. Vor allem wenn die Anaphylaxie in einem unbekannten Kontext auftrat, sollte man vorsichtig sein. Kam es z.B. im Rahmen einer Koloskopie zu einer Reaktion, könnte das am Macrogol gelegen haben – und Polyethylenglykol ist auch in der mRNA-Vakzine enthalten.
Ist der Auslöser bekannt, aber vakzinunabhängig (z.B. Reaktion auf Antibiotika) besteht nach bisherigem Kenntnisstand nicht automatisch ein höheres Risiko, beruhigte die Expertin. Dennoch rät sie dazu, den Patienten etwas länger nachzubeobachten (ca. 30 min).
2. Laufende Anti-IgE-Therapie bei Allergikern
Der Einsatz von Biologika im allergologischen Kontext ist in Bezug auf die Impfung relativ unproblematisch, gab Prof. Worm Entwarnung. Die molekularen Ansatzpunkte der Biologikatherapie spielen wahrscheinlich keine bedeutende Rolle in der Virenabwehr. Sie schlägt vor, eine Anti-IgE-Therapie (z.B. Omalizumab) und die anstehende Impfung so zu koordinieren, dass man einen wöchentlichen Abstand zwischen Injektion und Impfung einhält.
3. Patienten mit systemischer Mastozytose
Ob die Mastozytose mit einem erhöhten Impfrisiko einhergeht, ist bislang nicht eindeutig geklärt. „Es gibt wenige Daten zu Mastozytosepatienten, die mit anderen Impfstoffen geimpft wurden und dort hat man keine Signale beobachtet“, so Prof. Worm. Per se scheine sie also kein Faktor zu sein, bei dem man sofort reagieren müsse. Hat der Patient allerdings in der Vergangenheit bereits sehr schwer auf Medikamente reagiert, sollte man die Situation gründlich evaluieren. Von der Insektenallergie wisse man: Je höher der Tryptasewert, desto höher das Risiko für schwere Reaktionen.
Die prophylaktische Gabe von Antihistaminika oder systemischen Steroiden sieht Prof. Worm kritisch. Systemische Antihistaminika beeinträchtigen zwar nicht den Impferfolg, allerdings unterdrückt man mit einer solchen Prophylaxe auch die Hautreaktion, die als Frühsymptom eine Anaphylaxie anzeigt. Die derzeitige Empfehlung sei daher, die Patienten zu impfen, etwa 30 min nachzubeobachten und für einen anaphylaktischen Notfall gerüstet zu sein.
4. Urtikaria-Reaktion bei Patient mit chronisch spontaner Urtikaria nach der ersten Impfung
Hierbei muss man unterscheiden, wie schwer die Reaktion ausgefallen ist: Kam es zu einer systemischen Antwort oder einer Urtikaria, die man mit Antihistaminika nicht mehr in den Griff bekam, sollte auf eine zweite Impfung mit der Vakzine verzichtet werden. Blieb es bei einer milden Urtikaria bzw. zeigt sich nur eine leichte Verschlechterung, ist aus Sicht von Prof. Worm der Nutzen der Impfung größer als das Risiko, und die zweite Impfung – mit dem gleichen Impfstoff – kann verabreicht werden. Es könnte ja auch sein, dass die Urtikaria einfach durch die Impfreaktion getriggert wurde, gab sie zu bedenken.
5. Patient mit Psoriasis oder atopischer Dermatitis unter Systemtherapie
„Wir tun so, als ob wir Impfungen im Zusammenhang mit entzündlichen Hautkrankheiten neu erfunden haben und erstmals damit konfrontiert werden“, so Professor Dr. Michael Sticherling vom Universitätsklinikum Erlangen. Fest steht: Kontraindiziert unter immunmodulatorischer Therapie sind nur Lebendimpfungen.
Die Vektor- und mRNA-Vakzine, die momentan benutzt werden, seien aber Totimpfstoffe und daher unter laufender Immunmodulation möglich. Sie werden dadurch auch nicht schlechter verträglich, betonte der Experte. Es könne lediglich sein, dass die Impfantwort vermindert wird. „Die Daten, die wir zu anderen Impfungen haben, sind aber eigentlich beruhigend“.
Will man bei einem stabil eingestellten Patienten nichts riskieren, lässt sich im Einzelfall eine Unterbrechung der Medikation erwägen. Die Entscheidung hängt u.a. ab von
- der individuellen Patientensituation (langfristig stabile Erkrankung?)
- dem Wirkstoff und dem Therapieintervall (tägliche Gabe nötig?)
- dem Impfintervall
Eine Neurodermitis neigt allerdings dazu, bei Abbrechen der Therapie, „sehr schnell sehr stark zu exazerbieren“, gab Prof. Sticherling zu bedenken. Dadurch könnte der Patient steroidpflichtig werden. Und Dupilumab könnte man nach den bisherigen Daten z.B. bedenkenlos weiterlaufen lassen. Bei der Psoriasis gibt es Biologika, die so große Therapieintervalle haben, dass eine Impfung mit der RNA-Vakzine im dreiwöchigen Abstand gut dazwischen passt.
6. Patient unter systemischen Kortikosteroiden
Bei der systemischen Therapie muss man differenzieren, ob es sich um niedrig-, moderat- oder hochdosierte Glukokortikoide handelt und wie lange therapiert wird, erklärte Prof. Worm. „Wenn man eine kurzfristige niedrig- oder mitteldosierte Gabe hat, glaube ich, ist der Einfluss zu vernachlässigen“, lautete ihr Fazit. Bei einer hohen Dosis gebe es natürlich einen Einfluss auf die Immunreaktion und damit auch auf den Impferfolg.
Die Dosen, die nennenswert den Impferfolg beeinflussen, liegen bei > 10 mg/d Prednisolonäquivalent, ergänzte Prof. Sticherling. Letztendlich müssen man individuell entscheiden. Ein Beispiel wären z.B. Patienten mit aktivem Lupus. Diese gehören zwar priorisiert geimpft, stehen aber oft unter systemischen Steroiden. Wir würden bei einer Totimpfung keine erhöhte Unverträglichkeit erwarten, sondern nur eine schlechtere Impfantwort, erinnerte Prof. Sticherling. Und das sei immer noch besser als keine Impfantwort. Daher empfiehlt er bei SLE, die Steroide, falls möglich, zu reduzieren und dann zu impfen.
Ähnliches gilt z.B. für den Patienten mit bullösem Pemphigoid und hohen Steroiddosen, der schon allein durch die Gewöhnung die Glukokortikoide nicht einfach reduzieren kann: „Sie sollten ihn impfen und haben einfach die Gefahr, dass die Antwort geringer ausfällt“, so der Dermatolge.
7. Therapie mit Leflunomid oder Methotrexat
Der Einsatz von krankheitsmodifizierenden Medikamenten (DMARD) wie Methotrexat wird in verschiedenen Ländern kritisch diskutiert, erklärte Prof Sticherling. Jedoch sollte bei der Frage, ob bzw. wie entsprechend behandelte Patienten geimpft werden sollten, auch der Kontext der Erkrankung berücksichtigt werden. Die z.T. empfohlene zwei- bis vierwöchige MTX-Pause kann man sich in der Dermatologie bei einem stabilen Patienten mit Psoriasis womöglich leisten, bei einem Rheumapatienten nicht unbedingt, gab er zu bedenken.
Rheumatologen und Gastroenterologen aus seinem Umfeld beispielsweise sagen ihren stabil auf Leflunomid oder MTX eingestellten Patienten, dass sie auf ihrer Medikation bleiben sollen. Es sei eine Risikoabwägung, einem gut eingestellten RA-Patienten für den Zeitraum der Impfung sein Leflunomid zu nehmen und Gefahr zu laufen, dass er massiv exazerbiert und möglicherweise steroidpflichtig wird. Daten zu Leflunomid für andere Impfungen legen nahe, dass auch die Impfantwort auf eine SARS-CoV-2-Vakzine nur gering eingeschränkt wird.
8. Krebspatienten unter Chemo, zielgerichteter Therapie oder Checkpointinhibition
Melanompatienten z.B. unter Therapie mit Vemurafenib fallen klar in die Gruppe 2, für die es eine Impfempfehlung gibt. Sie gehören geimpft, betonte Privatdozent Dr. Markus Heppt, Dermatoonkologe am Universitätsklinikum Erlangen. Das gilt für alle Patienten mit behandlungsbedürftigen soliden Tumoren. Bei einem Patienten, der sich unter Erhaltungstherapie z.B. mit Nivolumab in stabiler Remission befindet, kann man beispielsweise die Infusionsintervalle von „alle zwei Wochen“ auf „alle vier Wochen“ strecken, um die Impfung dann bestmöglich zwischen die beiden Infusionstermine zu legen.
„Es gibt eigentlich nur eine Ausnahme, bei der ich zurückhaltend wäre und bei der auch in den ESMO-Guidelines davon abgeraten wird.“ Das seien vor allem B-Zell-depletierende Chemotherapien oder Rituximab. Nicht weil es gefährlich oder kontraindiziert wäre, so der Kollege. Man wisse aber, dass sich unter diesen Therapien kein adäquater Impfschutz aufbaut.
Wie alle anderen Referenten betonte er, dass man sich das Absetzen einer Therapie bei einem gut eingestellten Patienten zweimal überlegen sollte, insbesondere wenn es um eine kurative Krebstherapie geht. Gerade in der Onkologie sei der Einfluss einer Therapieunterbrechung auf die Prognose der Erkrankung nicht bekannt.
Quellen:
DermaLive: Covid-19 und der Einsatz von Biologika vom 17.03.2021, streamed-up.com
1 Worm M et al. MMW Fortschr Med 2021; 163: 48-51
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