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Fettleber birgt viele Risiken

Laut einem Review von 2022 ist die Prävalenz von Organverfettungen bei Menschen mit Diabetes weltweit erschreckend hoch.1 „Die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) hat sich ähnlich wie andere nicht-übertragbare Krankheiten zu einer Epidemie entwickelt“, stellte Professor Dr. Jörg Bojunga fest. Von den 5–10 % der in Deutschland an Diabetes mellitus erkrankten Personen weisen mehr als zwei Drittel eine NAFLD auf.
Die Pathophysiologie der NAFLD, vor allem die Insulinresistenz und die subklinische Entzündung, seien auch mit einem schweren Verlauf von Covid-19-Infektionen verbunden, berichtete der Leiter des Schwerpunkts Endokrinologie, Diabetologie, Ernährungsmedizin an der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums in Franfurt am Main. Genetische Faktoren allein könnten den starken Anstieg der NAFLD-Prävalenz in den letzten zwei Jahrzehnten nicht erklären. „Eine Beeinträchtigung des Glukose- und Lipidstoffwechsels, die durch die weltweite Zunahme von Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes vorangetrieben wurde, ist höchstwahrscheinlich die Ursache für die Zunahme von NAFLD.“
Eine prospektive Studie untersuchte nun die Prävalenz von NAFLD, fortgeschrittener Fibrose, Zirrhose und Leberzellkarzinom (HCC) bei Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes (T2DM).2 Das Durchschnittsalter der Kohorte (n = 501) betrug 64,6 Jahre, der mittlere BMI 31,4 kg/m² und der Frauenanteil lag bei 63 %. Die Prävalenz für NAFLD betrug 65 %, für fortgeschrittener Fibrose 14 % und für Zirrhose 6 %. In multivariablen, nach Alter und Geschlecht adjustierten Modellen waren Adipositas und Insulingabe mit einer mehr als 2,5-fach erhöhten Wahrscheinlichkeit für eine fortgeschrittene Fibrose verbunden.
Somit tragen viele ältere Menschen mit T2DM ein erhöhtes Risiko für Leberversagen und -krebs. Prof. Bojunga erwartet, dass diese Ergebnisse in künftige hepatologische und endokrinologische Praxisrichtlinien für NAFLD-Screening-Programme für diese Zielgruppe einfließen werden. Laut einer koreanischen Kohortenstudie ist das Alter bei Patient*innen mit NAFLD ein besserer Prädiktor als die Dauer des T2DM für leberassoziierte Ereignisse, sodass sich ein Screening ab dem 50. Lebensjahr auf eine fortgeschrittene Lebererkrankung anbieten könnte.3
Eine bevölkerungsbasierte Studie analysierte Verläufe und Trends für Leberzirrhose und deren Komplikationen anhand der Krankenhauseinweisungen in Deutschland (ICD-10-GM-Codes).4 Obwohl die alkoholische Zirrhose 20-mal häufiger auftrat als andere Ätiologien, bleibt festzustellen, dass sich die NAFLD-Prävalenz zwischen 2005 und 2018 vervierfacht hat. Aszitisfälle nahmen zu und waren die häufigste Komplikation, dagegen traten Blutungen seltener auf. Zirrhosen belasteten das Gesundheitswesen ganz erheblich, inklusive zunehmender Sterblichkeit im Krankenhaus – auch in Kombination mit anderen chronischen Krankheiten –, erklärte Prof. Bojunga.
Weiterhin NAFLD – oder die neue Definition MAFLD?
Eine amerikanische Studie konzentrierte sich auf den Vergleich der Outcomes von NAFLD und stoffwechselassoziierter Fettlebererkrankung (MAFLD).5 Die Daten der fast 12.900 Untersuchten zeigten über eine mediane Nachbeobachtungszeit von 22,8 Jahren eine ausgezeichnete Übereinstimmung zwischen NAFLD- und MAFLD-Diagnosen, ohne wesentliche Unterschiede bei klinischen Merkmalen, der kumulativen Gesamtsterblichkeit oder der ursachenspezifischen Mortalität. Die erhöhte leberbezogene Sterblichkeit bei NAFLD ließ sich auf Insulinresistenz zurückführen, während sie bei MAFLD in erster Linie durch eine alkoholassoziierte Lebererkrankung bedingt war.
Zwei Jahre nach der vorgeschlagenen Namensänderung von NAFLD in MAFLD, die sich auf die Assoziation mit Übergewicht/Adipositas, T2DM und metabolischen Risikofaktoren auch bei normalgewichtigen und schlanken Personen konzentriert, zeigt eine Übersichtsarbeit, dass die neue Definition in der täglichen klinischen Praxis hilfreich sein könnte.
Die Studien der letzten Jahre haben gezeigt, dass die neue Definition hilfreich sein könnte bei
- der Identifizierung von Patient*innen mit signifikanter Fibrose,
- der Vorhersage der Gesamtmortalität und
- der Charakterisierung des kardiovaskulären Risikos dieser Patientengruppe.
Die neue Definition hat sich noch nicht weltweit durchgesetzt, sollte aber auch in der Diabetologie beworben werden, um die Definition weiter zu verbessern und die universelle Verwendung vorzubereiten.6 Eine Längsschnittkohortenstudie ergab andererseits, dass der Wechsel der Definition zu einer Überdiagnose von Fettleber sowie einer überhöhten Mortalität und Morbidität bei T2DM und einer weiteren begrifflichen Heterogenität führte.7 Daher bleibe auch weiterhin die Bezeichnung NAFLD statt MAFLD sinnvoll, folgerte Prof. Bojunga.
„Fettlebererkrankungen fallen im Alltag bei Menschen mit Diabetes meist in zwei klinischen Situationen auf: Zum einen durch erhöhte Leberwerte und eine Fettleber im Ultraschall ohne Zeichen einer fortgeschrittenen Lebererkrankung und zum anderen durch Zeichen einer Leberzirrhose“, erklärte Prof. Bojunga. Besonders wichtig sei dabei, die Zwischenstufe der fortgeschrittenen Leberfibrose zu erkennen, bei der bereits mehrere Risikofaktoren erhöht sind (u. a. für HCC und kardiovaskuläre Ereignisse), aber noch Behandlungsmöglichkeiten bestehen.8,9
Eine fortgeschrittene Leberfibrose könne nicht ohne Weiteres diagnostiziert werden. Biomarker oder auf Ultraschall bzw. MRT basierende Verfahren (Elastografien) befinden sich weiterhin in der Entwicklung. Dabei scheine der FibroScan-basierte Agile Score eine vielversprechende Option zu sein.10 Der nicht-invasive FIB4-Score, der auf einem einfachen Algorithmus beruht, könne zur Identifizierung von NAFLD-Hochrisikopatient*innen genutzt werden;11 bei einem Indexwert unter 1,3 sei eine Weiterbehandlung in der Primärpraxis möglich.
Vorteil für GLP1-Rezeptoragonisten
Neben Ernährungsumstellung und Bewegung gibt es neue pharmakologische Perspektiven zur Verbesserung von Fettlebererkrankungen bei T2DM. Im Hinblick auf die diabetesbezogene medikamentöse Therapie beim NAFLD zeigte eine aktuelle Metaanalyse einen Vorteil für GLP1-Rezeptoragonisten (RA) gegenüber SGLT2-Hemmern: Während GLP1-RA das viszerale Fett sowie Triglyzeride signifikant verringern und so die Insulinresistenz effektiv verbessern können, zeigen SGLT2-Inhibitoren in dieser Hinsicht keinen erkennbaren Effekt.12 Weitere Wirkstoffe, die auf mehr als einen Rezeptor wirken, werden derzeit untersucht.
Vorsorgekoloskopie vor der etablierten Altersgrenze für Menschen mit Typ-2-Diabetes
Prof. Bojunga erläuterte, warum die Vorsorgekoloskopie auch vor den etablierten Altersgrenzen für diese Untersuchung fester Bestandteil der T2DM-Versorgung sein sollte: Im Gegensatz zu den Gesamtmortalitätsraten in allen Altersgruppen steigt die Prävalenz von Karzinomen bei älteren Patient*innen an.13 Insbesondere kolorektale und Pankreaskarzinome, aber auch Leber- und Endometriumkarzinome werden vermehrt diagnostiziert.
Ein möglicher antiproliferativer Effekt von Metformin wird schon sehr lange diskutiert. Metformin zeigte in Studien einen günstigen Einfluss auf die Entstehung und Prognose des kolorektalen Karzinoms,14 und es gibt etliche Hinweise auf eine HCC-Risikominderung durch Metformin, wohingegen Untersuchungen für andere Diabetesmedikamente oft widersprüchlich sind. Laut einer aktuellen Übersichtsarbeit begünstigen Sulfonylharnstoffe und Insulin die Entwicklung eines HCC, während Metformin, Glitazone, SGLT2-Inhibitoren, GLP1-Rezeptoragonisten und DDP4-Hemmer vor der Entwicklung und dem Wachstum eines solchen Karzinoms schützen können.15
Diabetes-Update 2023
Literatur:
1. Stefan N, Cusi K. Lancet Diabetes Endocrinol 2022; 10 (4): 284-296; doi: 10.1016/S2213-8587(22)00003-1
2. Ajmera V et al. J Hepatol 2023; 78 (3): 471-478; doi: 10.1016/j.jhep.2022.11.010
3. Zhang X et al. Hepatology 2022; 76 (5): 1409-1422; doi: 10.1002/hep.32476
4. Gu W et al. Lancet Reg Health Eur 2021; 12: 100240; doi: 10.1016/j.lanepe.2021.100240
5. Younossi ZM et al. Hepatology 2022; 76 (5): 1423-1437; doi: 10.1002/hep.32499
6. Grabherr F et al. Ther Adv Endocrinol Metab 2022; 13; doi: 10.1177/20420188221139101
7. Muthiah M et al. Ann Hepatol 2023; 28 (1): 100762; doi: 10.1016/j.aohep.2022.100762
8. Ampuero J. Clin Drug Investig 2022; 42 (Suppl 1): 39-45; doi: 10.1007/s40261-022-01142-w
9. Chung GE et al. Cardiovasc Diabetol 2022; 21 (1): 273; doi: 10.1186/s12933-022-01691-6
10. Sanyal AJ et al. J Hepatol. 2023; 78 (2): 247-259; doi: 10.1016/j.jhep.2022.10.034
11. Younossi Z et al. Aliment Pharmacol Ther 2023; 57 (3): 304-312; doi: 10.1111/apt.17346
12. Yan H et al. Front Endocrinol (Lausanne) 2022; 13: 923606; doi: 10.3389/fendo.2022.923606
13. Ling S et al. Diabetologia 2023; 66 (4): 657-673; doi: 10.1007/s00125-022-05854-8
14. Chen ML et al. Front Endocrinol (Lausanne) 2022; 13: 996228; doi: 10.3389/fendo.2022.996228
15. Plaz Torres MC et al. Hepatology 2022; 76 (6): 1880-1897; doi: 10.1002/hep.32439
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