
Folgenreiche Glukokortikoidtherapie

Hinweise auf eine glukokortikoidinduzierte Nebenniereninsuffizienz (NNI) geben Müdigkeit, allgemeines Unwohlsein, Übelkeit, Gewichtsverlust und Hyponatriämie, die im Zusammenhang mit einer früheren Glukokortikoideinnahme stehen (s. Kasten). Die Medikamente gehören zu den häufigsten Gründen für eine NNI in der Praxis, aufgrund ihres breiten Einsatzes geht man sogar von einer noch höheren Dunkelziffer aus. Das Erscheinungsbild der Patienten weicht von dem bei einer primären NNI ab und erinnert eher an ein Cushing-Syndrom, mit dünner Haut, leichten Blutergüssen und Striae, die auf die chronische hohe Steroidexposition zurückzuführen sind.
Patienten haben ein höheres Risiko für eine glukokortikoid-induzierte Nebenniereninsuffizienz, wenn sie ...
- über mindestens vier Wochen orale, inhalative, intranasale, topische oder intraartikuläre Glukokortikoide in einer Dosis von 5 mg Prednisolon-Äquivalent einnehmen
- länger als eine Woche täglich 40 mg Prednisolon-Äquivalent einnehmen
- mehr als drei Kurzbehandlungen mit Glukokortikoiden pro Jahr erhalten
- eine Langzeittherapie mit Glukokortikoiden im vergangenen Jahr beendet haben
- Glukokortikoide über mehrere Wege parallel erhalten
- neben Glukokortikoiden Arzneimittel einnehmen, die den Glukokortikoidstoffwechsel hemmen (z.B. Proteaseinhibitoren, Antimykotika)
Achtung: Verstärken Arzneimittel den Glukokortikoidstoffwechsel (z.B. einige Antikonvulsiva, Rifampicin und Johanniskraut), können sie bei bestehender glukokortikoidinduzierter NNI eine Nebennierenkrise triggern.
Laborparameter kündigen Nebennierenkrise an
Wird die Nebenniereninsuffizienz nicht erkannt, droht die Nebennierenkrise. Sie kündigt sich durch Symptome wie Synkope, Übelkeit und Erbrechen, Schmerzen im Unterleib, Verwirrung und Bewusstseinsstörung an. Weitere Anzeichen umfassen Hypotonie, Druckempfindlichkeit des Abdomens, Fieber und Delirium. Im Rahmen von Routine-Laboruntersuchungen können Hyponatriämie, Hypoglykämie, Hyperkalzämie, normozytäre Anämie und akutes Nierenversagen auffallen.Die biochemischen Ergebnisse sind ähnlich wie bei einem Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH), die glukokortikoidinduzierte Nebenniereninsuffizienz gilt in diesem Fall als wichtige Differenzialdiagnose.
Die wichtigste Erstuntersuchung bei Verdacht auf glukokortikoidinduzierte NNI ist die Bestimmung des Serumkortisols um 9 Uhr morgens, mindestens 24 Stunden nach der letzten Glukokortikoiddosis. Bei einem Wert über 350 nmol/l (12,7 μg/dl) kann im allgmeinen die Diagnose ausgeschlossen werden, schreiben Aoife Garrahy vom Oxford Centre for Diabetes, Endocrinology and Metabolism und Kollegen.
Bleibt die Diagnose ungewiss, sollte die Glukokortikoidgabe fortgesetzt und ein Endokrinologe hinzugezogen werden. Nehmen Betroffene allerdings östrogenhaltige orale Kontrazeptiva, kann das die Kortisollevel verfälschen. Die Messung sollte deshalb sechs Wochen nach Absetzen der Kontrazeptiva wiederholt werden. Bei akut erkrankten Patienten mit Verdacht auf eine glukokortikoidinduzierte NNI raten die Experten zu einer Steroidsupplementierung. Haben sie sich erholt, prüft man die Diagnose erneut.
Im Rahmen einer Nebenniereninsuffizienz können leicht erhöhte TSH-Werte auftreten, weil das Kortisol zur Unterdrückung der thyreotropen Zellen fehlt. In den meisten Fällen normalisiert sich das TSH aber unter einer Glukokortikoidsubstitution wieder. Da zusätzliches Thyroxin bei einer unbehandelten NNI eine adrenale Krise auslösen oder verschlimmern könnte, sollte in diesem Kontext keine Thyroxintherapie eingeleitet werden, warnen Garrahy und Kollegen.
Ein wichtiger Teil der Therapie besteht darin, die richtige Dosis für die Steroidsubstitution zu finden. So lindert man die Symptome der NNI und vermeidet sowohl eine Nebennierenkrise als auch Risiken einer Überbehandlung. Hydrocortison gilt als Mittel der Wahl, wobei der Patient die erste Dosis unmittelbar nach dem Aufwachen einnehmen sollte. Prednisolon oder Dexamethason dienen als Alternativen.
Patienten mit erhöhtem Risiko müssen außerdem über die Symptome einer drohenden Krise aufgeklärt und angeleitet werden, wie sie im Notfall die Steroiddosis selbst anpassen können. Hierzu sollten sie neben einem Notfallpass auch ausreichend Steroide bei sich tragen. Medizinischer Notfallschmuck wäre eine zusätzliche Option.
Quelle: Garrahy A et al. BMJ 2022; 379: e065137; doi: 10.1136/bmj-2021-065137
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).