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„Für die meisten Diabetiker reicht ein HbA1c von rund 8 % völlig aus“

Patienten von Symptomen befreien und vor Folgeschäden bewahren – so lauten die beiden rationalen Behandlungsziele bei Diabetes mellitus Typ 2. Das steht auch so in der Leitlinie der Deutschen Diabetesgesellschaft (DDG), wenn auch etwas ausführlicher. Um besagte Komplikationen zu vermeiden, empfehlen die Experten einen HbA1c-Zielkorridor von 6,5–7,5 %. „Eine recht große Spannweite, die nicht immer zielführend ist“, sagte Dr. Andreas Klinge, niedergelassener Internist und Diabetologe aus Hamburg-Eidelstedt. Denn sogar mit einem niedrigen Blutzuckerspiegel lassen sich Folgeschäden nicht immer vermeiden. Möglicherweise ist gar das Gegenteil der Fall, so Dr. Klinge.
Die Autoren der DDG-Leitlinie messen der Vermeidung von Diabetesspätschäden auf jeden Fall einen großen Stellenwert bei. Daraus könnte man ableiten, dass die meisten Diabetiker auch an solchen Komplikationen leiden. Studienergebnisse lassen aber auf etwas anderes schließen, führte Dr. Klinge aus und referierte die Resultate zweier Untersuchungen.
Spätschäden wohl nicht so verbreitet wie angenommen
In der ersten Arbeit wurde gezeigt, dass es binnen 30 Jahren bei etwa jedem zehnten Typ-1-Diabetiker zu einer proliferativen Retinopathie gekommen war. Blind und dialysepflichtig wurde je 1 %.¹ In der zweiten Untersuchung erlitt rund jeder fünfte Patient mit Diabetes Typ 2, dessen Erkrankung seit gut 25 Jahren bestand, einen Herzinfarkt. Bei 6–7 % kam es zu einem Schlaganfall.²
Demnach sind die Diabetesspätschäden wohl doch nicht so verbreitet wie angenommen, sagte Dr. Klinge. „Wenn man uns Ärzte fragt, gehen wir von etwa 70 % der Betroffenen aus. Was auch plausibel erscheint, da ja genau diese Patienten zu uns in die Praxis kommen. Die große Masse ist aber nicht betroffen.“ Das eigentlich Interessante der beiden Arbeiten steckt nach Ansicht des Diabetologen im Detail. Die Studienteilnehmer wiesen einen mittleren HbA1c von 8,5 % (Typ 1) bzw. 8,3 % (Typ 2) auf.
Ältere Substanzen am effektivsten
Beschwerdefreie Patienten eher in Ruhe lassen
In besagter Arbeit fanden Wissenschaftler heraus, dass Diabetiker jenseits des 50. Lebensjahres mit einem HbA1c von 6,4 % ein 1,5-fach höheres Mortalitätsrisiko haben als diejenigen, deren Werte zwischen 7,5 % und 8,2 % liegen. Damit erreicht das untere Ende des Zielbereichs der DDG-Leitlinie fast die Risikodimensionen, die Diabetiker mit einem HbA1c von 10,5 % aufweisen.³ Man muss sich fragen, wie sinnvoll die Empfehlungen für ältere Diabetiker sind, schlussfolgerte der Kollege. Zudem dürfe das zweite große Therapieziel nicht vergessen werden: die Symptomfreiheit. „Ein Blutzucker von etwas mehr als 8,5 % ist völlig in Ordnung, wenn die Patienten keine Beschwerden haben“, sagte Dr. Klinge. Sein abschließender Rat: „Vermeiden Sie einen zu niedrigen HbA1c, und lassen Sie die Patienten eher mal in Ruhe.“Quellen:
54. Ärztekongress der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg
¹ Diabetes Control and Complications Trial/Epidemiology of Diabetes Interventions and Complications (DCCT/EDIC) Research Group et al. Arch Intern Med 2009; 169: 1307-1316
² Holman RR et al. N Engl J Med 2008; 359: 1577-1589
³ Currie CJ et al. Lancet 2010; 375: 481-489
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