Insulin – eine Therapie von vorgestern?

Manuela Arand

Eine zu straffe Einstellung von Insulin bei Typ-2-Diabetikern kann auch schädlich sein. Eine zu straffe Einstellung von Insulin bei Typ-2-Diabetikern kann auch schädlich sein. © fotolia/Rainer

Lassen sich per Insulinbehandlung Folgeerkrankungen des Typ-2-Diabetes verhindern? Wer diese Frage mit Evidenz beantworten möchte, wird sich wundern, wie wenig es gibt.

Wer heute 60 Jahre alt ist, hat im Schnitt noch 24 Jahre zu leben. Allein der Typ-2-Diabetes kostet einen Menschen dieses Alters jedoch sechs Jahre Lebenszeit und doppelt so viel, wenn ein Myokardinfarkt dazukommt, berichtete Professor Dr. Stephan­ Jacob, niedergelassener Diabetologe aus Villingen-Schwenningen. „Wenn wir Diabetiker fragen, was sie sich verbessert wünschen, wird die Antwort lauten: länger leben und keinen Herzinfarkt kriegen.“ Natürlich möchte auch keiner erblinden oder an die Dialyse müssen.

Zwischen der Höhe des HbA1c und der Inzidenz von Folgeerkrankungen besteht ein nahezu linearer Zusammenhang, auch bei kardiovaskulären Komplikationen. Damit ist aber noch nicht bewiesen, dass ein gesenkter HbA1c das Risiko reduziert. Leider geben die großen Studien das auch nicht her – trotz eines HbA1c-Unterschieds von bis zu 1,5 % zwischen den Behandlungsarmen.

In einem Cochrane-Review von 2011, aber immerhin mit Daten von über 16 000 Patienten, kamen die Autoren ebenfalls zu dem Schluss, dass kein Unterschied zwischen intensiver und konventioneller antihyperglykämischer Therapie besteht bei kardiovaskulären Ereignissen.

Bereits eine schwere Hypo beeinflusst die Mortalität

Ein gewisser Nutzen hinsichtlich mikrovaskulärer Komplikationen ließ sich zeigen, das aber um den Preis von deutlich erhöhter Hypoglykämierate und Gewichtszunahme. Schon eine einzige schwere Hypoglykämie treibt das Risiko im Folgejahr in die Höhe, betonte Prof. Jacob. Infarktrisiko, kardiovaskuläre und Gesamtmortalität steigen. Nach Ansicht des Diabetologen gefährdet aber wohl nicht die Hypoglykämie die Patienten, sondern sie zeigt an, dass es sich um vulnerable Erkrankte handelt. Sie haben eine längere Dia­betesdauer, nehmen mehr Insulin und weisen häufiger eine Herz- oder Niereninsuffizienz auf.

„Das Problem ist, dass wir für die meisten wichtigen Fragen zur Insulintherapie bei diesen Patienten keine einzige Studie haben“, kritisierte Prof. Jacob. Weder für Herz- bzw. Niereninsuffiziente noch für Multimorbide ist nachgewiesen, dass eine Behandlung mit Insulin die Prognose verbessert. Tatsächlich gibt es nur eine einzige Untersuchung, die sich dem kardio­vaskulären Outcome in randomisiert-placebokontrolliertem Design gewidmet hat (mit Insulin glargin). Ergebnis: neutral. In einer weiteren ­Studie wurde gezeigt, dass Insulin degludec nicht schlechter abschneidet als Insulin glargin.

Allzu straffe Einstellung könnte sogar schaden

Für diese beiden Analoga gibt es also wenigstens Daten, dass die Therapie sicher ist – ein Nutzenbeweis fehlt weiterhin. Aus Registerdaten gibt es sogar Hinweise, dass eine allzu straffe Blutzuckereinstellung gerade unter Insulin eher schädlich sein könnte. Demnach liegt das optimale HbA1c etwa bei 8,0 %, während die Gesamtmortalität bei Werten um 6,5 % genauso hoch ausfällt wie bei 10,5 %. „Das sind Versorgungsdaten, das ist kein Beweis“, warnte Prof. Jacob vor voreiligen Schlüssen. „Es sollte uns aber zu denken geben.“ Vor allem vor dem Hintergrund, dass es für einige der neuen Antidiabetika gute Daten gibt, dass sie kardiovaskuläre und Gesamtsterblichkeit tatsächlich senken.

Bilanz für GLP-1-Analoga und SGLT-2-Hemmer klar besser

Kürzlich ist eine weitere Studie mit Dulaglutid versus Insulin glargin hinzugekommen, beide kombiniert mit Insulin lispro. Rekrutiert wurden Typ-2-Diabetiker mit massiv eingeschränkter Nierenfunktion (eGFR bis 15 ml/min). Unter dem GLP-1-Analogon kam es nicht nur zu deutlicher Gewichtsabnahme und weniger Hypoglykämien. Auch die Nierenfunktion fiel signifikant langsamer ab als unter dem Insulinanalogon.

Die Bilanz für die neuen Antidia­betika, also GLP-1-Analoga und SGLT-2-Inhibitoren, fällt soviel besser aus als für Insulin, dass sie nach Prof. Jacobs­ Überzeugung den Vorrang vor Insulin verdienen – zumindest für die kardiovaskuläre Sekundärprävention.

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