Insulinautoimmunsyndrom als wichtige Differenzialdiagnose oft übersehen

Dr. Elke Ruchalla

Erst nach sechsmaliger Immunadsorption wurden die Hypoglykämien langsam weniger, sodass die Patientin schließlich mit fortlaufender Glukosesensormessung entlassen werden konnte. Erst nach sechsmaliger Immunadsorption wurden die Hypoglykämien langsam weniger, sodass die Patientin schließlich mit fortlaufender Glukosesensormessung entlassen werden konnte. © iStock/Ta Nu

Wenn Nicht-Diabetiker immer wieder in die Hypoglykämie rutschen, liegt der Verdacht auf einen insulinbildenden Tumor nahe. Doch es gibt eine wichtige Differentialdiagnose, an die vermutlich zu selten gedacht wird.

Rezidivierende Hypoglykämien ohne Diabetes und ohne Insulingabe oder andere BZ-Senker – das muss ein Insulinom sein. Dem ist aber nicht unbedingt so, wie Tiago de Castro von der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie an der Medizinischen Hochschule Hannover und Mitarbeiter an einem entsprechenden Fall schildern.

Ihre 69-jährige Patientin litt seit sechs Wochen unter Zittern, Kaltschweißigkeit und Orientierungsstörungen. Zu Hause war außerdem ein Krampfanfall aufgetreten, und die danach gemessene Blutzuckerkonzentration betrug 41 mg/dl. Sie war schon zweimal notfallmäßig in anderen Kliniken durchgecheckt worden, ohne fassbare Ergebnisse.

Ein Diabetes war bei der adipösen Patientin (BMI 32,5 kg/m2) nicht bekannt, allerdings ein Bluthochdruck, eine COPD mit Emphysem sowie eine PAVK. Wegen Letzterer hatte sie vor Kurzem einen Stent erhalten und war auf eine doppelte Plättchenhemmung mit Clopidogrel und ASS gesetzt worden.

In der Bildgebung kein Hinweis auf Insulinom

Die Whipple-Trias (Hypoglykämie, damit verbunden neurologische Symptome, Besserung auf Glukoselösungen) bestätigte sich klinisch mehrfach. Im Labor fanden sich immer wieder BZ-Werte um die 60 mg/l, derHbA1c lag bei 5,7 %. Dazu kamen massiv erhöhte Insulinkonzentrationen auf mehr als das Vierzig- bis Hundertfache des Normbereichs und deutlich erhöhte Werte für die Insulinautoantikörper bei unpassend niedrigem C-Peptid.

Im Fastenversuch kam es erst nach drei Tagen zu einer Unterzuckerung, bildgebende Untersuchungen des Bauchraums ergaben keinen Hinweis auf insulinproduzierende Tumoren oder Ähnliches. Aufgrund des Verdachts auf ein medikamentös induziertes Insulinautoimmunsyndrom (IAS) schickten die Kollegen die Medikamentenliste der Frau an die klinischen Pharmakologen. Die konnten Clopidogrel als Auslöser identifizieren, der zur Bildung von Insulinautoantikörpern geführt hatte. Dazu passte insbesondere der zeitliche Zusammenhang: Die Hypoglykämien begannen etwa vier Wochen nach dem Start der Plättchenhemmung.

Das IAS wird vermutlich zu selten diagnostiziert, meinen die Kliniker. Als charakteristisch nennen sie die Kombination aus:

  • Hypoglykämien
  • Hyperinsulinämie
  • zu geringen bis grenzwertig normalen C-Peptid-Spiegeln und
  • Autoantikörpern gegen Insulin

Eine Standardtherapie gibt es nicht, im vorliegenden Fall traten trotz Absetzen von Clopidogrel und diätetischen Maßnahmen weiter Hypoglykämien auf. Erst nach sechsmaliger Immunadsorption wurden sie langsam weniger, sodass die Patientin schließlich mit fortlaufender Glukosesensormessung entlassen werden konnte. In den folgenden drei Monaten traten keine Unterzuckerungen mehr auf.

Quelle: De Castro T et al. Internist 2022; 63: 217-220; DOI: 10.1007/s00108-021-01180-0

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Erst nach sechsmaliger Immunadsorption wurden die Hypoglykämien langsam weniger, sodass die Patientin schließlich mit fortlaufender Glukosesensormessung entlassen werden konnte. Erst nach sechsmaliger Immunadsorption wurden die Hypoglykämien langsam weniger, sodass die Patientin schließlich mit fortlaufender Glukosesensormessung entlassen werden konnte. © iStock/Ta Nu