Trotz Myasthenie arbeitsfähig

Neuro-Update 2024 Birgit Maronde

Eine Option der Zukunft ist die CAR-T-Zell-Therapie. Eine Option der Zukunft ist die CAR-T-Zell-Therapie. © lexiconimages - stock.adobe.com

C5-Komplementinhibitoren, FcRn-Hemmer, CAR-T-Zellen: Das Spektrum der Therapieoptionen bei Myasthenia gravis erweitert sich stetig. Für die primäre Behandlung kommen die „Neuen“ derzeit aber noch nicht in Betracht.  

Die verlaufsmodifizierende Basistherapie der generalisierten Myasthenia gravis (gMG) erfolgt nach wie vor mit den bewährten Immunsuppressiva, d.h. mit Glukokortikoiden, Azathio­prin, Mycophenolat-Mofetil, Ciclosporin A, Metho­trexat oder Tacrolimus. Erst wenn die Wirkung dieser Medikamente nicht ausreicht, um das Therapieziel minimale Krankheitsaktivität bzw. Arbeitsfähigkeit des Patienten zu erreichen, sind nach aktuellem Stand Antikörper indiziert, betonte Prof. Dr. ­­Benedikt ­Schoser vom Friedrich-Baur-Institut an der Neurologischen Universitätsklinik und Poliklinik München. Zu diesen gehören sowohl C5-Komplementinhibitoren und FcRn-Modulatoren als auch der CD20-Antikörper Rituximab. 

Mittlerweile gibt es drei Vertreter der C5-Komplementinhibitoren: Eculizumab, Ravulizumab und Zilucoplan. Sie sind nur für die AChR-AK-positive gMG zugelassen. Eculizumab gibt man in den ersten vier Therapiewochen einmal pro Woche als Infusion, anschließend alle zwei Wochen. Ravulizumab appliziert man ebenfalls per infusionem, an Tag 1 als Loading-Dosis, ab Tag 15 alle acht Wochen. Zilucoplan wird täglich subkutan gespritzt und ist für die Selbstmedikation geeignet.
Der MG-ADL-Score* verbesserte sich in den Zulassungsstudien aller drei Substanzen unter der Therapie deutlich. Auch in der Langzeitbeobachtung blieb der positive Effekt erhalten. Wichtig ist, das erhöhte Infektionsrisiko während der Behandlung im Auge zu behalten. Zudem müssen die Patienten spätestens zwei Wochen vor Behandlungsbeginn gegen Meningokokken geimpft sein.

Ebenfalls als Add-on zugelassen sind die FcRn-Inhibitoren Efgartigimod und Rozanolixizumab. Efgartigimod ist ein Fragment des IgG1, das an den neonatalen Fc-Rezeptor (FcRn) bindet. So wird verhindert, dass andere IgG-Antikörper andocken und in der Zelle recycelt werden. Stattdessen erfolgt deren Abbau – die Spiegel, auch die der pathologischen Antikörper, sinken. Die Indikation für Efgartigimod besteht bei erwachsenen Patienten mit AChR-Ak-positiver gMG. Die Substanz kann als intravenöse oder subkutane Infusion gegeben werden. Ein Therapiezyklus umfasst vier Wochen, in denen wöchentlich eine Infusion erfolgt. Wie häufig der Zyklus wiederholt wird, hängt vom Einzelfall ab.

Bei Rozanolixizumab handelt es sich um einen humanisierten IgG4P-Antikörper gegen FcRn, der ebenfalls das Recycling von IgG-Antikörpern verhindert. Er wurde zugelassen für die Add-on-Therapie der AChR-Ak-positiven sowie der MuSK-positiven gGM. Bei Letzterer ist er allerdings nur Mittel der zweiten Wahl hinter Rituxiumab. Im ersten Behandlungszyklus erfolgt sechs Wochen lang einmal pro Woche eine subkutane Infusion. Die Frequenz weiterer Zyklen wird individuell festgelegt. Bei allen FcRn-Inhibitoren sind vor Therapiebeginn und im Verlauf die IgG-Spiegel zu kontrollieren, erinnerte Prof. Schoser. Nach seinen Erfahrungen funktioniert das neue Therapieprinzip und wird von den Patienten gut angenommen.

Eine Option der Zukunft ist die CAR-T-Zell-Therapie. Dafür werden aus dem Patientenblut T-Zellen gewonnen und gentechnisch so modifiziert, dass sie chimäre Antigenrezeptoren auf ihrer Oberfläche bilden. Diese sind gegen autoimmunspezifische Oberflächenproteine gerichtet. Dem Patienten zurück­infundiert, vermehren sich die so veränderten Zellen und führen zu einer lang anhaltenden Immunreaktion gegen das Antigen.

Für die Therapie der generalisierten Myasthenia gravis hat man bereits CD8-T-Zellen mittels RNA so modifiziert, dass sie das B-Zell-Reifungsantigen auf Plasmazellen erkennen. In einer prospektiven, multizentrischen, offenen Phase-1b/2a-Studie wurden insgesamt 14 Patienten mit solchen CAR-T-Zellen behandelt. Im ersten Teil der Studie ermittelte man zunächst die maximal tolerable Dosis, im zweiten Teil erhielten die Patienten diese dann sechsmal (2 x pro Woche über drei Wochen). Anschließend wurden sie drei bis neun Monate nachbeobachtet.

Die Therapie erwies sich als sicher und verträglich. Weder gab es eine dosislimitierende Toxizität noch ein Zytokin-Freisetzungssyndrom oder eine Neurotoxizität, berichtete Prof. Schoser. Unerwünschte Effekte wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen oder Fieber klangen innerhalb der ersten 24 Stunden ab. In der Nachbeobachtungszeit reduzierte sich der Schweregrad der gMG in klinisch bedeutsamem Ausmaß. „Es war ein fast durchgängig maximaler Effekt“, berichtete Prof. Schoser. Niemand habe damit gerechnet, dass die Behandlung so eindeutig funktioniert. 

Ein kasuistischer Bericht über eine CD19-CAR-T-Zelltherapie wurde letztes Jahr im Lancet publiziert. Eine 33-Jährige mit therapieresistenter Anti-AChR-positiver gGM, die ohne Hilfsmittel nicht mehr laufen konnte, Schluck- und Atembeschwerden sowie mehrere myasthene Krisen hatte, erlebte nach der Behandlung eine kontinuierliche Besserung von Müdigkeit und Muskelschwäche. Sie lernte wieder ohne Hilfsmittel zu laufen. Besinger- und QMG-Score** zur Beurteilung des Schweregrads besserten sich. Ab Tag 8 post infusionem waren die zirkulierenden CD19-B-Zellen eliminiert und wurden bis Tag 62 auch nicht wieder gebildet. Der Titer der Anti-AChR-Antikörper verringerten sich von 2.434 auf 718 nmol/ml. Die Impf-IgG-Titer blieben erhalten.  

Mittlerweile sind vier verschiedene Firmen mit ihren CAR-T-Zell-Konstrukten unterwegs, berichtete Prof. Schoser. Er hält es für realistisch, dass deren Effektivität zeitnah in kontrollierten Studien geprüft wird.

*    Myasthenia Gravis - Activities of Daily Living
**    Quantitative Myasthenia Gravis   

Quelle: 16. Neurologie-Update-Seminar

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