Infektionsrisiken und Autoimmunphänomene im Blick behalten

Dr. Elke Ruchalla/Tobias Stolzenberg

Bei der Biologikatherapie von Autoimmunerkrankungen ist die Wahrscheinlichkeit für Infekte erhöht. Bei der Biologikatherapie von Autoimmunerkrankungen ist die Wahrscheinlichkeit für Infekte erhöht. © iStock/ljubaphoto

Immer mehr Patienten erhalten eine langfristige Therapie mit TNF-α-Blockern oder Checkpoint-Hemmern. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich auch Hausarzt oder Internist mit den unerwünschten Nebenwirkungen dieser Medikamente konfrontiert sehen.

Die Behandlung mit Biologika ist gut wirksam und in der Regel relativ nebenwirkungsarm. Als Immunmodulatoren stellen sie das Rückgrat der Therapie zahlreicher Autoimmunerkrankungen dar:

  • Antikörper gegen den IL-6-Rezeptor wie ­Tocilizumab finden etwa bei der Behandlung von rheumatoider Arthritis (RA) und der Riesenzellarteriitis Ver­wendung.
  • Das Einsatzgebiet der Antikörper gegen CD20 reicht von B-Zell-Neoplasien über RA bis hin zu ANCA*-assoziierten Vaskulitiden. 
  • Bei der Therapie der rheumatoiden Arthritis verhindert Abatacept die ­T-Zell-Interaktion mit antigenpräsentierenden ­Zellen. 
  • TNF-a-Inhibitoren haben heute ihren festen Platz in der Standardtherapie von RA, Psoriasis und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
  • IL-1-Inhibitoren sind u.a. bei RA, Gicht, ­Morbus Still und familiärem Mittelmeerfieber wirksam.

Checkpoint-Inhibitoren beeinflussen kritische Signalwege und verstärken die Immunantwort gegenüber einer Vielzahl von Tumoren. Klinisch am weitesten entwickelt sind die Medikamente, die auf das PD1**-Molekül oder dessen Liganden PD-L1 zielen, sowie Wirkstoffe, die CTLA4*** ­blockieren.

Wie andere biologische Substanzen auch können Biologika immunvermittelte Akutreaktionen hervorrufen, erinnern Prof. Dr. ­Thomas ­Zander und Dr. ­Michael ­Hallek von der Klinik für Innere Medizin am Universitätsklinikum Köln. Das lebensgefährliche Zytokinfreisetzungssyndrom, anschaulich auch als Zytokinsturm bezeichnet, tritt insbesondere nach Einsatz von Wirkstoffen auf, die sich direkt gegen T- oder B-Zellen oder gegen IL-2-Rezeptor richten. Bei jedem Biologikum kann – bereits bei Erstgabe oder nach wiederholter Applikation – akut eine Hypersensitivität auftreten. Unterschieden werden frühe (≤ 1 h) und verzögerte Reaktionen (> 1 h bis einige Tage).

Infektrisiko hängt u.a. von der Substanz ab

Bei der Biologikatherapie von Autoimmunerkrankungen ist die Wahrscheinlichkeit für Infekte erhöht (­Hazard ­Ratio, HR, 1,37), wobei das relative Risiko für schwere Verläufe von der jeweiligen Substanz und der etwaigen Begleitmedikation mit Kortikosteroiden abhängt: 

  • Bei rheumatischen Erkrankungen treten die Infektionen meist innerhalb der ersten drei Monate auf, danach sind sie seltener.
  • Unter IL-6-Rezeptorantagonisten sind Infekte regelmäßig zu beobachten (5 %), vor allem solche der oberen Atemwege. Es kommt zudem zu akuten Divertikulitiden bis hin zur Darm­perforation. 
  • Die CD20-Blockade kann eine Hepatitis B reaktivieren, was nach B-Zell-Regeneration einen fulminanten Verlauf nehmen kann.
  • IL-1-Rezeptorantagonisten gefährden vor allem ältere Menschen mit relevanten Begleiterkrankungen, etwa durch schwere Urogenital- oder Atemwegsinfekte (HR 4,05).
  • Unter TNF-a-Inhibition sind atypische Infektionen recht häufig, etwa eine reaktivierte Tuberkulose (HR 1,92).

Bei allen Biologika, speziell aber bei der TNF-a-Blockade, ist zudem mit Infektionen der oberen Atemwege durch atypische Erreger wie Candida oder Aspergillus zu rechnen.

Vor allem beim Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren kann es zu teils schweren autoimmunen Effekten in verschiedenen Organen und Geweben kommen. Häufigste dermatologische Nebenwirkungen etwa sind Vitiligo, Pruritus und lichenoide Veränderungen. In seltenen Fällen kommt es zum Steven-Johnson-Syndrom, was das dauerhafte Absetzen der Substanz erforderlich macht.

Mit einer Frequenz von 6–20 % treten autoimmunbedingte Störungen der Schilddrüsenfunktion unter oder nach Therapie mit Checkpoint-Hemmern auf. Hypothyreosen sind häufiger zu finden, Überfunktionen meist nur von vorrübergehender Natur. Eine Hypophysitis tritt insbesondere nach kombinierter Behandlung mit PD1-/PD-L1- und CTLA4-Inhibitoren auf, meist um zwei bis drei Monate verzögert. Aufgrund der endokrinen Nebenwirkungen sollten Patienten unter Checkpoint-Blockade regelmäßig klinisch untersucht und ihre Schilddrüsenfunktion sowie die Elektrolyte überwacht werden.

Durchfälle gehören zu den häufigsten Nebenwirkungen von Checkpoint-Hemmern. Bei schweren Kolitiden muss die Therapie ggf. unterbrochen werden, womöglich sind sogar Immunsuppressiva indiziert. Ähnliches gilt bei Leberschäden mit erhöhten Transaminase- und Gamma-GT-Werten.

Bei Atembeschwerden ist eine Thorax-CT angezeigt

Die Lunge ist seltener von Nebenwirkungen betroffen, am ehesten noch in Form von Pneumonitiden. Die Kombinationsblockade erhöht das Risiko deutlich. Diagnostisch ist bei neu aufgetretenen Atembeschwerden eine Thorax-CT angezeigt. Die Abgrenzung gegenüber einer Infektion macht gegebenenfalls eine invasive Diagnostik erforderlich. Bei autoimmun bedingter Pneumonitis sollte das Biologikum abgesetzt und eine Behandlung mit Steroiden gestartet ­werden.

* Anti-Neutrophile cytoplasmatische Antikörper
** programmed cell death protein 1
***cytotoxic T-lymphocyte-associated protein 4

Quelle: Zander T, Hallek M. Internist (Berl) 2022; 63: 165-170; DOI: 10.1007/s00108-021-01259-8

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Bei der Biologikatherapie von Autoimmunerkrankungen ist die Wahrscheinlichkeit für Infekte erhöht. Bei der Biologikatherapie von Autoimmunerkrankungen ist die Wahrscheinlichkeit für Infekte erhöht. © iStock/ljubaphoto