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Immunsupprimierte brauchen eine umfassende reisemedizinische Beratung

Reisende, deren Immunsystem beeinträchtigt ist, sind für Infektionen empfänglicher als Immunkompetente. Das hindert sie aber nicht daran, ein exotisches Urlaubsziel zu wählen. Hinzu kommen Immunsupprimierte, die aus beruflichen oder familiären Gründen in Regionen mit niedrigem Entwicklungsstand reisen. Um die Risiken für diese Personen vor, während und nach der Reise zu senken, bedarf es einer besonders gründlichen Vorbereitung.
Bei ihnen allen muss man vor Reiseantritt beurteilen (und das schon Wochen, wenn nicht gar Monate zuvor), wie stark die Immunfunktion im Einzelfall beeinträchtigt ist und welche Maßnahmen je nach Ziel notwendig sind, erklären Professor Dr. Jens Lutz von der Klinik für Innere Medizin – Nephrologie und Infektiologie am Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein Kemperhof in Koblenz und Kollegen. Auch die Aktivitäten vor Ort und der Reisestil spielen eine Rolle. Bei Bedarf sollte man einen Reisemediziner und einen Kollegen mit Erfahrung in der Therapie von Immunsupprimierten hinzuziehen.
Reisedurchfall kann in akutem Nierenversagen münden
Die häufigsten Probleme auf Reisen verursachen Durchfallerkrankungen, die über Wasser oder Nahrungsmittel übertragen werden. Vor allem Patienten nach Organtransplantationen scheinen dadurch gefährdet. Noch immer gilt der Grundsatz: „Peel it, cook it or forget it“. Am bedrohlichsten an der Reisediarrhö ist der Wasserverlust, der schnell in ein akutes Nierenversagen münden kann. Außerdem beeinträchtigt er die Resorption der immunsuppressiven Medikamente.
Der Patient sollte vor Ort zum Arzt gehen, wenn Fieber, Übelkeit und Erbrechen oder blutige Stuhlgänge länger als ein bis zwei Tage anhalten. Eine Antibiotikaprophylaxe darf allenfalls für kurze Zeit erfolgen, dann bevorzugt mit Rifaximin. Aufgrund der verbreiteten Resistenz von Campylobacter gegen Chinolone in Südostasien wird auch Azithromycin verordnet, wobei man sich aber der Risiken bewusst sein muss. Eine manifeste Diarrhö kann bei immunsupprimierten Reisenden mit Chinolonen und Azithromycin angegangen werden.
Vor allem dann, wenn sich der Patient längere Zeit bei Verwandten oder Freunden in ländlichen Hochendemiegebieten aufhält, droht eine Tuberkuloseinfektion. Das gilt umso mehr für Patienten mit reduzierter zellulärer Immunität, etwa infolge einer HIV-Infektion, oder wenn ein TNF-α-Blocker eingenommen wird. Daher sollte bei diesen Personen ein Screening mittels Interferon-γ-Test erfolgen, und zwar vor und nach der Reise. Liegt das Risiko besonders hoch, empfiehlt sich eine Isoniazid-Prophylaxe.
Opportunistische Pilz-Lungenentzündungen stellen eine Gefahr für Outdoor-Aktivisten oder Höhlentouristen dar. Auch nach Renovierungsarbeiten im Hotel können vermehrt Pilzerkrankungen auftreten. Achtung: Einige dieser Infektionen haben eine lange Inkubationszeit oder werden nach vielen Jahren reaktiviert.
Malariaprophylaxe schon Wochen vorher starten
Bei der Indikation für eine Malariaprophylaxe hat die Art oder Schwere des Immundefekts keine Bedeutung, schreiben die Autoren. Beachtet werden müssen aber mögliche Interaktionen der Malariamedikamente mit den Immunsuppressiva. So kann Doxycyclin die Mycophenolatkonzentrationen verringern, Mefloquin die Serumkonzentration von Calcineurininhibitoren erhöhen. Letzteres akkumuliert aber nicht bei eingeschränkter Nierenfunktion. Die Kombination aus Atovaquon und Proguanil kann von Immunsupprimierten sicher verwendet werden.
Um die optimale Dosis der Wirkstoffe zu ermitteln, sollte der Patient schon Wochen vor Reiseantritt mit der Malariaprophylaxe beginnen. Bei Patienten, die HIV-Protease-Inhibitoren nehmen, ist im Einzelfall zu prüfen, ob für die Reise die antiretrovirale Therapie umgestellt werden muss.
Die Standardimpfungen werden durchgeführt, sofern sie nicht kontraindiziert sind. Je nach Reiseziel und geplanten Aktivitäten empfiehlt sich die zusätzliche Vakzinierung u.a. gegen Typhus, Cholera, Hepatitis A und Meningokokken. Zu beachten ist, dass Immunsupprimierte weniger schützende Antikörper bilden und dass der Impferfolg weniger lange anhält. Wenn möglich, sollte daher vor der Reise der jeweilige Impftiter bestimmt werden.
Lebendimpfstoffe sind bei mäßig bis stark eingeschränkter Immunfunktion in aller Regel kontraindiziert. Zur Gelbfieberimpfung raten die Experten nur bei eindeutiger Gefährdung des Patienten. Sie erinnern daran, dass für viele Reiseziele mit Impfpflicht eine Ausnahmegenehmigung für immunsupprimierte Patienten erteilt werden kann.
Quelle: Lutz J et al. Internist 2019; 60: 701-708
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