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Funktionelle Dyspepsie: Wie sich Bauch und Patient beruhigen lassen

Nach den Rom-IV-Kriterien unterscheidet man zwei Typen der funktionellen Dyspepsie: Das epigastrische Schmerzsyndrom manifestiert sich mit Oberbauchschmerzen und/oder Magenbrennen an mindestens einem Tag in der Woche. Typisch für das postprandiale Distress-Syndrom sind vorzeitige Sättigung und/oder Völlegefühl an mindestens drei Tagen pro Woche. In beiden Fällen müssen die Beschwerden seit mindestens sechs Monaten bestehen und den Alltag deutlich beeinträchtigen. Die Pathogenese ist noch nicht endgültig geklärt. Unter anderem geht man von einer gestörten Kommunikation zwischen zentralem und enteralem Nervensystem aus, schreiben Professor Dr. Alexander Ford von der St. James’s University in Leeds und Kollegen.
Auslöser der funktionellen Dyspepsie
- Dysfunktion der Darm-Hirn- Achse
- gastrointestinale Dysfunktion (sensorisch oder motorisch)
- Veränderung des Gallensäurepools
- Low-grade-Entzündung der Schleimhaut
- Störung des gastrointestinalen Mikrobioms
- Veränderung des duodenalen Immunsystems
Häufiges Erbrechen spricht für eine organische Ursache
Die Diagnose der funktionellen Dyspepsie basiert in erster Linie auf einer gründlichen Anamnese. Dabei gilt es, vor allem Alarmsymptome wie Gewichtsverlust und Hämatemesis auszuschließen, die weitere Untersuchungen notwendig machen würden. Die funktionelle Dyspepsie geht oft mit Blähungen, Refluxsymptomen oder postprandialer Übelkeit einher. Rezidivierendes oder anhaltendes Erbrechen ist ein Warnzeichen für organische Ursachen wie Magenausgangsstenose oder Gastroparese. Begleiterkrankungen wie Reizdarmsyndrom, chronisches Müdigkeitssyndrom und Fibromyalgie sprechen eher für eine funktionelle Genese. Auch wenn kein pathologischer Befund zu erwarten ist, raten die Autoren dazu, nicht auf eine sorgfältige körperliche Untersuchung zu verzichten. Das gilt schon deswegen, weil Sie dem Patienten damit auf einfache Weise zeigen können, dass Sie seine Symptome ernst nehmen. Außerdem versteckt sich hinter klassischen Dyspepsiebeschwerden nicht selten doch eine andere Erkrankung. Wichtige Hinweise liefert z.B. der Carnett-Test, bei dem der Patient im Liegen den Kopf hebt. Wenn sich der Schmerz dabei verschlimmert, ist er höchstwahrscheinlich muskuloskelettaler Natur. Ein weiteres Zeichen: Patienten mit funktionellen Symptomen schließen während der Palpation oft die Augen, weil sie nicht mit Schmerzen rechnen. Spezifische Biomarker für die nicht organisch bedingte Dyspepsie existieren bisher nicht. Als Basislabor empfehlen die Verfasser ein Blutbild zum Ausschluss einer Anämie und beim Verdacht auf eine hepatobiliäre Genese auch die Bestimmung der Leberwerte. Ein routinemäßiges Screening auf Pankreatitis, Schilddrüsenerkrankungen und Zöliakie halten sie nicht für sinnvoll. Für eine endoskopische Abklärung plädieren die britischen Kollegen nur bei älteren Patienten (≥ 60 Jahre) und bei Alarmsymptomen wie Gewichtsverlust, Anämie und (blutigem) Erbrechen. Jüngere Patienten ohne Warnzeichen sollten nicht-invasiv auf Helicobacter pylori getestet werden. Im Fall einer Infektion ist eine Eradikation angezeigt.Die Behandlung erfolgt in erster Linie medikamentös
Therapeutisch hilft es oft schon, dem Patienten zu versichern, dass er keine organische Erkrankung hat. Er sollte wissen, dass die Dyspepsie meist chronisch fluktuierend verläuft, aber die Lebenserwartung nicht beeinträchtigt. Bisher gibt es noch wenig Evidenz für einen günstigen Effekt von vermehrter Bewegung oder bestimmten Kostformen. Die Behandlung erfolgt deshalb in erster Linie medikamentös. Die Helicobacter-Eradikation hat bei Dyspepsie-Patienten offenbar nur einen moderaten Effekt. Laut einer Cochrane-Metaanalyse vermag sie das Risiko für persistierende Symptome nur um etwa 10 % zu reduzieren. Möglicherweise sprechen Patienten mit epigastrischen Schmerzen besser an als solche mit postprandialen Symptomen. Da die funktionelle Dyspepsie mit einer duodenalen Hypersensitivität für Magensäure assoziiert ist, könnten sich auch Protonenpumpenhemmer zur Dyspepsie-Behandlung eignen. Omeprazol (20 mg/d) und Lansoprazol (30 mg/d) haben sich in Studien wirksam gezeigt – unabhängig davon, ob Schmerz oder postprandiale Symptome dominieren. Deshalb empfehlen die Autoren den Einsatz von PPI bei H.pylori-negativen Patienten bzw. bei Symptompersistenz nach der Eradikation. Der H2-Rezeptor-Antagonist Ranitidin ist möglicherweise ebenfalls wirksam, für Antazida und Sucralfat konnte dagegen kein Effekt nachgewiesen werden. Auch Neuromodulatoren wie niedrig dosierte Antidepressiva lindern dyspeptische Beschwerden ggf. Die britischen Kollegen sprechen sich für einen Versuch mit Trizyklika wie Amitriptylin und Imipramin aus, wenn sich die Symptome unter PPI nicht bessern (Startdosis 10–25 mg/d zur Nacht, steigerbar auf 50 mg). Das Tetrazyklikum Mirtazapin ist möglicherweise ebenfalls wirksam, für SSRI und NSRI konnte bislang kein Effekt gezeigt werden. Falls sich die Beschwerden unter Antidepressiva nicht zurückbilden, kann eventuell die kognitive Verhaltenstherapie helfen.Quelle: Ford AC et al. Lancet 2020; 396: 1689-1702; DOI: 10.1016/50140-6736/(20)30469-4
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