(Gar nicht so) seltene Symptome beachten

Schmerz- & Palliativtag 2024 Dr. Claudia Schöllmann

Oft werden Probleme von Patient:innen in der finalen Lebensphase übersehen oder übertherapiert. Oft werden Probleme von Patient:innen in der finalen Lebensphase übersehen oder übertherapiert. © Chinnapong– stock.adobe.com

Probleme von Patient:innen in der finalen Lebensphase werden oft übersehen oder als nicht wichtig erachtet. Welche Symptome stellen in der palliativen Situation tatsächlich eine Belastung für die Betroffenen dar, welche sollten behandelt werden und wann liegt möglicherweise eine Übertherapie vor? 

Obwohl zwei Drittel der Erkrankten in der Palliativversorgung von einer Anämie betroffen sind, existiert keine Leitlinie, die speziell das Vorgehen in dieser Situation am Lebensende thematisiert, betonte Dr. Ralph Simanek, Österreichische Gesellschaft für Gesundheitsmediation und Intensivberatung Wien.1 Er riet, bei den Betroffenen zunächst nach Defiziten zu suchen (Eisen, Vit B12, Folsäure) und diese ggf. durch Supplementation zu beheben. Um einer Hämolyse auf die Spur zu kommen, könne ein Blick auf die Retikulozytenzahl sinnvoll sein. Zudem solle abgeklärt werden, ob eine renale Ko-Komponente bestehe oder die Anämie eventuell durch Knochenmarkinsuffizienz verursacht worden sei. Weitere Blutverluste sollten in dieser Situation vermieden werden; der Experte empfahl eine Medikamentendurchsicht (NSAR, Antikoagulanzien, Thrombozytenfunktionshemmer, SSRI) sowie ein Vermeiden übermäßiger Blutentnahmen; ggf. sei eine symptomatische Therapie mit Tranexamsäure möglich.

Transfusionen helfen nur kurzfristig

Im Falle einer Inflammation, etwa im Kontext einer Kachexie, sei der Eisenmangel oft funktionell im Sinne einer interleukin- bzw. hepcidin-getriggerten Eisenverwertungsstörung. Hier solle Eisen nicht per os, sondern via Infusion gegeben werden. ESA* würden in der Palliativversorgung nicht routinemäßig bei Anämie eingesetzt: für Patient:innen mit myelodysplastischem Syndrom und renaler Anämie seien sie im Falle von Hb-Werten unter 10g/dl aber geboten. Liegt eine renale Anämie vor, sollten ESA niedrig dosiert eingesetzt werden (20 IE/kgKG, während bei Anämie aufgrund von Knochenmarkinsuffizienz wesentlich höhere Dosierungen notwendig seien (10.000 IE/Woche unabhängig vom KG). 

Transfusionen mit Erythrozytenkonzentraten könnten zum Wohlbefinden der Erkrankten beitragen, doch seien die Effekte von kurzer Dauer. Dr. Simanek riet dazu, individuell zu entscheiden. So sei im Falle einer kurzfristig eingetretenen Anämie aufgrund einer Blutung eine Transfusion sinnvoll (nur ein Konzentrat geben oder jeweils eins an zwei Tagen); bei einer chronischen Anämie sieht der Experte Transfusionen eher kritisch.

Benefit der Thromboseprophylaxe fraglich

Thrombosen seien die „häufigste vermeidbare Todesursache“ bei Krebspatient:innen im Krankenhaus, sagte Dr. Simanek. Deshalb werde in Leitlinien eine Thromboseprophylaxe im stationären Setting empfohlen; allerdings sei dabei die Palliativsituation nicht dezidiert abgebildet. Der Experte riet zu einer pragmatischen und individuellen Entscheidung. Die Erfahrung zeige, dass Thrombosen auf der Palliativstation zwar eine hohe Prävalenz, aber nur eine geringe Inzidenz haben. Eine Prophylaxe komme daher möglicherweise „zu spät“. Dr. Simoneks Fazit: „In der End-of-Life-Phase hat die Thromboseprophylaxe offensichtlich keinen Benefit.“

Quälendem Schluckauf entgegenwirken

Abschließend erinnerte Norbert Schürmann, St. Josef Krankenhaus Moers, an ein Symptom, das vor allem Erkrankte mit Tumoren im oberen Gastrointestinaltrakt in der palliativen Situation sehr quälen kann: der maligne Singultus, der 6–8 % der Palliativpatient:innen betrifft.2 Dieser Schluckauf – für Gesunde eine Bagatellbeschwerde – werde bei fortgeschrittenen GI-Tumoren häufig durch eine Reizung des Zwerchfellnervs (N. phrenicus) und/oder Irritationen des N. Vagus (oft zusammen mit einer Magendehnung) bedingt. Im Falle eines chronischen Auftretens sei dies kräftezehrend, sagte Schürmann. Oft könnten Betroffene nicht richtig essen und trinken; einer Tumorkachexie würde weiterer Vorschub geleistet. Ängste, Schlafstörungen und Erschöpfung minderten die Lebensqualität zusätzlich.

„Eine kausale Therapie des Singultus ist bei fortgeschrittener Tumorprogression meist nicht möglich“, so Schürmann. Bewährt habe sich aber eine medikamentöse Kombination aus Neuroleptika, Baclofen und/oder Gabapentin, wobei mit niedriger Dosierung begonnen und langsam aufdosiert werden sollte. Gute Erfahrungen hat Schürmann auch mit Akupunktur gemacht (Punkte PE6 [Nei Guan], Ma36 [Zusanli) und DU9 [Zhiyang]). Als Ultima Ratio bei Ausschöpfung aller konservativen Therapien ständen die operative partielle Resektion des N. phrenicus oder auch eine palliative Sedierung zur Verfügung.

* Erythropoese stimulierende Agenzien

Quelle:
1. Simanek R. Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2024; Vortrag „Hämatologische Aspekte in der Palliativ Care – Von der Anämie bis zur Thrombose“
2. Schürmann N. Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2024; Vortrag „Singultus in der Palliation“

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