
Delir: Palliativversorgung auf schmalem Grat

Ein Delir betrifft mitunter mehr als acht von zehn Palliativpatienten. Die Inzidenz ist in diesem Versorgungsbereich also sehr hoch und nimmt mit dem nahenden Lebensende zu. Beim Delir handelt es sich nicht um eine eigenständige Erkrankung, schreiben Privatdozent Dr. Jan Gärtner vom Palliativzentrum Hildegard in Basel und seine Kollegen. Vielmehr liegt eine Kombination von Symptomen vor, die sich nicht immer einer eindeutigen organischen Ursache zuordnen lassen. Unabhängig von der Ursache kommt es im Rahmen eines Delirs oft zu
- Aufmerksamkeitsstörungen,
- kognitiven Einschränkungen,
- Veränderungen der Psychomotorik (hypoaktiv vs. hyperaktiv vs. Mischformen),
- Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus sowie n affektiven Veränderungen.
Typischerweise verändert sich die Ausprägung der Symptome im Lauf des Tages. Und im Gegensatz zu demenziellen Syndromen beginnt das Delir meist recht akut.
Diagnostizieren und überwachen
Angehörige jederzeit miteinbeziehen
Viele Risikofaktoren können ein Delir auslösen oder verstärken und gerade in der Palliativmedizin kommen oft mehrere zusammen, erläutern die Experten. Dazu gehören u.a. eine ungewohnte Umgebung in der Klinik oder im Hospiz, Stress durch Schmerzen oder Atemnot, Entzug (Nikotin, Alkohol), Elektrolytstörungen (Hyponatriämie, Hyperkalzämie) und Fremdkörper (venöse Zugänge, Blasenkatheter). Nicht zuletzt ergänzen Medikamente wie Benzodiazepine, Opioide, Neuroleptika, NSAR und Kortikosteroide diese Liste. Wer mögliche auslösende Faktoren kennt, kann präventiv oder therapeutisch eingreifen. Nicht-medikamentöse Maßnahmen sind gegenüber pharmakologischen zu bevorzugen. Zum Beispiel bleibt der Patient optimalerweise zu Hause in seiner gewohnten Umgebung und wird nicht hospitalisiert. In der Realität lässt sich das aber oft schwer umsetzen. Dann können Familienfotos oder Einrichtungsgegenstände von zu Hause helfen, die Orientierung zu verbessern. Ebenso kann die Gegenwart vertrauter Personen die palliativ Kranken beruhigen. Angehörige sollten ohnehin jederzeit miteinbezogen werden, fordern Dr. Gärtner und Kollegen. Insgesamt bewegt sich der behandelnde Arzt in dieser Situation auf einem schmalen Grat zwischen Nutzen und Schaden für seinen Patienten. Schmerzen beispielsweise müssen ausreichend behandelt werden, wobei die Medikamente ihrerseits ein Delir auslösen können. Auf „Schläuche“ wie Katheter sollte man weitestgehend verzichten. Jedoch könnte dann ein Harnverhalt eintreten, der die deliranten Symptome möglicherweise verschlechtert. Fixierung und Bettgitter gilt es, zu vermeiden. Fühlt sich ein Patient in seiner Beweglichkeit künstlich eingeschränkt, nimmt die motorische Unruhe eher zu. Niederflurbetten eignen sich bei agitierten Patienten, Stürze zu vermeiden bzw. deren Folgen zu begrenzen.Bloß keine medikamentöse Delir-Prophylaxe!
Medikamente, um das Delir als solches zu behandeln, gibt es nicht, betonen die Autoren. Deren Einsatz sollte in der Palliativmedizin als letzte Möglichkeit gelten. Vor allem wenn die Betroffenen nicht unter ihren Symptomen zu leiden scheinen und insbesondere in der Sterbephase ist Zurückhaltung gefragt. Von einer medikamentösen „Delir-Prophylaxe“ raten die Kollegen vehement ab! Bei ausgeprägter Hyperaktivität und schweren psychotischen Symptomen – und nur dann – können Neuroleptika zum Einsatz kommen. Häufigere Haloperidol-Gaben in niedrigeren Dosen, z.B. 4 x täglich 0,5 mg, reduzieren das Risiko extrapyramidaler Nebenwirkungen. Ähnliche Zurückhaltung gilt für Benzodiazepine. Wirkt der Betroffene nach der Gabe sediert, heißt das nicht, dass keine hypoaktive Delirform besteht, die ihn subjektiv ebenso belastet.Quelle: Gärtner J et al. Ther Umschau 2018; 75: 91–100
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).