„Gegen HIV braucht man ein komplettes Athletenteam“

Dr. Anna-Lena Krause

Die Daten zeigen, dass sich die Effizienz der Impfungen steigern lässt, wenn man statt Protein mRNA injiziert. Die Daten zeigen, dass sich die Effizienz der Impfungen steigern lässt, wenn man statt Protein mRNA injiziert. © Artur – stock.adobe.com

Auf der Suche nach einem Impfstoff gegen HIV kam man bislang nur langsam voran. Doch die Phase der mühevollen Forschung scheint vorbei zu sein.

„Die HIV-Epidemie ist ein Feuer, das jederzeit außer Kontrolle geraten kann“, mahnte Dr. Devin Sok von der Global Health Investment Cooperation in New York. Vom Ziel, das HI-Virus zu eliminieren, sei man noch weit entfernt. „Bislang war keine klinische Studie erfolgreich. Dennoch gibt es gute Gründe, optimistisch zu sein“, so der Immunologe.

In diversen Laboren wird daran gearbeitet, mit Impfstoffen breit neutralisierende Antikörper (bnAb) zu erzeugen. Eine der verfolgten Strategien nennt sich germline targeting concept. Anschaulich erklärte Dr. Sok das Konzept anhand eines Vergleichs aus der Welt des Sports: Naive B-Zellen produzieren Antikörper mit geringer Affinität. Die Lymphozyten werden trainiert wie Athleten. Doch nur einzelne schaffen es, an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Eine ausgereifte Zelle, die Antikörper mit hoher Affinität für das Virus produziert und somit dessen Bindung an die Zielzellen hemmt, sei sozusagen die Simone Biles (Anm. d. Red.: US-amerikanische Spitzenturnerin) unter den B-Lymphozyten.

Als Talentscout und Trainingspartner der Immunzellen fungieren Immunogene. Im Kampf gegen HIV stammen diese idealerweise vom trimeren Oberflächenprotein gp120, mit dem das Virus an seine Zielzellen bindet. Das Besondere an diesem Glykoprotein: Es verändert sich nicht, da mit einer Mutation auch die Infektionsfähigkeit des Virus verloren wäre.

Eine Region von gp120, die sich zur Impfung nutzen lässt, ist die CD4-Bindestelle. Derzeit gibt es drei Impfstoffkandidaten, die die Produktion von bnAb gegen diesen Bereich auslösen sollen. Forschende nutzen entweder Fragmente von gp120, die an Nanopartikel gebunden sind, oder sie arbeiten mit einer modifizierten Version des gesamten Proteins. In klinischen Studien, deren Ergebnisse noch nicht publiziert worden sind, erweisen sich alle drei Vakzine als gute Immunzelltrainer: Für die CD4-Bindestelle werden spezifische Antikörper gebildet, die HI-Viren neutralisieren, verriet Dr. Sok.

Die Daten zeigen außerdem, dass sich die Effizienz der Impfungen steigern lässt, wenn man statt Protein mRNA injiziert. Am besten vakziniert man wiederholt mit aufsteigenden Konzentrationen und nicht mit einer höheren Einzeldosis.

„Um gegen HIV zu gewinnen, braucht man ein ganzes Athletenteam“, erklärte der Wissenschaftler weiter. Es sollte also mehr als nur eine Antikörperbinderegion addressiert werden. In der Entwicklung von Impfstoffen gegen weitere Epitope wie das V3*-Glykan und MPER** gibt es erste Fortschritte. Außerdem wird an T-Zell-Vakzinen gearbeitet, um eine effektive Impfreaktion zu erhalten. Zahlreiche klinische Studien sind geplant oder laufen bereits. „Wir haben jetzt ein Konzept, die notwendigen Werkzeuge und die Infrastruktur in der Hand, zügig eine effiziente HIV-Vakzine zu entwickeln“, fasste Dr. Sok den Stand der Forschung zusammen.

Und was erwartet uns in den nächsten Jahren? KI-gestütztes Design von Immunogenen und die mRNA-Technologien werden bei der Entwicklung der HIV-Impfstoffe helfen, gab der Referent einen Ausblick. Vor allem aber müsse man dafür sorgen, dass die Medikamente bezahlbar und weltweit verfügbar sind. Denn: „Vakzinen beenden keine Epidemie, Vakzinierungen tun es.“

* variable Schleife 3 des gp120-Proteins
** membrane-proximal external region

Quelle: AIDS 2024

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Die Daten zeigen, dass sich die Effizienz der Impfungen steigern lässt, wenn man statt Protein mRNA injiziert. Die Daten zeigen, dass sich die Effizienz der Impfungen steigern lässt, wenn man statt Protein mRNA injiziert. © Artur – stock.adobe.com