Ab September ist die HIV-Präexpositionsprophylaxe Kassenleistung
Die neue Anlage 33 zum Bundesmantelvertrag Ärzte sieht vor, dass gesunde Versicherte ab dem 16. Lebensjahr mit einem substanziellen HIV-Infektionsrisiko Anspruch auf eine HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) nach § 20j SGB V haben. In Betracht kommen folgende Gruppen:
- Männer, die Geschlechtsverkehr mit Männern haben, oder Transgender- Personen, die angeben, innerhalb der letzten drei bis sechs Monate analen Geschlechtsverkehr ohne Kondom gehabt zu haben und/oder diesen voraussichtlich in den nächsten Monaten haben werden bzw. nach einer sexuell übertragbaren Infektion in den letzten zwölf Monaten,
- serodiskordante Konstellationen mit einer virämisch HIV-positiven Person ohne antiretrovirale Therapie (ART), einer nicht suppressiven ART oder in der Anfangsphase einer ART (HIV-RNA, die nicht schon sechs Monate unter 200 RNA-Kopien/ml liegt),
- nach individueller und situativer Risikoüberprüfung drogeninjizierende Personen, die keine sterile Injektionsmaterialien benutzen,
- nach individueller und situativer Risikoüberprüfung Menschen mit Geschlechtsverkehr ohne Kondom mit einer Person, bei der eine undiagnostizierte HIVInfektion wahrscheinlich ist, z.B. Partnern aus Hochprävalenzländern oder mit risikoreichen Sexualpraktiken.
Diese Versicherten haben nach ärztlicher Beratung unter besonderer Berücksichtigung von Safer-Sex- Praktiken Anrecht auf Untersuchungen, die vor und während der Anwendung der zur PrEP zugelassenen Arzneimittel erforderlich sind, sowie auf die Verordnung verschreibungspflichtiger PrEP-Arzneimittel. Ggf. kann eine Untersuchung auf Lues, Gonorrhö und/oder Chlamydien als Begleitdiagnostik durchgeführt werden.
Grundsätzlich dürfen alle Vertragsärzte eine PrEP vornehmen, die eine Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zur spezialisierten Versorgung von Patienten mit HIV-Infektion/Aids- Erkrankung haben. Solche HIV-Schwerpunktpraxen müssen keinen weiteren Nachweis zur fachlichen Befähigung erbringen.
Daneben können Ärzte folgender Fachgruppen eine Genehmigung ihrer KV erhalten: Allgemeinmediziner, Internisten, Kinder- und Jugendmediziner, Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Urologen sowie Fachärzte für Hautund Geschlechtskrankheiten.
Sie müssen mindestens 16 Stunden lang in einer ambulanten oder stationären Einrichtung für HIV-/ Aids-Patienten hospitiert haben und dabei – oder im Rahmen der bisherigen Berufstätigkeit – fachliche Kompetenz bei der Behandlung von mindestens 15 Menschen mit HIV/ Aids und/oder PrEP erworben haben. Es müssen ferner theoretische Kenntnisse zu HIV/Aids und sexuell übertragbaren Infektionen vorliegen, was mit acht Fortbildungspunkten nachzuweisen ist, die innerhalb eines Jahres vor Antragstellung gesammelt wurden; Hospitationen werden hierbei nicht angerechnet.
Ab Erteilen der Genehmigung müssen diese Ärzte die selbstständige Betreuung von jährlich durchschnittlich zehn Menschen mit PrEP belegen. Bei regionalen Versorgungsdefiziten kann im Einzelfall die Mindestzahl auf bis zu sechs Personen reduziert werden. Hinzu kommt der jährliche Erwerb von acht Fortbildungspunkten im Bereich HIV/Aids und PrEP, wovon die Hälfte mit präsenzpflichtigen Fortbildungen zu erlangen ist. Die Nachweise zur Aufrechterhaltung der fachlichen Befähigung müssen der KV vorgelegt werden.
Eine derartige Versorgung stellt eine Praxisbesonderheit dar, vergleichbar der Substitutionsbehandlung bei Drogenabhängigen oder der Behandlung mit Cannabispräparaten. Die ärztlichen Leistungen werden gesondert und extrabudgetär vergütet. Sie sind im EBM unter den GOP 01920 bis 01932 gelistet.
Da davon auszugehen ist, dass Wünsche nach einer solchen Prophylaxe auch an Hausärzte herangetragen werden, ist die klare Benennung der Berechtigten in der Vereinbarung von KBV und Kassen zu begrüßen. Wünschenswert wäre es, wenn es möglichst schnell eine öffentliche Liste von den medizinischen Einrichtungen gäbe, die berechtigt sind, die Behandlung durchzuführen. Die KVen sind hier gefordert, schnell zu reagieren, um insbesondere die hausärztlichen Praxen bei Anfragen zu entlasten.