Gelähmt nach Zeckenstich

Dr. Sonja Kempinski

Durch einen Zeckenstich kann man durch seltene Komplikationen gelähmt werden. Durch einen Zeckenstich kann man durch seltene Komplikationen gelähmt werden. © iStock/Smileus

Eine Kombination aus neurologischen Ausfällen und multiplen zerebralen Ischämien zeigt, welche große Wirkung ein kleiner Stich haben kann.

Zunächst waren es sich verstärkende horizontale Doppelbilder, die einen 76-Jährigen in die Notfallambulanz trieben. Dort diagnostizierte man eine Abduzensparese und führte eine ambulante MRT durch. Diese fiel unauffällig aus, berichten Dr. Rebecca Gygli und Kollegen vom Bürgerspital Solothurn. 20 Tage später gesellten sich zu den Doppelbildern Sprachstörungen, Kopfschmerzen sowie eine Gang- und Standataxie. Dies und eine psychomotorische Verlangsamung mit Orientierungsstörungen führten den Mann erneut in die Klinik, wo er stationär aufgenommen wurde.

Bei der ausführlichen Anamnese berichtete der Patient, dass er etwa zwei Monate vor Beginn seiner Beschwerden von einer Zecke gestochen worden war. An ein Erythema migrans erinnerte er sich nicht. Vorerkrankungen lagen außer einer unbehandelten Hypertonie nicht vor, allerdings hatte er bis 1985 geraucht.

Richtungsweisende Befunde fanden sich im Liquor

Die klinische Untersuchung zeigte einen psychomotorisch verlangsamten Patienten mit Abduzensparese rechts und Hemiataxie links. Im Gespräch fielen intermittierende, mehrere Minuten anhaltende Wortfindungsstörungen auf. Während das Routinelabor immer noch unauffällig war, ergab die erneut durchgeführte MRT einen Befund. Die kleine frische Ischämie hochfrontal paramedian links konnte die festgestellte Klinik jedoch nicht erklären. Aussagekräftiger war der Liquor: Neben einer mononukleären Pleozytose mit erhöhtem Gesamtprotein, erhöhtem Laktat und normaler Glukose waren die intrathekalen Immunglobuline erhöht.

Damit lag nun ein Verdacht auf Neuroborreliose vor. Allerdings wurde die Diagnostik durch eine weitere Dramatik erschwert: Zwei Tage nach stationärer Aufnahme erlitt der Mann zwei ischämische Ereignisse, die sich in einem brachiofazialen sensomotorischen Hemisyndrom links, einer schweren Dysarthrie und einer leichten Dysphagie äußerten. Im Kernspin war der Schaden zu erkennen: Pontin rechts eine frische großflächige, in der Insula links eine punktförmige Ischämie. Die intrakranielle Magnetresonanzangiographie war dagegen unauffällig.

Schließlich gelang sowohl im Serum als auch im Liquor der Nachweis spezifischer Antikörper gegen Borrelia burgdorferi, was den Verdacht auf Neuroborreliose bestätigte. Und auch die Schlaganfälle gingen auf das Konto der Spirochäten. Weil der Patient keine relevante Makro- oder Mikroangiopathie aufwies und auch eine kardiale Emboliequelle als unwahrscheinlich galt, interpretierten die Schweizer Kollegen die mehrzeitigen zerebralen Ischämien als eine mit akuter Neuroborreliose assoziierte Vaskulitis.
Diese gilt als ungewöhnliche Komplikation der Infektion, die aufgrund ihrer Seltenheit oft erst verzögert erkannt wird. Vor allem multiple ischämische Ereignisse in unterschiedlichen Stromgebieten sprechen für eine Vaskulitis – insbesondere, wenn es keine Hinweise auf eine kardiovaskuläre Ursache gibt.

Der Patient bekam drei Wochen lang intravenös Ceftriaxon, die Vaskulitis wurde mit Methylprednisolon therapiert (erst hoch dosiert, dann ausschleichend). Unter gleichzeitiger ergo-, physio- und logopädischer Betreuung machte er gute Fortschritte und konnte in die Reha entlassen werden. Nach deren Abschluss blieben eine leichte bis mittelschwere armbetonte Hemiparese links und eine Hemiataxie rechts zurück.

Quelle: Gygli R et al. Swiss Med Forum 2022; DOI: 10.4414/SMF.2021.10059

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