Genanalyse auch in sporadischen Krankheitsfällen?

Neuro-Update 2024 Birgit Maronde

Etwa 10–20 % der ALS-Patienten haben eine positive Familienanamnese, bei etwa jedem Achten gibt es eine identifizierbare genetische Ursache seiner Erkrankung. Etwa 10–20 % der ALS-Patienten haben eine positive Familienanamnese, bei etwa jedem Achten gibt es eine identifizierbare genetische Ursache seiner Erkrankung. © Sheila - stock.adobe.com

Mehr als 40 ALS-Risikogene sind bereits bekannt. Ein Genanalyse lohnt sich auch in sporadischen Fällen, vor allem in jungen Patienten. Denn bei SOD1-Mutation lässt sich die Krankheitsprogression mittlerweile verzögern.

Für die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) sind mittlerweile mehr als 40 Gene identifiziert, die das Syndrom verursachen bzw. als Risikofaktor dazu beitragen können. „Aus der klinisch definierten ALS wurde eine sehr heterogene Gruppe von Erkrankungen“, sagte Prof. Dr. Thomas Gasser vom Universitätsklinikum Tübingen. Bei vielen der genetisch mitbedingten ALS-Varianten bestehen Überlappungen zu anderen neurodegenerativen Erkrankungen – vor allem zur frontotemporalen Demenz, aber auch zu Ataxien, spastischer Spinalparese und hereditärer spastischer Spinalparalyse.

Etwa 10–20 % der ALS-Patienten haben eine positive Familienanamnese, bei etwa jedem Achten gibt es eine identifizierbare genetische Ursache seiner Erkrankung. In den meisten Fällen liegt eine Repeat-Expansion im C9orf72-Gen vor. Diese ist allerdings auch bei den sporadischen ALS-Erkrankungen nicht so selten. Nach Auffassung von Prof. Gasser kann es sich daher lohnen, vor allem jüngere Patienten mit sporadischer ALS genetisch zu untersuchen. Immerhin gibt es klinische Studien zu verschiedenen gentherapeutischen Ansätzen.

Charakteristika der SOD1-ALS

  • vorwiegend spinale, selten bulbäre Symptome
  • variabler Erkrankungsbeginn, häufig vor dem 50. Lebensjahr
  • langsame Progression
  • 80 % familiäre, 20 % sporadische Fälle
  • nur selten kognitive Defizite
  • gelegentlich nicht-motorische Symptome wie Sensibilitätsstörungen, Blasenstörungen, Ataxie

Bei rund 10 % der familiären ALS-Fälle liegt eine SOD1-Mutation vor. Tofersen ist ein Antisense-Oligonukleotid, das bei Patienten mit dieser Mutation die SOD1-Genexpression herabreguliert. Wiederholte lumbale intrathekale Injektionen konnten in Phase-1/2-Studien die Liquorkonzentration des SOD1-Proteins um 33 % reduzieren. In der folgenden Phase-3-Studie behandelte man 72 Patienten über 28 Wochen mit dem Medikament, 36 mit Placebo. Am Ende konnte kein statistisch signifikanter Effekt auf den über die ALS-Funktionsskala (ALSFRS‑R) erfassten Krankheitsverlauf nachgewiesen werden. Die Differenz zwischen Verum- und Placebogruppe betrug nur 1,2 Punkte. Die Reduktion der Liquorspiegel von SOD1 und der Plasmaspiegel von NfL fiel jedoch deutlich aus.

In der offenen Extensionsphase der Studie wurden 63 Patienten mit dem Verum weiterbehandelt und 32 ehemalige Placebopatienten neu darauf eingestellt. Bis zu Woche 52 verstärkte sich in der Gruppe mit frühem Therapiestart die Tendenz zu einer geringeren Krankheitsprogression, berichtete Prof. Gasser. Im Vergleich zur Gruppe mit späterem Behandlungsbeginn wurde die Differenz im ALSFRS-R größer (3,5 Punkte) und auch statistisch signifikant. Die pathogenetisch relevanten Biomarker blieben in der ehemaligen Verumgruppe auf dem niedrigeren Niveau und fielen bei den ehemaligen Placebopatienten ab Therpiebeginn ab.

Tofersen wurde im letzten Jahr von der FDA für die SOD1-assoziierte ALS zugelassen. In Europa wird die Zulassung erwartet, da das CHMP* im Februar ein positives Votum dafür abgegeben hat. In Deutschland kann man betroffene Patienten schon seit 2022 im Rahmen eines Härtefallprogramms behandeln.  

* Committee for Medicinal Products for Human Use

Quelle: 16. Neurologie-Update-Seminar
 

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Etwa 10–20 % der ALS-Patienten haben eine positive Familienanamnese, bei etwa jedem Achten gibt es eine identifizierbare genetische Ursache seiner Erkrankung. Etwa 10–20 % der ALS-Patienten haben eine positive Familienanamnese, bei etwa jedem Achten gibt es eine identifizierbare genetische Ursache seiner Erkrankung. © Sheila - stock.adobe.com