Gentherapie schlägt an

Dr. Miriam Sonnet

Als primären Endpunkt definierten die Autoren eine Transfusionsunabhängigkeit. Als primären Endpunkt definierten die Autoren eine Transfusionsunabhängigkeit. © iStock/Gam1983

Große Erwartungen lasten auf der Gentherapie zur Behandlung der Beta-Thalassämie. Zumindest in einer aktuellen Zwischenanalyse der Phase-3-Studie Northstar-2 scheinen sich diese zu erfüllen. Dabei bewirkte meist bereits eine einmalige Infusion mit Betibeglogene Autotemcel eine Transfusionsunabhängigkeit.

Für Patienten mit Beta-Thalass­ämie gilt die allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation als eine potenziell kurative Therapieoption. Junge Personen unter 14 Jahre mit einem HLA-identischen Donor haben dabei die bes­ten Chancen. Doch genau hier liegt auch das Problem: Die Methode wird limitiert durch eine unzureichende Anzahl passender Spender; außerdem besteht das Risiko eines transplantationsbedingten Tods, eines Transplantationsversagens sowie einer Graft-versus-Host-­Erkrankung.

Funktionelle Kopien von Beta-Globin eingeschleust

Zurzeit erforschen Wissenschaftler die Gentherapie mit Betibeglogene Autotemcel (Beti-cel). Dabei werden funktionelle Kopien eines modifizierten Beta-Globin-Gens in hämatopoetische Stammzellen eingefügt.

Kollegen um Prof. Dr. ­Franco ­Locatelli vom IRCCS Ospedale Pediatrico Bambino Gesù in Rom veröffentlichten jetzt neue Daten einer Zwischenanalyse der offenen Phase-3-Studie Northstar-2, in der die Gentherapie geprüft wurde. Die Forschenden verwendeten dabei ein adaptiertes Protokoll, das die Effektivität der Behandlung steigern sollte. Die 23 transfusionsabhängigen Teilnehmenden, die ein breites Spektrum von Nicht-ß0/ß0-Phänotypen aufwiesen, wurden in zwei Kohorten eingeteilt: Die erste umfasste 15 Patienten zwischen 12 und 50 Jahren, die zweite acht Kinder unter 12 Jahren.

Als primären Endpunkt definierten die Autoren eine Transfusionsunabhängigkeit. Diese wurde bei 20 der 22 auswertbaren Personen (91 %) erreicht – darunter sechs der sieben Kinder (86 %) unter 12 Jahren. Die zwei Betroffenen, die nicht transfusionsunabhängig wurden, wiesen eine geringere Anzahl an zirkulierenden Vektorkopien auf.

Der mittlere Hämoglobinwert während der Transfusionsunabhängigkeit betrug 11,7 g/dl. Zwölf Monate nach der Beti-cel-Infusion bezifferten die Forschenden das mediane durch die Gentherapie eingebrachte adulte Hämoglobin mit T87Q-Aminosäuresubstitution (HbAT87Q) in diesen Patienten auf 8,7 g/dl. Weiterhin verbesserte sich die Erythropoese und die Eisenkonzentration in der Leber sank mit der Zeit bei transfusionsunabhängigen Teilnehmenden, schreiben die Studienautoren.

Alle Erkrankten wiesen mindes­tens eine Nebenwirkung während oder nach der Infusion auf. Das Sicherheitsprofil nach der Behandlung unterschied sich nicht von dem einer busulfanbasierten Myoablation. Vier Personen erlitten mindestens eine Nebenwirkung, die die Wissenschaftler Beti-cel zuordneten. Bei einem Patienten trat eine schwere Thrombozytopenie auf. Alle anderen Nebenwirkungen erachteten die Autoren als nicht schwerwiegend. Keiner der Betroffenen entwickelte Krebs.

Effektiver dank eines adaptierten Protokolls

In zwei Phase-1/2-Studien konnte mit Beti-cel bei 11 von 14 Erkrankten eine Transfusionsunabhängigkeit erreicht werden. Allerdings bestand eine Assoziation zwischen der Anzahl der Vektorkopien bzw. dem Anteil an lentiviralen vektorpositiven Zellen in Beti-cel und den Hämoglobinwerten; Letztere lagen nach der Behandlung oft unter dem Normbereich. Daher passten Forschende den Transduktionsprozess an, um die Vektorkopien und folglich das dank der Gentherapie produzierte adulte Hämoglobin mit T87Q-Aminosäure-Substitution zu erhöhen.

Verbesserte Transduktion bringt höhere T87Q-Werte

Die Gentherapie mit Betibeglogene Autotemcel führte zu nachhaltigen HbAT87Q-Werten, resümieren die Forschenden. Der Gesamt-Hämoglobinwert sei ausreichend, um bei den meisten Erkrankten eine Transfusionsunabhängigkeit zu ermöglichen. Die Verbesserung der Transduktion resultierte außerdem in höheren HbAT87Q-Konzentrationen als in vorangegangenen Studien der Phase 1/2.

Quelle: Locatelli F et al. N Engl J Med 2022; 386: 415-427; DOI: 10.1056/NEJMoa2113206

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Als primären Endpunkt definierten die Autoren eine Transfusionsunabhängigkeit. Als primären Endpunkt definierten die Autoren eine Transfusionsunabhängigkeit. © iStock/Gam1983