Beta-Thalassämie: Komplikationen durch therapiebedingte Eisenüberladung vermeiden

Dr. Dorothea Ranft

Die Knochenmarks­hyperplasie (hier im Schädel und Femur) führt zu Schmerzen und Deformitäten. Die Knochenmarks­hyperplasie (hier im Schädel und Femur) führt zu Schmerzen und Deformitäten. © Science Photo Library/Biophoto Associates

Neben Transfusionen erhalten Patienten mit einer Beta-Thalassaemia major auch Chelatbildner, um einer Eisenüberladung entgegenzuwirken. Eine Akkumulation des Spurenelements­ im Körper ist aber nicht nur bei regelmäßigen Blutkonserven ein Problem, weshalb man u.a. das Serumferritin im Blick behalten sollte.

Die Beta-Thalassämie ist eine autosomal-rezessiv vererbte Synthesestörung der Betaketten des Hämoglobins. Bisher sind mehr als 350 Mutationen beschrieben, die die Erkrankung auslösen können. Die Genveränderung verleiht Merkmalsträgern einen gewissen Schutz vor Malaria, weshalb sie vermehrt in Endemiegebieten von Subsahara-Afrika über den Mittelmeerraum und den Nahen Osten bis nach Südostasien zu finden ist, schreiben Dr. ­Ali ­Taher von der Amerikanischen Universität Beirut und Kollegen.

Therapiebedarf teilt Patienten in zwei Gruppen

Heterozygote Patienten haben üblicherweise allenfalls eine grenzwertig symptomatische Anämie mit Mikrozytose und Hypochromie. Homozygote Merkmalsträger hingegen entwickeln eine ­Thalassaemia ­major oder eine ­Thalassaemia ­intermedia. Die Major­form führt bereits in den ersten Lebensmonaten zur schweren Anämie und Symptomen wie Ikterus und Wachstumsretardierung. Intermediäre Verläufe manifestieren sich später, wobei Blutbildveränderungen und Beschwerden lediglich leicht bis mittelschwer ausgeprägt sind.

Anhand des Therapiebedarfs werden zwei Gruppen unterschieden: Transfusionsabhängige Patienten benötigen zum Überleben regelmäßig Blutkonserven. Nicht-transfusionsabhängige Personen brauchen diese – wenn überhaupt – nur vorübergehend, etwa bei akuten Infektionen, Operationen oder während einer Schwangerschaft.

Schon die Blutbildungsstörung allein kann zahlreiche Komplikationen auslösen.

Ulzera, Thrombosen und Infarkte

Bei schwerer Beta-Thalassämie führen die ineffektive Erythropoese und Hämolyse zu einer chronischen Anämie. Die reaktive Expansion des Knochenmarks macht sich mit Schmerzen und Deformitäten (z.B. kraniofaziale Protrusionen, Pseudotumoren) bemerkbar, die extramedulläre Blutbildung kann eine Hepatosplenomegalie auslösen. Als Folge des verstärkten peripheren Erythrozytenzerfalls drohen Beinulzera. Außerdem kommt es zu vermehrter Gerinnungsneigung mit Thrombosen, pulmonaler Hypertonie und zerebrovaskulären Ereignissen einschließlich stummer Hirninfarkte.

Eines der größten Probleme aber ist die therapiebedingte Eisenüberladung. Bei Menschen, die auf eine regelmäßige Blutzufuhr angewiesen sind, akkumuliert das Spurenelement vor allem in Leber, Herz und endokrinen Organen. Auch nicht-transfusionsabhängige Patienten können aufgrund der ineffektiven Erythropoese zu viel Eisen ansammeln. Mit der Einführung oraler Chelatoren, die die Ausscheidung des Metalls fördern, ist das Risiko von Todesfällen aufgrund einer kardialen Siderose deutlich gesunken. Betroffene mit dauerhaftem Transfusionsbedarf sollten möglichst einen Hämoglobinspiegel von ­9–10,5 g/dl erreichen, im Fall einer bestehenden Herzerkrankung ­11–12 g/dl. Um eine vermehrte Eisenspeicherung rechtzeitig zu erkennen, werden regelmäßige Kontrollen des Serumferritins empfohlen. Sinnvoll ist zudem die Quantifizierung der hepatischen und kardialen Belastung mithilfe der Magnetresonanztomographie. Das Lebereisen ist repräsentativ für den gesamten Körper. Ab einem Serumferritinspiegel von 1000 ng/ml oder nach den ers­ten zehn Blutkonserven sollte eine Chelationstherapie begonnen werden. Dafür stehen den Autoren zufolge drei Eisenkomplexbildner zur Verfügung: Deferoxamin (subkutan), Deferipron und Deferasirox (beide oral). Alle drei reduzieren die systemische, hepatische und kardiale Eisenüberladung und können allein oder kombiniert gegeben werden. Auch nicht-transfusionsabhängige Erkrankte sollten ab einem Alter von zehn Jahren regelmäßig auf eine Eisenakkumulation kontrolliert werden. Denn etwaige Organschäden manifestieren sich oft schon in der Kindheit. Bei einem Ferritin ≥ 800 ng/ml oder einem Wert für das Lebereisen ≥ 5 mg/g wird die Behandlung mit Komplexbildnern empfohlen. Das Ziel ist ein Ferritinspiegel ≤ 300 ng/ml bzw. eine hepatische Belastung ≤ 3 mg/g. Zur Therapie einer transfusionsabhängigen Beta-Thalassämie beim Erwachsenen steht als neue Option die Injektionstherapie mit Luspatercept zur Verfügung. Das rekombinante Fusionsprotein muss etwa alle drei Wochen subkutan verabreicht werden. Es aktiviert die Erythrozytenreifung über eine Differenzierung erythroider Vorläuferzellen im Knochenmark, was den Transfusionsbedarf deutlich verringert.

Stammzelltransplantation mit hohen Erfolgsraten

Kindern, die auf regelmäßige Blut­übertragungen angewiesen sind, kann eine Stammzelltransplantation ein krankheitsfreies Überleben ermöglichen. Bei günstigem Risikoprofil und genetisch passendem Geschwisterkind sind Erfolgsraten über 90 % möglich. Transfusionsabhängige Patienten, die sich für eine Stammzelltransplantation eignen, aber keinen HLA-kompatiblen verwandten Spender haben, profitieren eventuell von einer Gentherapie. Dabei werden Kopien eines modifizierten Gens für das Beta-Globin in hämatopoetische Stammzellen des Kranken eingebracht. Diese siedeln sich im Knochenmark an und differenzieren aus. So entstehen Erythrozyten, die ein verändertes, aber biologisch aktives Beta-Globin enthalten, wodurch sich der Transfusionsbedarf möglicherweise dauerhaft beseitigen lässt.

Quelle: Taher AL et al. N Engl J Med 2021; 384: 727-743; DOI: 10.1056/NEJMra2021838

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Die Knochenmarks­hyperplasie (hier im Schädel und Femur) führt zu Schmerzen und Deformitäten. Die Knochenmarks­hyperplasie (hier im Schädel und Femur) führt zu Schmerzen und Deformitäten. © Science Photo Library/Biophoto Associates