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Risiko-Nutzen-Profil spricht für den Einsatz bei zerebraler Adrenoleukodystrophie

Die Adrenoleukodystrophie ist eine monogene X-chromosomale Erkrankung, bei der sich aufgrund von Mutationen im ABCD1-Gen langkettige Fettsäuren in Gewebe und Plasma anreichern. Rund ein Drittel der betroffenen Jungen erleidet vor Erreichen des Erwachsenenalters eine zerebrale Beteiligung, die zur Zerstörung von weißer Substanz und dem Verlust kognitiver und neurologischer Funktionen und unbehandelt letztlich zum Tod führt.
Bei einer neuartigen Gentherapie namens Elivaldogen-Autotemcel (eli-cel) wird mithilfe eines lentiviralen Vektors das ABCD1-Gen in CD34+ hämatopoetischen Stammzellen der Patient:innen exprimiert. Die Therapie bewirkte eine relative neurologische Stabilität bei den Behandelten. In der Phase-2-Studie ALD-102 sind nach bis zu 8,9 Jahren Follow-up 26 von 32 Erkrankten frei von größeren funktionellen Defiziten. Sie werden, ebenso wie 35 weitere Teilnehmende aus der Phase-3-Studie ALD-104, in der Folgestudie LTF-304 nachbeobachtet, berichten Forschende um Prof. Dr. Christine N. Duncan, Dana-Farber Cancer Institute in Boston.
Risiko hämatologischer Neoplasien
Nach der Integration von lentiviralen Elementen ins Genom von Zellen wurden klonale Expansionsereignisse beobachtet, die mit abnormem Splicing assoziiert waren. In LTF-304 gab es tatsächlich sieben Fälle von hämatologischen Tumoren, denen die Autor:innen in einer klinisch-pathologischen und genetischen Studie nachgegangen sind.
Eine Person aus der ALD-102- sowie sechs aus der ALD-104-Studie erkrankten bisher an hämatologischen Neoplasien:
- In zwei Fällen traten nach 14 Monaten bzw. 26 Monaten ein myelodysplastisches Syndrom (MDS) mit unilinearer Dysplasie auf.
- Drei Teilnehmende entwickelten nach 28 Monaten, 42 Monaten und 92 Monaten ein MDS mit Blastenexzess.
- Eine Person erlitt nach 36 Monaten ein nicht näher charakterisiertes MDS.
- Ein Erkrankter entwickelte nach 57 Monaten eine akute myeloische Leukämie (AML).
Von den fünf Personen mit MDS und Blastenexzess bzw. unilinearer Dysplasie, die sich einer hämatopoetischen Stammzelltransplantation unterzogen, sind vier frei von MDS ebenso wie von Symptomen der Adrenoleukodystrophie. Ein Teilnehmender starb 20 Monate nach der Transplantation (49 Monate nach der Gentherapie) vermutlich an den Folgen einer Graft-versus-Host-Erkrankung. Der AML-Erkrankte lebt und zeigt nach Transplantation einen vollständigen Donor-Chimärismus, ein weiterer wartet noch auf die Transplantation.
Genetik der hämtologischen Erkrankungen
Bei sechs der Betroffenen mit MDS oder AML, für die entsprechende Daten zur Verfügung standen, war in den dominierenden Zellklonen eine Insertion des lentiviralen Vektors nachweisbar – in fünf Fällen am MECOM- und in einem Fall am PRDM16-Lokus. Einige Teilnehmende wiesen Zytopenien auf und bei den meisten war der Vektor im gleichen Klon noch in weitere Gene inseriert. Sechs der sieben Erkrankten wiesen auch somatische Mutationen auf (KRAS, NRAS, WT1, CDKN2A oder CDKN2B oder RUNXX1), einer hatte eine Monosomie 7.
Offensichtlich können sich in einer Subgruppe von Betroffenen nach der Behandlung mit eli-cel hämatologische Neoplasien entwickeln, resümieren die Forschenden. Die Fälle sind mit der klonalen Insertion des therapeutischen Vektors in Onkogene und einer klonalen Evolution mit Erwerb von somatischen genetischen Defekten assoziiert. Dieses Risiko, so die Autor:innen, muss abgewogen werden gegen die schweren Folgen der zerebralen Adrenoleukodystrophie sowie die Verfügbarkeit anderer Therapieformen und ihrer assoziierten Risiken. Damit ist vor allem eine allogene Stammzelltransplantation gemeint, die aber mangels geeigneter Spender:innen bei Weitem nicht für alle Betroffenen möglich ist und mit Komplikationen, vor allem schweren Graft-versus-Host-Erkrankungen, einhergehen kann. Für die Gentherapie spricht, dass immerhin 81 % der Erkrankten vier Jahre nach der Gentherapie frei von funktionellen Defiziten und hämatologischen Tumoren waren und bislang auch keine hämatopoetische Stammzelltransplantation in Anspruch nehmen mussten.
Quelle:
Duncan CN et al. N Engl J Med 2024; 391: 1287-1301; DOI: 10.1056/NEJMoa2405541
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