Mit respiratorischen Infektionen in der hämatologischen Praxis umgehen

DGHO 2023 Lara Sommer

Harm­lose Atemwegsinfekte können bei  immundefizienten Personen bedrohlich verlaufen. Harm­lose Atemwegsinfekte können bei immundefizienten Personen bedrohlich verlaufen. © Pormezz – stock.adobe.com

Immundefiziente Patient:innen stellen sich mit Symptomen eines Atemwegsinfekts vor – Alltag in der Hämatoonkologie. Was nun zu tun ist, ob Sie die laufende Therapie unterbrechen müssen und wie die Prognose aussieht.

Bei immundefizienten Personen können auch gewöhnlich harm­lose Atemwegsinfekte bedrohlich verlaufen. Prof. Dr. ­Marie von ­Lilienfeld-Toal, Ruhr-Universität Bochum, erläuterte das praktische Vorgehen am Beispiel eines 62-jährigen Myelompatienten, der unter Lenalidomid-Erhaltung in CR verweilt.1 Dieser stellt sich mit plötzlichem Fieber, leichtem Schnupfen, einem rauen Hals sowie allgemeinem Krankheitsgefühl in der Sprechstunde vor. 

Auf Anzeichen einer Pneumonie achten

Während der Untersuchung fallen ein leicht erhöhter Puls sowie eine Temperatur von 38,5 °C auf. Abgesehen davon ist der Allgemeinzustand des Erkrankten zufriedenstellend und er leidet nicht an Dyspnoe. Das Blutbild erschien mit Ausnahme einer moderat erhöhten CRP-Konzentration und niedrigem IgG (< 4g/l) unauffällig. 

Braucht es Labordiagnostik?

Die Expertin stellte anhand von Registerdaten klar, dass sie mit einer symptombasierten Verdachtsdiagnose sehr vorsichtig wäre: „Alle Symptome können prinzipiell bei allen Virusinfektionen auftreten.“ Teilweise unterscheidet sich allerdings die statistische Häufigkeit einzelner Beschwerden.

„Es gibt wenig, was gegen eine Multiplex-PCR spricht, die wirklich viele Viren diagnostizieren kann“, fasste Prof. von Lilienfeld-Toal zusammen und bezeichnete diese als Mittel der Wahl. Antigennachweise wie die SARS-CoV-2-Schnelltests beurteilte sie als sehr spezifisch, aber unzureichend sensitiv. Hinzu kommt: „Wir wissen, dass Menschen mit Krebserkrankungen oft eine etwas niedrigere Viruslast, also einen höheren Ct-Wert haben.“

Im Fallbeispiel veranlasste die Ärztin eine Multiplex-PCR aus Rachenspülwasser. Der Erkrankte erhielt intravenöse Immunglobuline sowie drei Rezepte (Oseltamivir, Ribavirin, Paxlovid). Bei Verdacht auf eine Pneumonie könnten die Behandelnden zusätzlich eine CT erwägen. Sobald die Labor­ergebnisse eintrafen, setzte sie sich telefonisch mit dem Patienten in Verbindung und teilte ihm mit, welches Rezept er einlösen sollte. Grundsätzlich erfolgt eine Wiedervorstellung nach 3-5 Tagen, bei Bedarf auch früher.

Wie therapieren?

Die allgemeinen Hygienemaßnahmen wie Abstand, Händewaschen und Masken gelten für alle respiratorischen Viren. Ärzt:innen könnten grundsätzlich über die Gabe von Immunglobulinen nachdenken. Prof. von ­Lilienfeld-Toal warnte hingegen vor einer anderen Therapie: „Für alle Viren außer Covid gilt, dass Steroide keine gute Idee sind.“ 

Einige Erreger lassen sich darüber hinaus kausal behandeln: Oseltamivir und Zanamivir gegen Influenza, Ribavirin gegen RSV und eventuell Parainfluenza sowie Cidofovir zur Behandlung adenoviraler Pneumonien. Bei SARS-CoV-2 spielen die monoklonalen Antikörper kaum noch eine Rolle. Die Expertin ergänzte jedoch: „Antivirale Medikamente haben wir sinnvoll verfügbar, im wesentlichen Paxlovid und Remdesivir.“ Stationär würden onkologische Patient:innen wie andere Menschen mit schweren Verläufen behandelt.

„Was ich im Alltag oft sehe, ist, dass jemand mit einer ambulant erworbenen, respiratorischen Virusinfektion irgendwie doch Antibiotika bekommt“, kritisierte die Referentin. Es gebe sogar Forschungsdaten dazu, dass Antibiotika in dieser Situation nicht nur wirkungslos bleiben, sondern schaden.

Besser vorbeugen!

Dr. Verena Petzer vom Comprehensive Cancer Center Innsbruck erinnerte daran, dass die drei „großen Winterviren“ RSV, Influenza und SARS-CoV-2 impfpräventabel sind.2 Das Hauptziel besteht darin, Infektionen der unteren Atemwege zu vermeiden. Vor allem Erkrankte mit lymphoiden Malignomen sowie nach B-Zell-depletierender Therapie sprechen allerdings vermindert auf Impfstoffe an. Was Ärzt:innen tun können, wenn trotz Impfung ausreichende Antikörper fehlen:

  • Testergebnis hinterfragen (Messung frühestens vier Wochen nach der letzten Dosis).

  • Patient:in über T-Zell-Immunität aufklären, welche der Antikörpertiter nicht abbildet.

  • Zusätzliche Impfung(en), eventuell andere Technologie oder erhöhte Einzeldosis, um doch noch ein Ansprechen zu erreichen.

Praktisch sollten die Behandelnden beispielsweise empfehlen, zwei Influenza-Impfungen durchzuführen und das quadrivalente Vakzin zu verwenden. Auch bezüglich SARS-CoV-2 scheinen zusätzliche Immunisierungen die Rate von Non-Respondern zu reduzieren. Allgemein gebe es bei vielen hämatologischen Erkrankungen ein Zeitfenster zwischen Erstdiagnose und Therapiebeginn, das sich für eine Erhebung des Impfstatus und Auffrischungen nutzen lässt.

Die Krebstherapie unterbrechen?

Erwiesenermaßen führen schwerwiegende Therapien wie eine alloHSCT zu schlechteren Outcomes, wenn sie während einer aktiven Infektionssymptomatik eingeleitet werden. Andererseits gab Prof. von ­Lilienfeld-Toal zu bedenken: „Was mit am stärksten einen Risikofaktor für einen negativen Infektionsverlauf darstellt, ist die aktive Erkrankung. Das gilt für alle respiratorischen Viren und Krebsentitäten.“ 

Als Faustregel könne man orale Therapien, beispielsweise die Lenalidomid-Erhaltung, i.d.R. auch während der symptomatischen Erkrankung fortsetzen, sofern der Allgemeinzustand dies zulässt. Hingegen sollten Mediziner:innen intensive und immunsuppressive Behandlungen meist verschieben. Hat der/die Behandelte trotz positiver Tests keine Beschwerden mehr, können die Verantwortlichen ein Clearing des Erregers anstreben. Dies gilt vor allem vor belastenden Therapien wie eine HSCT oder CAR-­­T-­­Zellen. 

Prognose respiratorischer Infekte

„Das Outcome hängt nicht unbedingt vom Virus ab“, urteilte Prof. von ­Lilienfeld-Toal. Patient:innen könnten an allen respiratorischen Erregern sterben, außer vielleicht an endemischen Coronaviren. Sie wies darauf hin, dass Mediziner:innen bisher insbesondere das humane Meta­pneumovirus unterschätzt hätten. Scores, die für die alloHSCT entwickelt wurden, eigneten sich dazu, das individuelle Risiko abzuschätzen.

Im Falle des besprochenen Patienten bestätigte das Ergebnis der Multiplex-PCR eine Infektion mit Rhinoviren. „Er war relativ schnell wieder gesund, und die Rezepte hat er zerrissen“, schloss die Referentin.

Quellen:
1. von Lilienfeld-Toal M. Jahrestagung 2023 der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie; Vortrag „Lessons learnt – Community Acquired Respiratory Viruses (CARV)“
2. Petzer V. Jahrestagung 2023 der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie; Vortrag „Impfungen gegen respiratorische Viruserkrankungen in der Hämatologie und Onkologie – Weiterhin relevant?“

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Harm­lose Atemwegsinfekte können bei  immundefizienten Personen bedrohlich verlaufen. Harm­lose Atemwegsinfekte können bei immundefizienten Personen bedrohlich verlaufen. © Pormezz – stock.adobe.com