Gicht und Pseudogicht per Punktion unterscheiden

Dr. Dorothea Ranft/Dr. Susanne Gallus

Im Gegensatz zu Kalziumpyrophosphat bildet Urat nadelförmige Kristalle. Im Gegensatz zu Kalziumpyrophosphat bildet Urat nadelförmige Kristalle. © iStock/toeytoey2530

Maßgeblich für die Diagnose der Kristallarthritiden ist die Gelenkpunktion mit mikroskopischer Analyse. Die entscheidet darüber, ob kausal oder nur antiinflammatorisch therapiert werden kann. Dazu muss man das kardiovaskuläre Risiko der Gichtpatienten im Auge haben.

Pathophysiologisch kommt es sowohl bei Kalziumpyrophosphatarthritis als auch bei der Gicht zur Freisetzung von Interleukin-1β. Das erklärt sowohl die entzündlichen Attacken als auch die gute Wirkung IL-1-gerichteter Therapien, schreiben Privatdozentin Dr. Anne-Kathrin Tausche von der Rheumatologie an der TU Dresden und Professor Dr. Monika Reuss-Borst von der Schwerpunktpraxis am Reha- und Präventionszentrum in Bad Bocklet.

Keine kausale Therapie für die Kalziumpyrophosphatarthritis

Um welche der beiden Krankheiten es sich handelt, lässt sich mikroskopisch anhand der Gelenkflüssigkeit unterscheiden (siehe Kasten). Kann man nicht punktieren, lassen sich die eindeutigen Veränderungen je nach dem auch sonographisch oder im CT abbilden. In der unspezifischen antientzündlichen Therapie der Kris­tallarthritiden zeigen NSAR, Coxibe und Glukokortikoide eine vergleichbare Wirksamkeit. Gute Resultate erzielte man für Letztere im akuten Anfall mit einem Prednisolonäquivalent von 20–35 mg/Tag in rasch absteigender Dosis. Niedrig dosiertes Colchicin eignet sich ebenfalls zur Behandlung des akuten Gicht­anfalls. Es kann auch zur Prophylaxe rezidivierender Attacken zu Beginn einer harnsäuresenkenden Therapie eingesetzt werden.

Nadeln oder Quader?

Der Goldstandard bei Gicht und Kalziumpyrophosphat(CPP)-Arthritis ist der mikroskopische Kristallnachweis im Gelenkpunktat. Harnsäurekristalle erscheinen spitz zulaufend (nadelförmig) und mit starker Lichtbrechung im Polarisationsfilter. Außerdem sind sie größer als zelluläre Bestandteile. CPP-Kristalle dagegen sind wesentlich kleiner und ähneln Stäbchen, Rhomben oder Quadern. Die Kristalle lassen sich auch mehrere Tage nach der Punktion noch detektieren. Finden sich beide Kristallformen im Punktat steht die Diagnose Gicht und deren kausale Therapie im Vordergrund.

Eine kausale Behandlung exis­tiert bisher nur für die Gicht mit guter Evidenz. Durch eine effektive Harnsäuresenkung lassen sich die bereits vorhandenen Kristalle auflösen. Diätetisch sollte der Patient versuchen den Konsum purinreicher Nahrungsmittel zu reduzieren. Auch mit Fruktose gesüßte Lebensmittel sind ungünstig, weil bei ihrer Verstoffwechselung Harnsäure entsteht. Bedenken bei Obst braucht der Patient aber nicht zu haben: Wegen des vergleichsweise geringeren Fruktosegehalts sind Früchte erlaubt. Die Treat-to-Target-Strategie der medikamentösen Gichttherapie ist, die Harnsäurewerte langfristig unter 6 mg/dl zu senken. Wenn sich bereits Tophi gebildet haben, sollten sogar 5 mg/dl als Maximum gewählt werden. Als Wirkstoffe stehen primär die Xanthinoxidase-Hemmer Allopurinol und Febuxostat zur Auswahl. Häufiger als Nicht-Betroffene leiden Gichtpatienten an metabolischen und kardiovaskulären Komorbiditäten und sterben an kardiovaskulären Ereignissen. Bisher fehlten jedoch randomisierte Studien, die eine harnsäuresenkende Therapie auf diese Endpunkte hin untersuchten. Aufsehen erregte deshalb die amerikanische CARES-Studie, die Allopurinol und Febuxostat bei kardio­vaskulären Risikopatienten testete: Obwohl sich das Auftreten schwerer Ereignisse nicht unterschied, war die gesamt- und kardio­vaskuläre Letalität in der Febuxostat-Gruppe signifikant höher.

So senkt man die Harnsäure

Im Regelfall startet man mit 100 mg Allopurinol täglich. Wochenweise wird die Dosis in 100-mg-Schritten bis zum Erreichen des Zielwerts erhöht. Gute Nierenfunktion und Verträglichkeit machen Tagesdosen über 300 mg Allopurinol möglich. Zu Febuxostat greift man bei ungenügender Harnsäuresenkung sowie Niereninsuffizienz oder Unverträglichkeit. Die Expertinnen empfehlen eine Maximaldosis von 120 mg/Tag.

Engmaschige Kontrollen auch bei stabiler Herzerkrankung

Da man bei Gichtpatienten für gewöhnlich ohnehin mit Allopurinol beginnt, ändert die Studie am bisherigen medikamentösen Vorgehen nichts, beruhigen die Expertinnen. Sie betonen dennoch, darauf zu achten, Risikopatienten mit dekompensierter Herzinsuffizienz oder instabiler KHK primär kein Febuxostat zu verordnen. Selbst eine stabile kardiale Situation erfordert engmaschige Kontrollen.

Lesinurad ist zugelassen, aber noch nicht verfügbar

Zusätzlich ein Urikosurikum zu geben, macht Sinn, falls sich der Harnsäurezielwert mit den Xanthinoxidase-Hemmern allein nicht erreichen lässt. Benzbromaron ist zwar in Deutschland zugelassen, aber die Datenlage zur Kombination mit Allopurinol ist mangelhaft und bezüglich Febuxostat fehlen die Studien komplett. Für das neue, selektiv urikosurisch wirkende Lesinurad gibt es sowohl die Studien als auch eine Zulassung der EMA. Nur das Medikament selbst lässt momentan hierzulande noch auf sich warten. Canakinumab, ein IL-1β-Antikörper, ist für die Gichttherapie zugelassen, wenn die konventionellen Optionen ausgeschöpft sind. Die Anti-IL-1-Substanzen Anakinra und Canakinumab wurden zwar in Studien gut getestet, besitzen aber noch keine Zulassung. rft/SG

Quelle: Tausche AK, Reuss-Borst M. Dtsch Med Wochenschr 2019, 144: 1055-1060; DOI: 10.1055/a-0857-0916

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Im Gegensatz zu Kalziumpyrophosphat bildet Urat nadelförmige Kristalle. Im Gegensatz zu Kalziumpyrophosphat bildet Urat nadelförmige Kristalle. © iStock/toeytoey2530