Pseudogicht: Auf der Jagd nach den vertrackten Kalziumpyrophosphat-Kristallen

Dr. Barbara Kreutzkamp

In die Bandscheibe verkriechen sich die Kristalle aus Kalziumpyrophosphat-Dihydrat auch gerne. In die Bandscheibe verkriechen sich die Kristalle aus Kalziumpyrophosphat-Dihydrat auch gerne. © wikipedia.org/Nephron

Akute oder rheumatoide Arthritiden, sekundäre Arthrosen oder ein polymyalgisches Syndrom: Die Chondrokalzinose hat viele Gesichter. Per Röntgen kommt man den Kalziumpyrophosphat-Ablagerungen jedoch gut auf die Spur, therapiert wird kurz- und langfristig per Entzündungshemmung.

Neben der Gicht ist die Chondrokalzinose die zweite wichtige Kris-tallarthropathie. Bei dieser auch als Pseudogicht bekannten Gelenk-erkrankung lagert sich Kalzium­pyrophosphat-Dihydrat (CPPD) bevorzugt im hyalinen und faserigen Knorpel ab, schreiben Dr. Andreas Krebs, niedergelassener Rheumatologe in Kloten/Schweiz und sein Kollege Dr. Adrian Forster vom Kantonsspital Winterthur.

Jeder Zweite über 80 hat „Knorpelverkalkungen“

Betroffen sind meist ältere Menschen – bei rund 15 % der 70-Jährigen und 50 % der über 80-Jährigen finden sich „Knorpelverkalkungen“ im Röntgenbild. Bei unter 50-jährigen Patienten ist die Chondrokalzinose in der Regel sekundär durch metabolische oder endokrine Erkrankungen bedingt. Infrage kommen z.B. eine Hämochromatose oder ein Hyperparathyreoidismus. Auch bei der genetisch bedingten familiären Chondrokalzinose manifestieren sich die Gelenksymptome schon in jungen Jahren.

In der Regel bleiben die CPPD-Ablagerungen zunächst unbemerkt, bis die Kristalle z.B. durch Traumen oder im Rahmen eines Infekts ins Gelenk gelangen. Dort locken sie als Fremdkörper Phagozyten und Neutrophile an, die eine Entzündungskaskade einleiten und wie bei der Gicht Arthritis-Symptome auslösen. Bei manchen Patienten verläuft die Synovialentzündung auch subakut oder chronisch und es dominieren die Symptome einer rheumatoiden Arthritis.

Zusätzlich können die Kalziumpyrophosphat-Dihydrat-Einlagerungen eine Sekundärarthrose hervorrufen. Die damit verbundenen Destruktionen findet man häufig in Gelenken, die bei der primären Arthrose nicht betroffen sind. Dazu zählen z.B. die Radiokarpal- und Metakarpophalangealgelenke sowie Schulter und Mittelfuß. Kniffelig wird es, wenn sich die Patienten mit einem polymyalgischen Syndrom oder Wirbelsäulenbefall und „Pseudomeningitis“ präsentieren – dahinter kann ebenso eine CPPD-Arthropathie stecken.

Diagnostischer Goldstandard ist wie bei der Gicht der mikroskopische Kristallnachweis aus der Synovialflüssigkeit. Im klinischen Alltag beschränkt man sich allerdings meist auf Röntgen- und Ultraschall-Diagnostik. Die CPPD-Kristalle imponieren als gepunktete Verkalkungen im Faserknorpel (z.B. Meniskus, Symphyse). Bei älteren Menschen mit perakuter Monarthritis lässt sich die Diagnose oft bereits mit Klinik und Röntgen sichern.

Wichtigste Differenzialdiagnose einer Mono- oder Oligoarthritis mit starker Schwellung, Rötung und evtl. begleitenden Allgemeinsymptomen ist die septische Arthritis – insbesondere bei leukozytenreichem Gelenkpunktat. Die Indikation für eine Kultur ist hier immer großzügig zu stellen. Auch aus einem weiteren Grund: Nicht selten triggert eine septische Arthritis die Kristallfreisetzung und ruft zusätzlich eine akute CPPD-Arthritis hervor.

Gicht und Pseudogicht können parallel auftreten

Die zweite wichtige Differenzialdiagnose ist die Gicht. Erste Hinweise geben das Befallsmuster und Röntgendiagnostik bzw. Sonographie. Definitiv lassen sich beide Erkrankungen aber erst durch die Kristallanalyse im Gelenkpunktat unterscheiden. Auch hier kann der Patient Läuse und Flöhe haben – Gicht und Pseudogicht schließen sich nicht gegenseitig aus.

Manchmal hilft Magnesium

Auch die Therapien von Gicht und Pseudogicht ähneln sich im akuten Schub. Dabei setzt man primär auf Kälte und Ruhigstellung, solange kein Gelenkinfekt vorliegt, kommen auch intraartikuläre Steroidinjektionen (Triamcinolon 10–40 mg, Betamethason 1,75–7 mg) infrage. Wenn eine Gelenkinfiltration nicht möglich oder kontraindiziert ist, setzt man auf NSAR oder alternativ auf orale Steroide (z.B. Prednison 20 mg für einige Tage) oder Colchicin (1–2 x 0,5 mg/Tag).

Bei rezidivierenden akuten Entzündungen kann man eine Basistherapie mit niedrigdosierten oralen NSAR oder Steroiden oder Colchicin versuchen. Bei einer symme-trischen chronischen Polyarthritis („pseudorheumatoide Arthritis“) können außerdem Hydroxychloroquin oder Methotrexat probiert werden. Chondrokalzinosen auf dem Boden einer nephrogenen Hypomagnesiämie sprechen gut auf eine Supplementierung an, auch bei der idiopathischen CPPD ist die Magnesiumgabe einen Versuch wert.

Krebs A, Forster A. Swiss Medical Forum 2017; 17: 391–394

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In die Bandscheibe verkriechen sich die Kristalle aus Kalziumpyrophosphat-Dihydrat auch gerne. In die Bandscheibe verkriechen sich die Kristalle aus Kalziumpyrophosphat-Dihydrat auch gerne. © wikipedia.org/Nephron