Gichttherapie: Jeder zweite Patient bricht die Behandlung innerhalb von zwölf Monaten ab

Dr. Anna-Lena Krause

Bei hohem Harnsäurespiegel fallen Natriumurat-Kristalle aus. Granulozyten nehmen diese auf und induzieren eine Entzündung. Bei hohem Harnsäurespiegel fallen Natriumurat-Kristalle aus. Granulozyten nehmen diese auf und induzieren eine Entzündung. © wikimedia/Gabriel Caponetti

Eigentlich ist das Behandlungskonzept bei Gicht ganz einfach, findet der Rheumatologe Prof. Dr. Alexander So. Dennoch erreicht nur jeder Zweite das Therapieziel. Einer Studie zufolge haben Krankenschwestern die Patienten deutlich besser im Griff als Hausärzte. Sein Lösungsvorschlag: bessere Aufklärungsstrategien.

Rund die Hälfte der Gichtpatienten bricht die Behandlung innerhalb von zwölf Monaten ab, erklärte Professor Dr. Alexander So vom Universitätsklinikum Lausanne. Außerdem vergessen viele Hausärzte, dass das Ziel der Therapie ist, den Harnsäurespiegel unter einen bestimmten Wert zu senken. Gemäß der EULAR*-Leitlinien liegt dieser Zielwert unter 6 mg/dl, bei schwerer Gicht sogar unter 5 mg/dl.

Nur mit einer Senkung des Harnsäurespiegels unterhalb des Zielwerts lässt sich laut Prof. So das metabolische Problem langfristig in den Griff bekommen. „Um dies zu erreichen, muss man Medikamente verschreiben, aber man muss auch seine Phantasie benutzen, um den Patienten zu überzeugen, diese auch langfristig einzunehmen“. Voraussetzung hierfür sei die richtige Aufklärung.

Colchicin-Prophylaxe hält die Patienten an Bord

Zu Beginn der harnsäuresenkenden Therapie ist eine zusätzliche Colchicin-Prophylaxe (0,5–1 mg/Tag während der ersten sechs Monate) essenziell, um den Patienten an Bord zu halten, betonte Prof. So. Denn wenn sich die Uratkristalle aus dem Gewebe lösen, drohen weitere Gichtanfälle. Die Entzündungsreaktion wird durch das Pflanzenalkaloid unterbunden.

Schwestern schlagen Ärzte

In einer britischen Studie wurden jeweils rund 260 Personen mit langjähriger Gicht randomisiert entweder von einer Krankenschwester oder einem Arzt betreut. Die Schwestern waren anhand der britischen und europäischen Leitlinien über Gicht und ihre Therapie geschult worden. Innerhalb von zwei Jahren erreichten 95 % der Patienten in der Schwestern-Gruppe einen Harnsäurewert < 6 mg/dl, unter den von Hausärzten betreuten Teilnehmer gelang dies nur 29 %. Der durchschnittliche Spiegel betrug 4,2 vs. 7,0 mg/ dl. Die Anzahl der Gichtanfälle im zweiten Jahr betrug im Mittel 0,93 vs. 2,03. Laut Prof. So stellten die Schwestern sicher, dass die Patienten ihre Krankheit verstehen und ihre Medikamente einnehmen.

Zudem gilt es, Begleiterkrankungen zu berücksichtigen. Denn diese können die therapeutischen Optionen deutlich mindern. So müssen z.B. Colchicin und NSAR gemieden werden, wenn eine Niereninsuffizienz vorliegt. Auch Patienten, die starke CYP3A4- oder P-Glykoprotein-Inhibitoren wie Cyclosporin oder Clarithromycin einnehmen, sollten kein Colchicin erhalten. Gemäß der europäischen Leitlinien startet man mit 100 mg Allopurinol pro Tag. Die Dosis ist allmählich zu steigern (alle 2–4 Wochen um 100 mg), bis der Harnsäure-Zielwert erreicht wird. Alternativ eignen sich Febuxostat oder Uriko­s­urika.

Febuxostat offenbar bei Niereninsuffizienz geeignet

Seit Febuxostat verfügbar ist, kam die Frage auf, wie sicher es bei Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen ist. „Bislang gibt es keine Hinweise auf eine signifikante Erhöhung des Herz-Kreislauf-Risikos“, fasste Prof. So die aktuelle Studienlage zusammen. Wie Allopurinol kann Febuxostat Hautreaktionen hervorrufen. Diese sind aber eher leicht und vorübergehend, das Risiko ist gering. Bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz wurden laut dem Rheumatologen in der Standarddosierung bislang keine wesentlichen Warnsignale beobachtet.

Für Gicht gibt es jetzt auch eine Kombinationstherapie

Zu den Urikosurika zählen Probenecid, Benzbromaron, Sulfinpyrazon und Lesinurad, das seit 2016 zugelassen ist. Sie hemmen die tubuläre Rückresorption der Harnsäure und senken dadurch den Serumspiegel, jedoch bergen sie manche Risiken. Patienten mit Nierensteinen sollten keine Urikosurika einnehmen, da sich dadurch weitere Steine bilden können. Unter Benzbromaron gab es einzelne Fälle von schwerer Hepatotoxizität. Lesinurad kann zu einer vorübergehenden Steigerung der Kreatinin-Clearance führen. Viele Patienten vertragen Probenecid aufgrund seiner gastrointestinalen Nebenwirkungen nicht.

Einen Anfall noch am selben Tag behandeln

Ein akuter Gichtanfall sollte so früh wie möglich behandelt werden – idealerweise innerhalb der ersten 12 Stunden. Hierfür stehen vier medikamentöse Optionen zur Verfügung:
  • niedrig dosiertes Colchicin (am ersten Tag 1 mg + 0,5 mg eine Stunde später)
  • klassisches NSAR oder Coxib, ggf. in Kombination mit einem Protonenpumpenhemmer
  • Kortikosteroide (oral 30–35 mg/ Tag, intramuskulär oder intraartikulär)
  • eine Kombinationstherapie, z.B. aus Colchicin + NSAR oder Kortiko

Neu ist die Option der Kombinationstherapie aus einem Uriko­s­urikum mit einem Xanthinoxidasehemmer. In einer Studie erreichten im Vergleich zur Monotherapie mit Allopurinol doppelt so viele Patienten den Harnsäue-Zielwert von < 6 mg/dl, wenn sie zusätzlich 200 mg Lesinurad eingenommen hatten.

Neben der medikamentösen Therapie ist es auch wichtig, über Lebensstilmaßnahmen zu sprechen. „Über die Nahrung allein gelingt es den meisten nicht, den Harnsäurespiegel weit genug zu senken“, hob Prof. So hervor. Allerdings kann eine Ernährungsumstellung dabei helfen, typische Begleiterkrankungen der Gicht wie Hypertonie, Diabetes und Adipositas zu behandeln.

DASH-Diät senkt das Erkankungsrisiko um 32 %

Aber welche Ernährungsweise sollten Sie Ihrem Patienten empfehlen? Der Schweizer Rheumatologe rät zur DASH**-Diät, die viel Obst und Gemüse und wenig Fett, vor allem wenig ungesättigte Fettsäuren, enthält. Diese Diät kann nicht nur den Blutdruck, sondern langfristig auch das Gichtrisiko senken. In einer prospektiven Studie mit 44.444 initial gesunden Männern, die 26 Jahre lang nachbeobachtet wurden, zeigte sich, dass mit der DASH-Ernährungsweise 32 % weniger Teilnehmer an Gicht erkrankten. Bei überwiegend westlicher Kost hingegen stieg das Risiko um 42 %.

Quelle: Annual European Congress of Rheumatology 2017
* European League Against Rheumatism
** Dietary Approach to Stop Hypertension

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Bei hohem Harnsäurespiegel fallen Natriumurat-Kristalle aus. Granulozyten nehmen diese auf und induzieren eine Entzündung. Bei hohem Harnsäurespiegel fallen Natriumurat-Kristalle aus. Granulozyten nehmen diese auf und induzieren eine Entzündung. © wikimedia/Gabriel Caponetti