Haushaltschaos im Alter

Dr. Dorothea Ranft

Arzneimittel führen oft zu niedrigem Na-Spiegel. Arzneimittel führen oft zu niedrigem Na-Spiegel. © iStock/ bymuratdeniz

Die Hyponatriämie gilt als häufigste Elektrolytstörung im Alter. Auslöser ist meist das Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion. Die Folgen können lebensgefährlich sein, eine rasche Therapie ist daher geboten.

Auf den ersten Blick erscheint die klinische Symptomatik der Hyponatriämie eher mild und unspezifisch. Aber das erniedrig­te Serumnatrium kann schon früh gravierende Folgen haben, darunter Stürze, Frakturen, Delir, Schwindel, verminderter Allgemeinzustand.

Pathophysiologisch beruht die Hyponatriämie auf einer Störung des Wasserhaushalts, nicht auf einem Elektrolytmangel, erläutert Prof. Dr. ­Markus ­Gosch von der ­Paracelsus Medizinischen Privat­universität ­Nürnberg. Eine alleinige Substitution ist deshalb nicht zielführend.

Die hypotone Hyponatriämie kann verschiedene Ursachen haben.Die einfachste Erklärung ist eine Poly­dipsie mit Überschreiten der renalen Ausscheidungskapazität, z.B. im Rahmen einer Koloskopievorbereitung oder Trinkkur. Laborchemisch fallen das geringe spezifische Gewicht des ­Urins (< 1,005 g/ml) und eine niedrige Harnosmolalität (< 100 ­mosmol/kg) auf.

Häufiger kommt es beim alten Menschen allerdings zur Reduktion des effektiven zirkulierenden Blutvolumens als Folge einer geringen Trinkmenge. Dann liegt das spezifische Gewicht des ­Urins oberhalb 1,030 g/ml und die Osmolalität über 100 ­mosmol/kg. Die Folge ist eine baroreflexbedingt überschießende Sekretion des antidiuretischen Hormons (ADH) ­Vasopressin.

Einteilung der Hyponatriämie

Grad

Na-Serumkonzentration

 

Symptome

Akuität

leicht

130–135 mmol/l

 

leicht

beeinträchtigte Konzentration und Kognition, neuropsychiatrische Defizite

akut < 48 h,
chronisch > 48 h

 

mäßig

125–129 mmol/l

mittelschwer

Kopfschmerz und Übelkeit, Delir     

 

 

ausgeprägt

< 125 mmol/l

schwer

Erbrechen, Somnolenz, zerebrale Krampfanfälle bis zum Koma

 

In der akuten Situation sind das Ausmaß der Hyponatriämie und die zeitliche Dynamik maßgeblich für die Risikoeinschätzung.  (nach: M. Gosch)

Herzinsuffizienz, Zirrhose, nephrotisches Syndrom

Ein Natriumgehalt im ­Urin von weniger als 30 mmol/l weist auf ein verringertes effektives zirkulierendes Volumen hin. Allerdings können Diuretika die Elektrolytausscheidung erheblich stören, erinnert Prof. Gosch. Zudem ist bei dekompensierter Herzinsuffizienz, fortgeschrittener Leberzirrhose und nephrotischem Syndrom mit einer sogenannten Verdünnungs­hyponatriämie zu rechnen.

Vielfach wird der niedrige Serumspiegel durch Arzneimittel ver­ursacht, insbesondere bei Multi­medikation. Neben Diuretika und selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern gibt es zahlreiche weitere Substanzen mit entsprechenden Nebenwirkungen, darunter Neuroleptika, Antiepileptika und Opioide. Zu beachten ist darüber hinaus, dass die Hyponatriämie im Alter meist multifaktoriell bedingt ist. Die alleinige Änderung der Medikation greift deshalb häufig zu kurz. Stattdessen empfiehlt Prof. ­Gosch bei allen Patienten eine Basisdiagnostik zum Ausschluss eines Syndroms der inad­äquaten ADH-Sekretion (­SIADH). Dieser Symptomkomplex tritt bei Senioren oft intermittierend auf. Für das ­SIADH gilt:

  • Verlauf immer euvolämisch
  • Serumosmolalität < 275 ­mosmol/kg
  • Natriumkonzentration im Harn > 30 mmol/l
  • spezifisches Gewicht des ­Urins > 1,030 g/ml

Als Ursache eines ­SIADH kommen u.a. zerebrale Veränderungen, Pneumonien oder Karzinome infrage.

Bei der Abklärung ist primär auf Zeichen der Hypervolämie als Folge einer Verdünnungs­hyponatriämie zu achten. Deutet nichts auf Hypervolämie hin, sollten Flüssigkeitsaufnahme, Ernährung und Medikation erfragt werden.

Im Gegensatz zur Hyper- ist eine Hypovolämie nur schwer zu erkennen. Als diagnostische Maßnahme kann die Infusion eines Liters physiologischer Kochsalzlösung dienen. Steigt in der Folge das Serumnatrium, liegt wahrscheinlich Hypovol­ämie vor. Bleibt der Wert konstant, kann nach Ausschluss von Hyperglyk­ämie, Hypothyreose und Nieren- bzw. Nebenniereninsuffizienz von einem ­SIADH ausgegangen werden.

Die Behandlung richtet sich bei Verdünnungs­hyponatriämie nach der zugrunde liegenden Erkrankung. Bei hyponatriämischer Hyponatriämie ist die Gabe physiologischer Kochsalzlösung therapeutisch wirksam. Kranke mit ­SIADH können von einer Trinkmengenreduktion in Verbindung mit salzreicher Kost profitieren. Allerdings lässt sich die dafür notwendige dauerhafte Adhärenz bei den alten und multimorbiden Menschen oft nicht erreichen.

In der Praxis hat sich als Alternative die Medikation mit ­Tolvaptan bewährt. Der selektive Vasopressin-Antagonist normalisiert das Serumnatrium über die Ausscheidung von freiem Wasser. Zur Korrektur des Elektrolytwerts genügen im Alter oft sehr kleine Dosen (z.B. 7,5 mg per os jeden zweiten Tag). Wegen der Gefahr einer Überkorrektur sollte erste die Einstellung stationär erfolgen, die darauffolgenden Kontrollen sind ambulant möglich. Ziel der Behandlung ist ein Serumnatrium im Norm­bereich.

Quelle: Gosch M. Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 301-305;  DOI: 10.1055/a-1643-6204

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Arzneimittel führen oft zu niedrigem Na-Spiegel. Arzneimittel führen oft zu niedrigem Na-Spiegel. © iStock/ bymuratdeniz