Hyponatriämie: Zu wenig Natrium oder zu viel Wasser?

Dr. Elke Ruchalla

Die Ursache einer Verdünnungshyponatriämie findet sich häufig in der Niere oder in der ADH-Ausschüttung. Die Ursache einer Verdünnungshyponatriämie findet sich häufig in der Niere oder in der ADH-Ausschüttung. © iStock/Allexxandar

Fällt die Serumkonzentration von Natrium unter 135 mmol/l, ist nicht zwangsläufig zu wenig des Alkali­metalls im Körper vorhanden. Viel eher steckt hinter der Labordiagnose „Hyponatriämie“ ein Überschuss an extrazellulärem freiem Wasser.

Der Organismus reguliert seinen extrazellulären Wassergehalt auf zwei Wegen: die ADH-vermittelte Rückresorption von freiem, nicht-osmotisch gebundenem Wasser in der Niere und die Steuerung des Durstgefühls. Durch exzessive Zufuhr von freiem Wasser z.B. bei psychogener Polydipsie, exzessivem Bierkonsum oder chronisch salzarmer, wasserreicher Kost kann es zu einer Verdünnungshyponatriämie kommen. „Bei gesunder Niere geschieht dies erst ab einer Zufuhr von ca. 10 l Wasser pro Tag“, schreiben Dr. Dominik Kylies und Professor Ulrich Wenzel von der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Ist die Niere schwer angeschlagen oder wird zu wenig NaCl zugeführt, droht der Na+-Mangel im Blut schon bei geringerer Wasser­aufnahme.

Auch über die Stellschraube ADH ist eine Hyponatriämie möglich. Kommt es zu einem Blutdruckabfall schüttet der Hypothalamus ADH aus, schließlich soll der Druck durch die renale Rückresorption freien Wassers und vermehrtem Plasmavolumen wieder angehoben werden.

Endogene Verdünnung durch zuviel ADH

Gelingt dies z.B. aufgrund einer dekompensierten Herzinsuffizienz oder einer Leberzirrhose nicht, d.h. bleibt der Druck zu niedrig, hält die ADH-Ausschüttung ungehemmt an, es kommt zur endogenen Verdünnungshyponatriämie. Diese resultiert auch dann, wenn das Syndrom der inadäquaten, d.h. vom Regelkreis entkoppelten ADH-Ausschüttung  (SIADH) vorliegt. 

Wie man bei Patienten mit Hypo­natriämie therapeutisch vorgeht, richtet sich nach der Dringlichkeit der Symptome. Besonders das ZNS reagiert sensibel auf die zu geringe Natriumkonzentration und den dadurch bedingten Wassereinstrom in die Zellen. 

Ein akuter Na+-Abfall kann zur Folge haben, dass der Betroffene psychomotorisch verlang­samt oder verwirrt erscheint. Mancher erbricht, erleidet einen epileptischen Anfall oder wird komatös. Chronische Hyponatriämien gehen mit zumeist diskreten neurologischen Veränderungen einher und reichen von erhöhter Sturzneigung bis zur psychomotorischen Verlangsamung. Auch ein demenzielles Syndrom ist möglich. 

Befindet sich der Patient in einem lebensbedrohlichen Zustand, ist zügiges Handeln angesagt. Um neurologische Dauerschäden zu verhindern, wird die Natriumkonzentration rasch um 5 mmol/l angehoben. Die Hamburger Kollegen raten zur (ggf. wiederholten) Infusion von hypertoner Kochsalzlösung (150 ml, 3%ig) über 20 Minuten, wobei der Effekt der Maßnahme jeweils im Labor geprüft werden muss, um Komplikationen (siehe Kasten) vorzubeugen. Versagt die NaCl-Therapie, kann man den oralen ADH-Ant­agonisten Tolvaptan geben.

Um den Auslöser der Hyponatriämie zu finden, orientiert man sich an der Anamnese (Medikamenteneinnahme, Begleiterkrankungen, Ernährung), dem klinischen Befund (Ödem? stehende Hautfalten?) sowie dem Pathomechanismus (siehe Tabelle). 
Mögliche Auslöser der Hyponatriämie
PathophysiologieMögliche Ursache
Verdünnungshyponatriämie
  • Polydipsie (psychogen oder im Rahmen einer psychiatrischen Erkrankung)
  • exzessiver Bierkonsum bzw. stark wasserreiche Diät
  • zu geringe regelmäßige Kochsalzzufuhr (gerne bei zwanghaft „salzarmer“ Kost)
  • fortgeschrittene Niereninsuffizienz
  • iatrogen z.B. durch Infusion mit 5%iger Glukoselösung – was nichts anderes ist als freies Wasser
übermäßige ADH-Wirkung bei Hypervolämie
  • dekompensierte Herzinsuffizienz
  • dekompensierte Leberzirrhose
übermäßige ADH-Wirkung bei Hypovolämie
  • starke Flüssigkeitsverluste über den Magen-Darm-Trakt oder die Niere (Diuretikatherapie? Vor allem Thiazide sind dafür berüchtigt und gehören in diesem Fall abgesetzt.)
  • Sepsis mit Volumenverlagerungen
  • endokrinologische Erkrankungen (Nebennierenrindeninsuffizienz, Hypothyreose)
Regulation der ADH-Ausschüttung versagt: Syndrom der inadäquaten ADH-Ausschüttung (SIADH)
  • unspezifische Infekte oder Schmerzen
  • ZNS-Störungen wie ein Schlaganfall
  • einige Medikamente wie Antidepressiva
  • Tumorerkrankungen (Lässt sich ein SIADH nicht einwandfrei zuordnen, betrachtet man es bis auf Weiteres als paraneoplastisches Syndrom. Dann gilt es, nach einem Tumor zu suchen.)

Mit mehreren Auslösern muss gerechnet werden  

Das Labor sollte primär neben den üblichen Basics die Serumosmolarität im Blut und Urin sowie die Natriumkonzentration im Urin umfassen.  Die weitere Therapie erfolgt abhängig von der Ursache der Störung. So reduziert man etwa die Menge des zugeführten Wassers, behandelt die Grunderkrankung, gibt Natrium (s. Kasten) und korrigiert einen eventuellen Volumenmangel. Aber Vorsicht, warnen die Experten: In der Realität sieht man meistens Mischbilder mit mehreren gleichzeitig bestehenden Auslösern bzw. Komorbiditäten.

Quelle: Kylies D, Wenzel U. Dtsch Med Wochenschr 2020; 145: 1573-1579; DOI: 10.1055/a-1020-7303

Therapiegrenzen nicht aus dem Auge verlieren!

Zeigt der Patient keine akut lebensbedrohlichen Symptome, sollte eine Hyponatriämie nur langsam ausgeglichen werden, sonst besteht die Gefahr der pontinen Myelinolyse: Wenn man den Zellen durch schnelle Natriumgabe das zuvor eingelagerte Wasser zu rasch entzieht, lösen sich die Myelinscheiden auf. Vor allem wenn sich die Symptome nur langsam entwickelt haben, sollte das Elektrolytgleichgewicht auch nur langsam wieder hergestellt werden. Tatsächlich bleibt allerdings oft unklar, über welchen Zeitraum die Beschwerden entstanden sind, daher empfehlen die Experten als generellen Richtwert: Das Serum-Natrium sollte innerhalb von 24 Stunden maximal um 6–8 mmol/l zunehmen.

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Die Ursache einer Verdünnungshyponatriämie findet sich häufig in der Niere oder in der ADH-Ausschüttung. Die Ursache einer Verdünnungshyponatriämie findet sich häufig in der Niere oder in der ADH-Ausschüttung. © iStock/Allexxandar