Herzgefahr bannen

Dr. Sonja Kempinski

Erreger möglichst schnell eliminieren. Erreger möglichst schnell eliminieren. © Love Employee – stock.adobe.com

Das akute rheumatische Fieber und die poststreptokokken-reaktive Arthritis beruhen beide auf immunologischen Prozessen nach einer Infektion mit beta-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A. Doch sowohl Akuttherapie als auch Rezidivprophylaxe unterscheiden sich. 

Das akute rheumatische Fieber (ARF) manifestiert sich zwei bis drei Wochen nach dem Infekt mit Fieber, meist begleitet von Gelenkschmerzen und Zeichen einer Herzinsuffizienz. Die poststreptokokken-reaktive Arthritis (PSrA) zeichnet sich dagegen dadurch aus, dass sie früher als das ARF beginnt, häufig länger andauert und in den meisten Fällen nur die Gelenke betrifft. Beiden gemein sind eine vorausgehende primäre Streptokokkeninfektion und ein Häufigkeitsgipfel im Kindesalter – wobei die PSrA noch einen weiteren im Alter von 21–37 Jahren aufweist.

Zu den Therapiezielen beim ARF gehören die Eradikation der Streptokokken, das Eindämmen der systemischen Entzündung und das Verhindern von Rezidiven und einer rheumatischen Herzerkrankung. Dabei darf nicht gezögert werden: Um eventuell noch vorhandene Erreger sicher zu eliminieren,  soll die antibiotische Therapie bei Verdacht auf ein ARF direkt nach Rachenabstrich und Streptokokken-Schnelltest beginnen. Die Ergebnisse der Untersuchungen müssen dafür nicht abgewartet werden, schreibt eine Arbeitsgruppe um  Dr. Ulrich Neudorf vom Universitätsklinikum Essen in der gemeinsam von DGPK* und GKJR** beschlossenen S2k-Leitlinie. Mittel der Wahl ist Penicillin V, bei einer Penicillin-Allergie kommen Makrolide wie Erythromycin oder Cephalosporine zum Einsatz. Dosiert wird je nach Wirkstoff in zwei bis drei Einzeldosen (ED) täglich über fünf bis zehn Tage.

Die systemische Entzündung wird mit dem im Kindesalter üblichen NSAR behandelt. Historisch wurde Acetylsalicylsäure gegeben, heute bedient man sich anderer NSAR. Die Arthritis wird bis zur Remission mit Naproxen (täglich 10–15 mg/kg in zwei ED) behandelt. Alternativ sollen auch Ibuprofen (20–40 mg/kg in 3–4 ED) und Indometacin (1–3 mg/kg in 2–3 ED) wirksam sein. Zusätzlich werden Physiotherapie sowie lokale Kälte- oder Wärmetherapie empfohlen.  

Bei schwerer Karditis mit linksventrikulärer Funktionsstörung, Herzinsuffizienz und/oder AV-Block sind Glukokortikoide indiziert (täglich Prednisolon 2 mg/kgKG, maximal 80 mg/d in 2–3 ED). Nach zwei Wochen kann man beginnen die Steroide wieder langsam auszuschleichen, immer überlappend mit der Gabe von NSAR. Eine klinisch manifeste Herzinsuffizienz wird entsprechend therapiert.

Die Herzbeteiligung kann eine Perikarddrainage oder eine Klappenintervention erforderlich machen. Letztere sollte erst nach Abklingen der entzündlichen Phase erfolgen. Rekonstruktion und Erhalt der Klappen sind zu bevorzugen. Muss die Herzklappe ersetzt werden, wird bei Patientinnen im gebärfähigen Alter der Einsatz einer Bioprothese empfohlen, um eine Antikoagulation mitsamt ihrer Embryotoxizität zu vermeiden.

Die Chorea minor wird am besten gemeinsam mit dem Neuropädiater behandelt. Mittel der Wahl sind ebenfalls Glukokortikoide, je nach Symptomen kommen Haloperidol, Risperidon, Valproat oder Carbamazepin/Oxcarbazepin hinzu. Die Therapie der Chorea folgt Expertenwissen, evidenzbasierte Studien und Leitlinien fehlen bisher.  

Familie mitbehandeln?

Bei akutem rheumatischem Fieber sollten die Menschen, mit denen der Erkrankte zusammenlebt, ebenfalls mittels Rachenabstrich auf beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A getestet werden. Sind sie positiv, ist eine antibiotische Therapie angezeigt: entweder Clindamycin oder Penicillin V plus Rifampicin, jeweils über sieben Tage.

Bei Penicillinallergie auf Erythromycin ausweichen

Um durch eine wiederholte Streptokokken-A-Infektion drohende Rezidive zu vermeiden, sollten alle ARF-Erkrankte eine antibiotische Prophylaxe erhalten. Früher geschah dies eher empirisch. Heute belegen diverse Studien die dadurch sinkende Rezidivhäufigkeit. Die Prophylaxe besteht aus der Gabe von Penicillin, entweder täglich oral oder in drei bis vierwöchigen Abständen i.m. Bei Penicillinallergie kann man auf Erythromycin ausweichen.

Die Dauer der antibiotischen Prophylaxe richtet sich nach der Herzbeteiligung. Sie wird bei ARF entweder für einen bestimmten Zeitraum oder bis zu einem bestimmten Lebensjahr empfohlen – abhängig davon, was länger ist: 

  •  ohne Karditis für fünf Jahre oder bis zum 21. Lebensjahr,
  •  mit Karditis, aber ohne bleibende Klappenerkrankung für zehn Jahre oder bis zum 21. Lebensjahr,
  •  mit bleibendem Herzklappenfehler für zehn Jahre oder bis zum 40. Lebensjahr, manchmal auch lebenslang.

Abhängig vom Klappenschaden sind regelmäßige kardiologische Kontrollen und, wenn erforderlich, eine zusätzliche Endokarditisprophylaxe angezeigt. Das gilt auch für Betroffene unter einer antibiotischen ARF-Dauerprophylaxe. In diesen Fällen sollte für die Endokarditisprophylaxe jedoch nicht einfach die Dosis der antibiotischen Dauertherapie erhöht, sondern auf eine andere Antibiotikagruppe gewechselt werden.

Die akute Behandlung der PSaR unterscheidet sich von der des ARF. Sie umfasst die Gabe von NSAR, wobei man sich an der Therapie der juvenilen idiopathischen Arthritis orientiert. Die Prognose der PSrA ist gut. Falls es nach Ausschleichen oder Absetzen der NSAR zu einem Rezidiv kommt, wird die Dosis wieder erhöht bzw. die Behandlung neu begonnen.

Antibiotische Prophylaxe bei PSaR für zwölf Monate

Der Stellenwert der antibiotischen Prophylaxe bei einer isolierten PSaR wird unterschiedlich beurteilt. Bezüglich der Arthritis scheint sie nicht erforderlich zu sein, heißt es in der Leitlinie. Allerdings gibt es inzwischen Berichte, dass die PSrA durchaus nicht immer isoliert die Gelenke betrifft. Bei 5,8 % der Kinder sollen eine Karditis ohne Herzgeräusch vorliegen oder im Verlauf von 1 bis 18 Monaten nach Erkrankungsbeginn Klappenauffälligkeiten auftreten. Vorgeschlagen wird deshalb, bei PSrA für zwölf Monate lang prophylaktisch Antibiotika zu verabreichen. Sind dann bei einem Kontroll-Herzecho keine Klappenauffälligkeiten zu erkennen, kann die Prophylaxe beendet werden.

Quelle: S2k-Leitlinie „Akutes rheumatisches Fieber und poststreptokokken-reaktive Arthritis“, AWMF-Registernr. 023-027

* Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler

** Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie

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