Rheumatisches Fieber: Erhalten Sie die Klappe!

Dr. Dorothea Ranft

Besteht eine Kreuzreaktivität von Antikörpern gegen Streptokokken mit den Glykoproteinen der Herzklappen, werden auch letztere zerstört. Besteht eine Kreuzreaktivität von Antikörpern gegen Streptokokken mit den Glykoproteinen der Herzklappen, werden auch letztere zerstört. © iStock/SomkiatFakmee

Durch eine vermehrte Migration aus Hoch­risiko-Gebieten könnte das rheumatische Fieber in Westeuropa wieder an Bedeutung gewinnen. Mit einer Antibiose lassen sich fortschreitende Herzklappenschäden verhindern. Doch wen sollte man behandeln, ohne eine Übertherapie zu riskieren?

Akutes rheumatisches Fieber (ARF) ist denifiert als immunologisch bedingteFolge­erkrankung pharyngealer Infektionen mit Gruppe-A-Streptokokken (GAS). Betroffen sind vor allem Schulkinder und Jugendliche in Hochendemie-Gebieten (z.B. Afrika südlich der Sahara, Süd-/ Zentralasien), schreiben Dr. Sabine­ Haller von der Klinik für Infektiologie/Spitalhygiene am Kantonsspital St. Gallen und Kollegen. Während die Prävalenz in Eu­ropa und Nordamerika in den letzten Jahrzehnten deutlich sank, zählt man weltweit jährlich fast eine halbe Million Neuerkrankungen und eine Viertelmillion Todesfälle. 33 Mio. Menschen leiden an einer chronischen rheumatischen Herzerkrankung.

Unter den vielfältigen ARF-Manifestationen dominieren Arthritis und Karditis. Seltener finden sich Chorea Sydenham, subkutane Knötchen (derb, schmerzlos) und Erythema marginatum (zentral abblassend mit erhabenem Randwall). Entscheidend für die Prognose ist die Herz­beteiligung, die sich meist mit einer Entzündung der Mitralklappe bemerkbar macht und zu einer schweren valvulären Insuffizienz führen kann.

Prophylaxe mit Penicillin V oder Amoxicillin über 10 Tage

Das ARF manifestiert sich in der Regel 10–35 Tage nach der Tonsillitis, in mehr als 90 % der Fälle primär mit Fieber, etwas weniger häufig (75 %) mit einer wandernden Polyarthritis der großen Gelenke (gutes Ansprechen auf ASS, NSAR). Eine Chorea entwickeln nur etwa 10–30 % der ARF-Patienten, wobei die charakteristischen Bewegungsstörungen oft erst mit längerer Latenz (bis sechs Monate) auftreten. Dafür muss man bei diesen Betroffenen vermehrt mit einer rheumatischen Herzerkrankung rechnen (bis 60 %).

Die Diagnose „akutes rheumatisches Fieber“ basiert auf dem klinischen Bild (s. Kasten). Außerdem wird die Labordiagnose einer vorangegangenen Gruppe-A-Streptokokken-Pharyngitis gefordert. Zum Nachweis einer Herzbeteiligung empfiehlt sich ein Echo – auch ohne auskultatorischen Befund.

Jones-Kriterien zur Diagnose

Majorkriterien: Karditis, Polyarthritis, Chorea, Erythema marginatum, subkutane Noduli Minor-Kriterien: Polyarthralgie, Fieber ≥ 38,5 °C, BSG ≥ 60 mm/1h oder CRP ≥ 3,0 mg/dl, verlängerte PQ-Zeit Für die Diagnose genügen zwei Majorkriterien oder ein Major- und zwei Minorkriterien. Ein Rezidiv lässt sich anhand von drei Minorkriterien nachweisen, sofern andere Ursachen ausgeschlossen sind.

Die Primärprophylaxe bei Patienten ohne rheumatisches Fieber in der Anamnese besteht traditionell in der Eradikation der Gruppe-A-Streptokokken. Die Behandlung muss innerhalb von neun Tagen beginnen, um eine primäre ARF-Episode sicher zu verhindern. Es schadet also nicht, ein bis zwei Tage auf eine Sicherung der Diagnose zu warten. Aufgrund des minimalen ARF-Risikos in Europa ist die systematische Antibiotikagabe inzwischen allerdings umstritten und nicht mehr in jedem Land empfohlen. Die Schweizer Infektionsspezialisten plädieren dafür, vorzugsweise mit Penicillin V oder Amoxicillin über zehn Tage zu behandeln. Die Sekundärprophylaxe schließt sich an die GAS-Eradikationstherapie an und dient dazu, weitere (auch subklinische) Infektionen mit Gruppe-A-Streptokokken zu verhindern. Denn diese beschleunigen das Fortschreiten der Herzerkrankung. Zur Reduktion des Übertragungs­risikos sollten auch Haushaltskontakte mit positiver Rachenkultur eine Antibiotikatherapie erhalten. Für die Sekundärprophylaxe eignet sich vor allem lang wirksames Benzathin-Penicillin G. Liegt eine Penicillinallergie vor, kommt Azithromycin infrage (Resistenztes­tung). Bei Patienten ohne Karditis wird die Anwendung bis fünf Jahre nach der letzten ARF-Episode bzw. bis zum Alter von 21 Jahren empfohlen (längeren Zeitraum wählen). Menschen mit Karditis ohne residuelle Herzerkrankung (Valvulopathie) sollen die Prophylaxe zehn Jahre oder ebenfalls bis zum Alter von 21 Jahren erhalten. Bei Karditis und persistierender Valvulopathie sind zehn Jahre Laufzeit bzw. bis zum Alter von 40 Jahren angezeigt.

Ein ASS für den Akutfall

Zur Therapie des akuten rheumatischen Fiebers selbst kommt typischerweise ASS zum Einsatz, bei Kindern mit Fieber wegen der Gefahr des Reye-Syndroms Naproxen. Schwer Herzkranke mit eingeschränkter Pumpfunktion bekommem zusätzlich die klassischen Medikamente gegen die Insuffizienz. Oft werden auch Steroide eingesetzt, um Fieber und Entzündung einzudämmen, ein Vorteil im Hinblick auf das kardiale Outcome ließ sich dafür bisher aber nicht belegen.

In Südasien und Zentralafrika ist jeder Hunderste betroffen

Angesichts der weitreichenden Folgen eines ARF mit teils jahrzehntelanger Antibiose kommt es auch darauf an, eine Überdiagnose zu vermeiden. Eine kürzlich publizierte Arbeit zum Auftreten des ARF in den letzten 25 Jahren wies einen deutlichen globalen Abfall von Prävalenz und Mortalität nach. Allerdings persistiert die Erkrankung in einigen besonders armen Regionen. So betraf sie 2015 in Südasien und Zentral­afrika 10 von 1000 Einwohnern. Aber in Europa sollte man das ARF ebenfalls nicht aus den Augen verlieren, raten die Schweizer Kollegen, und belegen dies unter anderem am Beispiel einer italienischen Studie mit kardiochirurgischen Patienten. Bei 41 % der Personen, die aus Osteuropa, Afrika südlich der Sahara, Asien oder Lateinamerika eingewandert waren, gab es eine rheumatische Genese der Herzerkrankung. 

Quelle: Haller S et al. Schweizerisches Medizin-Forum 2018, 18: 75-80

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