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Hinweis auf intrahepatische Schwangerschaftscholestase nicht übersehen

Eine Patientin stellte sich in der 29. Schwangerschaftswoche mit einem massiven Pruritus vor. Sie konnte nicht mehr schlafen und verbrachte den ganzen Tag mit Kühlelementen auf unterschiedlichen Körperteilen, berichtete Dr. Christina Weiler-Normann, Chefärztin für Innere Medizin an der Warnow-Klinik Bützow anlässlich des Kongresses Viszeralmedizin 2024. Sie wies eine Cholestase mit einem Bilirubin von 13,1 mg % auf. Die Leberwerte waren etwas erhöht (GOT 39, GPT 56), die Gamma-GT eher niedrignormal (GGT 13), die alkalische Phosphatase etwas erhöht (AP 137). Sonografisch waren bei der Frau mit Migrationshintergrund Echinococcus-Zysten in Lunge und Leber nachweisbar, die aber nicht auf wichtige Strukturen zu drücken schienen. „Sonografisch sah die Leber gut aus“, berichtete Dr. Weiler-Normann. Die Gesamtgallensäuren im Serum lagen bei 281 µg/l. Die wahrscheinliche Ursache war eine intrahepatische Schwangerschaftscholestase (ICP).
„Wir sollten den Juckreiz und cholestatische Erkrankungen in der Schwangerschaft ernst nehmen,“ betonte Dr. Weiler-Normann. Die ICP tritt meist erst am Ende des zweiten oder im dritten Trimester auf. Das Hauptsymptom ist der Juckreiz. Die Gallensäuren im Serum sind erhöht, die Leberwerte nicht immer abnorm und ein Ikterus muss nicht auftreten. Wie bei der geschilderten Patientin ist die GGT meist niedrignormal. Werden die Gallensäuren differenziert, ist die Cholsäure erhöht und die Chenodesoxycholsäure erniedrigt. Manche Patientinnen berichten auch von einer Steatorrhoe. Dann sind die fettlöslichen Vitamine im Serum verringert. „Die Patientinnen haben ein Aufnahmedefizit für fettlösliche Vitamine“, erläuterte Dr. Weiler-Normann.
Die Wiederholungswahrscheinlichkeit der ICP in einer Folgeschwangerschaft liegt bei 40–60 %. Risikofaktoren für eine ICP sind
- eine Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus,
- ein Alter über 35 Jahre, eine Zwillingsschwangerschaft (mit ihren besonders hohen Hormonspiegeln),
- eine Schwangerschaft in den Wintermonaten und
- vorbestehende cholestatische Lebererkrankungen, insbesondere eine primär biliäre Cholangitis (PBC).
Die Prävalenz unterscheidet sich in verschiedenen Ethnien erheblich, was auf ein genetisch bedingtes Risiko hinweist. In Nordamerika und West- und Mitteleuropa sind etwa 0,5–1 % der Schwangerschaften betroffen, in Chile und Bolivien, insbesondere bei den Andenvölkern, liegt die Prävalenz bei bis zu 15 %.
Die ICP bedeutet für die werdende Mutter, aber noch mehr für den Fötus ein Risiko. Bei der Geburt treten wegen des Vitamin-K-Mangels häufiger schwerwiegende Blutungen auf. „Messen Sie die fettlöslichen Vitamine im Blut dieser Patientinnen und substituieren Sie, wenn notwendig“, betonte Dr. Weiler-Normann und wies darauf hin, dass diese Substitution parenteral erfolgen muss, weil die Aufnahme enteral nicht ausreicht. Patientinnen mit ICP haben außerdem ein erhöhtes Risiko, einen Gestationsdiabetes zu entwickeln. Einen Einfluss auf das Überleben der werdenden Mütter hat die ICP nach skandinavischen Daten aber nicht1.
Für den Feten bedeutet die ICP der Mutter ein hohes Risiko für Frühgeburtlichkeit (je nach Studie 19–60 %). Auch das Risiko für fetalen Stress, gemessen am Mekoniumgehalt des Fruchtwassers, und für eine fetale Bardykardie sind erhöht. „Man weiß inzwischen, dass die Gallensäuren plazentagängig sind und das fetale Reizleitungssystem blockieren – mit der möglichen Folge eines intrauterinen Herzstillstands“, berichtete Dr. Weiler-Normann. Die Rate von Totgeburten liegt bei bis zu 4,1 % und das Risiko eines intrauterinen Todes steigt bei einem Gallensäurespiegel der Mutter von ≥ 100 µmol/l ab der 26. Schwangerschaftswoche stark an.
Eine für die ICP zugelassene Therapie gibt es nicht. Vorrangig sollte die Behandlung mit Ursodesoxycholsäure (10–20 mg/kg Körpergewicht, off label) erfolgen. Es ist bekannt, dass Ursodesoxycholsäure die Effekte der Gallensäuren auf das fetale Reizleitungssystem blockiert und zudem gegen den Juckreiz hilft. Experimentell wurde auch die therapeutische Plasmapherese eingesetzt. Rifampicin kann ebenfalls off label eingesetzt werden. Weil der Wirkstoff den Abbau fettlöslicher Vitamine in der Leber beschleunigt, müssen diese noch besser kontrolliert werden. Eigentlich ist immer eine Supplementierung notwendig, betonte Dr. Weiler-Normann. Wichtig ist in jedem Fall, mit der Geburtshilfe zu sprechen. Gerade bei extrem hohen Gallensäuren muss eine frühzeitige Entbindung, gegebenenfalls per Sectio, erwogen werden.
Die vorgestellte Patientin berichtete, dass sie in ihrer ersten Schwangerschaft eine Notfallsectio in der 34. Woche bei schlechtem CTG hatte. Genaueres wusste sie nicht. In der genetischen Untersuchung der Tochter konsanguiner Eltern stellte sich eine sehr seltene homozygote Mutation im SLC10A1-Gen heraus. Daraus resultierte eine Defizienz des Natriumtaurocholat-kotransportierenden Polypeptids (NTCP), eines wichtigen Transportproteins von Gallensäuren in Hepatozyten.
1. Hämäläinen ST et al. BMC Women’s Health 2018; 18: 98; doi: 10.1186/s12905-018-0606-0
Quelle: Viszeralmedizin 2024
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