Hodgkin-Lymphom: Die Therapie mit der PET austarieren

Josef Gulden

Wäre das Hodgkin Lymphom in einem early favorable Stadium, umfasst der Standard eine 2+2 Chemotherapie, ergänzt durch eine Bestrahlung. Wäre das Hodgkin Lymphom in einem early favorable Stadium, umfasst der Standard eine 2+2 Chemotherapie, ergänzt durch eine Bestrahlung. © wikimedia/Nephron

Bei der Erstlinie des Hodgkin-Lymphoms geht es darum, Wirksamkeit und Toxizität gegeneinander abzuwägen. Der überwiegende Anteil der Patienten mit frühem Hodgkin-Lymphom und günstiger Prognose wird geheilt, aber bei ungünstiger Prognose gibt es noch Optimierungsbedarf.

Statt wie geplant im Herbst 2020 fand das International Symposium on Hodgkin Lymphoma von der German Hodgkin Study Group, kurz GHSG, in diesem Frühjahr statt. Aufgrund von SARS-CoV-2 wurde die Veranstaltung wie so viele zuerst verschoben und dann virtuell abgehalten. Dr. Martin­ Hutchings­, Rigshospitalet, Kopenhagen, berichtete von neuen Therapieoptionen in der Erstlinie des frühen Hodgkin-Lymphoms.

Wie der Hämatologe in Erinnerung rief, unterscheidet die GHSG beim frühen Hodgkin-Lymphom zwischen drei Therapiegruppen mit unterschiedlicher Prognose: 

  • early favorable: Patienten im Stadium I–II ohne Risikofaktoren haben eine günstige Prognose.
  • early intermediate: Mit einer intermediären Prognose sind ein Stadium I–IIA und Risikofaktoren assoziiert. Dazu gehören große mediastinale Tumoren, B-Symptome, erhöhte Erythrozyten-Senkungsgeschwindig- keit (ESR) sowie mindestens drei beteilig­te Lymphknotenregionen.
  • early unfavorable: Einen ungüns­tigen Verlauf haben Erkrankte im Stadium IIB mit erhöhter ESR.

Den Behandlungsstandard der early favorable Gruppe stellt eine Chemotherapie aus zwei Zyklen ABVD* und eine anschließende Bestrahlung der betroffenen Lymphknotenregionen mit 20 Gy dar. In der HD10-Studie der GHSG ließen sich damit Acht-Jahres-Raten für das Gesamtüberleben von rund 95 % erzielen. 86 % der Patienten waren zu diesem Zeitpunkt frei von Therapieversagen.

Der Verzicht auf die Radiatio bei Patienten mit einer negativen PET nach den beiden ABVD-Zyklen führt laut der HD16-Studie der GHSG sowie der EORTC-Studie H10 zu einem nicht akzeptablen Verlust der Krankheitskontrolle.

Arzt rät, Patienten über die Unklarheit aufzuklären

Der in Deutschland gebräuchliche Therapiestandard in early unfavorable Stadien wurde durch die HD14-Studien der GHSG definiert: Zwei Zyklen BEACOPP**eskaliert­ plus zwei Zyklen ABVD gefolgt von 30 Gy Bestrahlung waren darin vier Zyklen ABVD plus 30 Gy bei der Krankheitskontrolle überlegen. In der EORTC-Studie H10 war zudem geprüft worden, ob man im Falle eines negativen PET2 auf die Radio­therapie verzichten kann.

Die frühen Ergebnisse fielen zwar in beiden Armen gut aus. Jedoch lässt sich Dr. ­Hutchings zufolge nicht ganz ausschließen, dass das bestrahlungsfreie Protokoll mit progressionsfreien Fünf-Jahres-Überlebensraten von 89,6 % vs. 92,1 % etwas schlechter abschneidet. Er empfiehlt, den Umstand mit den Patienten zu diskutieren.

Der Standard wurde auf Basis der kürzlich veröffentlichten HD17-Studie der deutschen Studiengruppe mit 1100 Patienten modifiziert: Die Patienten im early-unfavorable-Stadium erhielten die Kombination aus je zwei Zyklen BEACOPPeskaliert und ABVD. Die 30-Gy-Bestrahlung kam nur zum Tragen, wenn ein PET nach den vier Zyklen (PET4) positiv ausfiel. Der Unterschied hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens betrug nach fünf Jahren 2,2 Prozentpunkte.

Statistisch konnte die Nicht-Unterlegenheit dieses PET4-getriebenen Ansatzes gesichert werden, der daher in Deutschland den neuen Standard in dieser Indikation darstellt. Damit kann man den PET4-negativen Patienten – in dieser Studie zwei Drittel des Kollektivs – die Radiotherapie mit ihren Spätfolgen ersparen, betonte Dr. Hutchings.

Spätfolgen der Therapie

Bei Patienten mit frühem Hodgkin-Lymphom sind die Überlebensaussichten sehr gut und werden häufig eher durch Spätfolgen der Behandlung als durch Therapieversagen oder Rezidive beeinträchtigt. Die Spätfolgen umfassen unter anderem Sekundärmalignome, kardiovaskuläre Erkrankungen, chronische Fatigue, Muskelschwäche und psychosoziale Probleme. Dominierende Ursache für solche Folgen, die heute – also zwischen 15 und 50 Jahre nach der Behandlung – Morbidität und Mortalität beeinflussen können, ist die Radiatio. Allerdings konnten mittlerweile durch grundlegende verbesserte Bestrahlungstechniken Dosierungen und die Größe der Bestrahlungsfelder dramatisch reduziert werden. Daneben weist natürlich auch die Chemotherapie Toxizitäten auf: So führt Doxorubicin dosisabhängig zu kardiovaskulären Komplikationen, Muskelschwäche und Fatigue. Bleomycin kann wiederum pulmonale Folgen haben.

Daneben entwickeln sich ihm zufolge Kombinationen aus Brentuximab-Vedotin und PD1-Inhibitoren zu neuen Optionen in early-unfavorable-Stadien des Hodgkin-Lymphoms: In der randomisierten Phase-2-Studie BREACH konnte der Ersatz von Bleomycin in den vier Zyklen ABVD durch das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Brentuximab-Vedotin den Anteil von Patienten mit negativem PET nach zwei Zyklen von grob 75 % auf 82 % erhöhen.

Bis zu 100%ige PFS-Rate nach zwei Jahren

In der von der GHSG durchgeführten Phase-2-Studie NIVAHL liegt die progressionsfreie Überlebensrate zwei Jahre nach einer Kombination aus dem PD1-­Inhibitor Nivolumab und der AVD-Chemotherapie bei 100 % im Falle einer simultanen bzw. 98 % bei sequenzieller Gabe. In den laufenden Studien RADAR­, RAFTING­ sowie INDIE­ werden zurzeit weitere Kombinationen mit Brentuximab-Vedotin und dem PD1-Antikörper Tislelizumab erprobt sowie die Anpassung der Therapie­intensität entsprechend dem PET-Ansprechen.

* Doxorubicin, Bleomycin, Vinblastin, Dacarbazin
** Bleomycin, Etoposid, Doxorubicin, Cyclophosphamid, Vincristin, Procarbazin, Predniso(lo)n

Quelle: Hutchings M. Update on Hodgkin Lymphoma – a virtual ISHL event 2021

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Wäre das Hodgkin Lymphom in einem early favorable Stadium, umfasst der Standard eine 2+2 Chemotherapie, ergänzt durch eine Bestrahlung. Wäre das Hodgkin Lymphom in einem early favorable Stadium, umfasst der Standard eine 2+2 Chemotherapie, ergänzt durch eine Bestrahlung. © wikimedia/Nephron