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Hörgerät besser vom HNO-Arzt oder vom Akustiker? ?
Innerhalb eines Jahres wurden dem Berufsverband der HNO-Ärzte 484 Fälle gemeldet, bei denen Schwerhörige durch den Verzicht auf fachärztliche Diagnostik zu Schaden kamen. Einen großen Raum im Fehlerarsenal nehmen mit 147 Fällen die übersehenen Ohrerkrankungen ein, wie eine Arbeitsgruppe um Dr. Jan Löhler vom WIAHNO* in Bad Bramstedt schreibt.
Medizinische Ursachen werden verkannt
So mancher Akustiker passte wegen eines Ohrenschmalzpfropfes oder einem Paukenerguss seinem Kunden gleich eine Hörhilfe an. Andere übersahen Ohrpilze, Fremdkörper im Gehörgang oder sogar eine operationsbedürftige chronische Mittelohrentzündung.
Wieder andere schoben Beschwerden bei eingesetztem Gerät auf die Schwerhörigkeit – bis die eigentliche Ursache, ein Geschwulst aus verhornenden Plattenepithelzellen im Mittelohr (Cholesteatom), zu massiven Schmerzen und Eiterung führte.
Fehldiagnosen reichten bei der arztlosen Strategie von der Apparateversorgung wegen psychogener Hörstörung bis zum übersehenen Tumor des Hörnervens. Die korrekte Indikation für ein Cochlea-Implantat (Hörprothese für Gehörlose, deren Hörnerv noch funktioniert) überforderte ganz augenscheinlich einige „Hörgeräte-Techniker“.
Alte Apparate sollen Hörvermögen gefährden
Manche Akustiker taten sich auch mit ihrem Handwerk schwer: Sie bemerkten z.B. nicht, dass Patienten ihre Hörgeräte seitenverkehrt trugen oder zu lange Schläuche Beschwerden verursachten. Die Reparatur eines defekten Geräts konnte sich bis zu zwei Jahren hinziehen. Nicht zu unterschätzen ist angesichts von 136 gemeldeten Fällen die Fehlversorgung: So überredeten Akustiker Patienten mit älterem Hörgerät trotz einwandfreier Funktion zu neuen Apparaten, weil sonst das Hörvermögen Schaden nehme.
Ein halbseitengelähmter Hundertjähriger wurde mit teuren Multifunktionsgeräten versorgt, die er weder einsetzen noch bedienen konnte. Auch die richtige Zuordnung des Kostenträgers – z.B. die Gesetzliche Unfallversicherung bei Lärmschwerhörigkeit – erfolgte nicht immer korrekt, was betroffene Patienten mehrere Tausend Euro Zuzahlung kosten konnte.
Neu- und Wiederverordnung unter ärztlichem Vorbehalt!
Angesichts dieser Ergebnisse betonen die Autoren, dass Hörhilfen auf jeden Fall vom Arzt verordnet werden sollten – auch bei der Wiederversorgung nach sechs Jahren. Deshalb sehen die neuen Heilmittelrichtlinien vor, dass ein Hörgerät bei Erwachsenen innerhalb von sechs Jahren (Kinder 4 Jahre) nur bei Verlust oder Defekt ohne ärztliche Untersuchung angepasst werden kann.
Damit wolle man nicht die Arbeit der Akustiker kritisieren, betonen Dr. Löhler und seine Kollegen, jede Berufsgruppe mache auch Fehler, aber mit dem bewährten Vier-Augen-Prinzip in der Betreuung durch Arzt und Techniker, könne man schwerwiegende Folgen für den Patienten verhindern.
*Wissenschaftliches Institut für angewandte HNO-Heilkunde des Deutschen
Berufsverbandes der HNO-Ärzte
Quelle: J. Löhler et al., HNO 2014; 62: 360-366
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