Hoffnung in der Neoadjuvanz

Mascha Pömmerl

Lichtmikroskopische Aufnahme eines Urotheltumors der Blase. Dies ist die am häufigsten auftretende Form von Harnblasenkrebs. Wesentlich seltener sind Plattenepithel- und Adenokarzinome. Lichtmikroskopische Aufnahme eines Urotheltumors der Blase. Dies ist die am häufigsten auftretende Form von Harnblasenkrebs. Wesentlich seltener sind Plattenepithel- und Adenokarzinome. © Science Photo Library/Downer, Nigel

Goldstandard für die Behandlung des lokalisierten muskelinvasiven Blasenkarzinoms ist die cisplatinbasierte Chemotherapie vor der radikalen Zystektomie. Mit der Frage, welche Rolle zukünftig eine neoadjuvante Checkpoint-Blockade spielen könnte, beschäftigten sich viele Studien.

Die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Urothelkarzinom erzielte in den vergangenen Jahren große Fortschritte. Grund dafür waren nicht zuletzt Immuntherapeutika, die u.a. in der Zweitlinie sowie in der Erhaltung in Studien geprüft wurden. Nun steigt das Interesse, die Checkpoint-Blockade auch im (neo-)adjuvanten Setting einzusetzen.

Die Autoren der Phase-3-Studie IMvigor010­ untersuchten die Wirksamkeit von adjuvantem Atezolizumab bei über 800 Personen mit muskelinvasivem Urothelkarzinom.1 Allerdings verbesserten sich dadurch weder krankheitsfreies Überleben (DFS) noch Gesamtüberleben, berichtete Dr. Michiel van der Heijden vom Netherlands Cancer Institute in Amsterdam.

Die eine Studie überzeugt, die andere nicht

Dagegen verlängerte die adjuvante Nivolumab-Therapie in der CheckMate-274-Studie das DFS von Erkrankten mit muskelinvasivem Urothelkarzinom und hohem Risiko signifikant gegenüber Placebo (Hazard Ratio 0,70; p < 0,001).2 Einen besonders deutlichen Vorteil hatten PD-L1-positive Patienten (HR 0,55; p < 0,001), erläuterte der Referent. Interessanterweise profitierten Betroffene, die zuvor eine neoadjuvante Chemotherapie mit Cisplatin erhalten hatten, stärker (HR 0,52) als solche, die nicht damit behandelt worden waren (HR 0,92).

Wirkungsvoller als die adjuvante ist möglicherweise eine neoadjuvante Immuntherapie, so Dr. van der Heijden. Ein Grund hierfür könne sein, dass der Tumor im neoadjuvanten Setting noch vorhanden ist. Dadurch werden mehr und unterschiedlichere T-Zell-Klone aktiviert, die auch nach der Operation aktiv nach verbliebenen Krebszellen suchen, erklärte der Referent. Eine kleine randomisierte kontrollierte Studie mit Melanomerkrankten im Stadium 3 unterstützt diese These.3 Hier kam es durch neoadjuvant verabreichtes Ipilimumab plus Nivolumab zur Expansion von mehr T-Zell-Klonen im Tumor als mit einer adjuvanten Behandlung.

Rund ein Drittel der Patienten erreicht komplette Remission

In einer Reihe von Studien wurden mittlerweile neoadjuvante Konzepte an Personen mit muskelinvasivem Blasenkarzinom untersucht, berichtete Prof. Dr. François ­Audenet vom Hôpital Européen Georges Pompidou in Paris. Die Checkpoint-Inhibitoren kamen dabei als Monotherapien oder in Kombination mit weiteren immunonkologischen Substanzen, Zytostatika oder zielgerichteten Wirkstoffen zum Einsatz.

Wichtige Ergebnisse liefern die Autoren der Studien PURE-014 und ABACUS5. In ersterer erreichten cisplatingeeignete Teilnehmer dank neoadjuvantem Pembrolizumab eine pathologische Komplettremissionsrate (pCR) von 37 %. In ABACUS betrug die pCR-Rate mit neoadjuvantem Atezolizumab bei cisplatinungeeigneten Patienten 31 %. Hinsichtlich der immunonkologischen Kombinationen erwies sich Nivolumab plus Ipilimumab in der einarmigen NABUCCO-Studie6 als wirksam. Untersuchungen zu verschiedenen Chemoimmuntherapien in der Neoadjuvanz führten zu pCR-Raten von 33 % bis 49 %.

Die verschiedenen Konzepte waren gut verträglich und die radikale Zystektomie konnte meist ohne Verzögerung erfolgen. Kombinationen führten allerdings zu verstärkten Toxizitäten und auch nach der Operation könnten verzögerte immunvermittelte Nebenwirkungen auftreten, so der Referent. Aus diesem Grund sollten die Patienten dementsprechend überwacht werden. Der Antitumor-Effekt der neoadjuvanten Behandlung korreliere nicht mit dem PD-L1-Expressionsstatus, sagte Prof. Audenet.

Es blieben eine Reihe von Fragen, die es zu beantworten gilt. So gäbe es z.B. für die Selektion von für eine Checkpoint-Blockade geeigneten Personen derzeit noch keine validierten Biomarker. Neben Langzeit-Überlebensdaten fehlten zudem u.a. direkte Vergleichsstudien mit neoadjuvanter Chemotherapie.

Chemoimmuntherapien für fortgeschrittene Tumoren

Derzeit werden Patienten für größere Phase-3-Studien rekrutiert. Darin wollen Forscher u.a. neoadjuvante Immuntherapeutika kombiniert mit Zytostatika mit der alleinigen Chemo vergleichen, berichtete Dr. van der Heijden. Er gab zu bedenken, dass PD(-L)1-Hemmer, die bei Betroffenen mit kleineren und entzündeten Tumoren erfolgreich waren, bei weiter fortgeschrittenen und nicht-entzündeten Karzinomen alleine nicht ausreichend wirksam sein könnten. Möglicherweise seien dann Chemoimmuntherapien notwendig. Aufgrund der NABUCCO-Daten schätzte der Referent den Stellenwert der zusätzlichen CTLA4-Hemmung als hoch ein.

Quellen:
1. Bellmunt J et al. Lancet Oncol 2021; 22: 525-537; DOI: 10.1016/S1470-2045(21)00004-8
2. Bajorin DF et al. N Engl J Med 2021; 384: 2102-2114; DOI: 10.1056/NEJMoa2034442
3. Blank CU et al. Nat Med 2018; 24: 1655-1661
4. Necchi A et al. Eur Urol 2020; 77: 439-446
5. Powles T et al. Nat Med 2019; 25: 1706-1714
6. van Dijk N et al. Nat Med 2020; 26: 1839–1844

van der Heijden M. 36th Annual EAU Congress virtual; Thematic Session 10
Audenet F. 36th Annual EAU Congress virtual; Plenary Session 3

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