Hyaluronsäure-Spritzen: Riskantes Placebo?

Eine Neigung zu Allergien war bei der Patientin nicht bekannt, gerechnet hatte mit dieser Reaktion also niemand. Einen Tag nachdem der Arzt zum zweiten Mal Hyaluronsäure in die arthrotischen Knie gespritzt hatte, stand die 64-Jährige wieder in der Praxis. Mit Rötungen, Hautblasen und Juckreiz an beiden Gelenken.
Laut Produktinformationen des Herstellers, berichtet nun AkdÄ-Mitglied Professor Dr. Marcus Schiltenwolf, Leiter des Fachbereichs Schmerztherapie in der Orthopädie des Heidelberger Universitätsklinikums, sollte dies eigentlich keine Überraschung sein. Der Kommission war der Fall gemeldet worden. Dort wird auf das Risiko von Überempfindlichkeitsreaktionen mit Symptomen wie Fieber, Ödemen, Hautreaktionen, Blutdruckabfall bis hin zu anaphylaktischen Erkrankungsbildern explizit hingewiesen. Meist, so der Autor, träten sie bereits bei der ersten Injektion auf.
In Deutschland überwiegend tierischen Ursprungs
Das höchste Allergiepotenzial scheinen aus Hahnenkämmen hergestellte Hyaluronsäure-Produkte zu besitzen, die trotz der Konkurrenz aus gentechnischen Quellen immer noch überwiegend in Deutschland verwendet werden. Die meisten der 84 dem BfArM gemeldeten Fälle sind Reaktionen auf Produkte tierischen Ursprungs gewesen.
Wie oft die IGeL-Leistung exakt durchgeführt wird, ist für die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft nicht nachzuvollziehen, weil die meisten Mittel direkt beim Hersteller eingekauft werden. Belegbar ist dagegen die eher zweifelhafte Wirkung der Produkte: Die Studienlage sei mässig, so Prof. Schiltenwolf, zudem sei von einem erheblichen Placeboeffekt auszugehen. Es wurde aber beobachtet, dass die Spritzen in ihrer symptomatischen Wirkung NSAR und Kortisoninjektionen zwar nicht kurzfristig, aber zumindest mittelfristig überlegen sind. Die Effekte könnten jedoch nicht allein auf die Substanz selbst zurückgeführt werden. Sie beruhen wahrscheinlich eher auf einer Stimulation der endogenen Hyaluronsäureproduktion.
Allerdings sollte auch die Wirkung dieser Viscosupplementierung nicht überschätzt werden, so der Experte. „Der Reibungskoeffizient gesunden Knorpels unterscheidet sich nämlich nicht wesentlich von dem geschädigter Gelenke. Auch nimmt der Gehalt von Lubricin viel stärker ab als der von Hyaluronsäure.“ Über die sogenannte Schmierung des Gelenks entscheide zudem das Zusammenspiel der beiden Substanzen mit einer dritten Komponente, den Phospholipiden.
Hinzu kommen weitere Risiken: Jede intraartikuläre Injektion kann zu einer Gelenkinfektion führen. Prof. Schiltenwolf erinnert deshalb an weniger invasive Alternativverfahren wie Muskeltraining, Gewichtsreduktion und Akupunktur.
Quelle: Schiltenwolf M. Arzneiverordnung in der Praxis 2017; 44: 183-185
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