Placebos müssen groß, knallig und teuer sein

Dr. Anja Braunwarth

Schön bunt müssen sie sein, dann klappt es mit dem erhofften Effekt der Besserung. Schön bunt müssen sie sein, dann klappt es mit dem erhofften Effekt der Besserung. © iStock/ShutterWorx

Da kann manches Verum in Phase II noch so gut wirken: In der Allergologie ist der Placeboeffekt oft so groß, dass es ein Studienmedikament nicht bis zum Patienten schafft.

Warum wirkt ein Placebo? Darüber wird bis heute heftig debattiert, berichtete Professor Dr. Bettina Wedi von der Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie der Medizinischen Hochschule Hannover. Klassische Konditionierung, induzierte Erwartungen, Endorphinfreisetzung und neurophysiologische Prozesse stehen in der Diskussion. Abgesehen davon trägt das Setting zum Phänomen bei. Ein vertrauenerweckender Arzt fördert das Ansprechen auf Placebo.

Die Beurteilung des Placeboeffekts ist gerade in allergologischen Studien dadurch erschwert, dass es praktisch keinen Arm mehr ohne jegliche Intervention gibt. So werden z.B. bei Ekzemen in der Kontrollgruppe Emollenzien oder Steroide eingesetzt, bei allergischer Rhinitis und Urtikaria Antihistaminika. Und genau dies kann Ursache dafür sein, dass es vielversprechende Medikamente nicht bis zum Patienten schaffen.

Placebos punkten bei subjektiven Symptomen

Beispiel Ustekinumab: In einer Phase-II-Studie zeigten Neurodermitiker ein klares klinisches und molekulares Ansprechen auf die Substanz – ein signifikanter Unterschied zur Vergleichsgruppe war jedoch nicht gegeben. Die Ursache dafür sahen die Autoren in einem höher als erwarteten Placeboeffekt, der am wahrscheinlichsten mit dem Einsatz topischer Steroide zu tun hatte.

Endpunkte mit subjektiven Symptomen wie Juckreiz oder Schlaflosigkeit machen es Scheinsubstanzen leichter. Eine Metaanalyse zeigte, dass Placebos einen Pruritus um 24 % lindern können. Eine ähnliche Auswertung ergab eine Besserung des totalen Symptomenscores um 15 % bei saisonaler und 25 % bei perennialer Rhinitis. Zum Vergleich: Topische Steroide schafften bei saisonalem Leiden 40 %, topische und systemische Antihistaminika 22 bzw. 24 %.

Parenteral wirken sie noch besser

Art und Form eines Placebos nehmen Einfluss auf das Ausmaß seines Effekts:
  • grelle Farben wirken besser
  • rot = stimulierend, blau = sedierend
  • größere Tabletten sind effektiver als kleinere
  • zwei Placebos erreichen mehr als eins
  • parenteral funktioniert besser als oral
  • lieber teurer als günstiger
  • Placebos mit einer Markenzeichnung überzeugen eher als No-Name-Produkte

Sogar beim Asthma können die Scheinarzneien punkten. Gegenüber Tralokinumab fand sich bei schlechter Kontrolle im Asthma Control Questionnaire 6 (ACQ-6) kein signifikanter Unterschied. Im Vergleich zu Mepolizumab war zwar die Exa­zerbationsrate unter dem Verum deutlich niedriger, FEV1 und ­ACQ-5 lagen aber gleichauf. Auch mit Dupilumab fiel das Ergebnis aus dem Fragebogen nicht besser aus. Und während die Dupilumab-Antikörper in dieser Studie nach 24 Wochen den Einsatz oraler Steroide um knapp 80 % reduzierten, sank er unter Placebo immerhin um 42 %. Man muss den Patienten übrigens nichts vorgaukeln, um mit wirkstofffreien Medikamenten einen Effekt zu erzielen. Auch die offene Placebogabe – der Patient weiß Bescheid und erfährt, dass es in der Regel eine Wirkung gibt – erzielt gute Erfolge. Das zeigte schon 2010 eine Studie an Reizdarmpatienten, in der diese Therapie signifikant besser abschnitt als gar keine Behandlung. Bei Patienten mit allergischer Rhinitis brachten „offene“ Placebos eine klare Linderung der Symptome, was mit dem Anstieg der Lebensqualität korrelierte. Ein Versuch lohnt übrigens auch bei Gesunden: 92 Probanden wurden in Abhängigkeit von Erwartungshaltung und Adhärenz durch ein Scheinmedikament schon nach fünf Tagen psychisch belastbarer, mentales Wohlbefinden und Schlafqualität stiegen, physische Symptome nahmen ab.

Quelle: Allergologie im Kloster

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Schön bunt müssen sie sein, dann klappt es mit dem erhofften Effekt der Besserung. Schön bunt müssen sie sein, dann klappt es mit dem erhofften Effekt der Besserung. © iStock/ShutterWorx