Ärzte setzen Schmerzmittel oft unkritisch ein
Analgetika stehen mit 47,8 Mio. Verordnungen auf Platz sieben in der Liste der umsatzstärksten Arzneimittelgruppen. Aber: „Bei den Analgetika sind unsere Verordnungsprofile nicht kompatibel mit internationalen Leitlinien“, mahnt Mit-Herausgeber Professor em. Dr. Ulrich Schwabe, Pharmakologisches Institut der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Er zeigt sich verwundert über den Trend zu neuen teuren Medikamenten, obwohl es gute Alternativen gibt. „Bei den stark wirkenden Opioidanalgetika hatte das klassische Morphin 1996 noch einen Verordnungsanteil von 60 %. Seitdem wurden immer mehr neue und teurere Opioidanalgetika verordnet.“
Rückkehr zum Goldstandard Morphin angemahnt
Morphin habe jetzt nur noch einen Anteil von 9 %, obwohl es in der aktuellen ESMO-Leitlinie (European Society of Medical Oncology) weiterhin als Opioid der ersten Wahl für schwere Tumorschmerzen empfohlen werde. Unsere Schmerztherapie sei deshalb nicht leitlinienkonform, „weil mit den neueren Opioiden die Kosten künstlich in die Höhe getrieben wurden“. Zurzeit lägen die Kosten bei 809 Mio. Euro jährlich in der gesetzlichen Krankenversicherung: „Mit der Rückkehr zum Goldstandard Morphin könnten wir 435 Millionen Euro einsparen.“
Als „noch schlimmer“ charakterisiert Prof. Schwabe die Lage bei den Nichtopioidanalgetika. In Deutschland werde fast nur noch Metamizol (94 %) verschrieben, dabei sei Metamizol wegen tödlicher Agranulozytosen in vielen Ländern verboten oder nie zugelassen. Und in Deutschland sei Metamizol wegen seiner Risiken 1986 rezeptpflichtig und die Indikationen stark eingeschränkt worden. „Danach sind die Metamizolverordnungen aber nicht zurückgegangen, sondern vierzehnfach angestiegen“, kritisiert der Experte. Die Arzneimittelkommission habe jahrelang auf die tödlichen Risiken hingewiesen. „Das Mindeste, was bei uns geschehen sollte, ist eine radikale Einschränkung der Indikation auf eine ausschließliche Anwendung im Krankenhaus, wo eine enge Überwachung gesichert ist“, fordert Prof. Schwabe.
Im Arzneiverordnungs-Report werden seit 35 Jahren die ärztlichen Verordnungen für gesetzlich krankenversicherte Patienten ausgewertet. Der Report gilt als Standardwerk für den deutschen Arzneimittelmarkt.
Pressekonferenz AkdÄ und WIdO