Hypertrophen Narben und Keloiden zu Leibe rücken

Dr. Anja Braunwarth

Nicht operieren: In 45–100 % der Keloid-Fälle droht ein Rezidiv. Nicht operieren: In 45–100 % der Keloid-Fälle droht ein Rezidiv. © istock/ Prompilove

Mancher trägt seine Narben mit Stolz, ein anderer traut sich mit ihnen kaum auf die Straße. Ein Allheilmittel, um sie loszuwerden, gibt es nicht, aber viele Ansätze für eine individuelle und Erfolg versprechende Therapie.

Eine Narbe ist an sich eine gutartige Veränderung. Doch sie kann Beschwerden wie Juckreiz oder Schmerzen verursachen oder funktionelle Beeinträchtigungen, z.B. Kontrakturen oder mechanische Irritationen. Nicht zuletzt schränkt der ästhetische Aspekt die Lebensqualität oft deutlich ein. Die DDG hat mit sieben weiteren Fachgesellschaften eine Leitlinie zur Therapie pathologischer (hypertropher) Narben und Keloide veröffentlicht.

Ein allgemeingültiges Behandlungskonzept gibt es nicht, erläutern die Autoren unter Leitung von Professor Dr. Alexander Nast, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Und es lässt sich auch mit allen beschriebenen Methoden nicht immer ein Erfolg erzielen. Die Therapie wird individuell an die Beschwerden angepasst. Bleibt der Erfolg nach 3–6 Anwendungen bzw. Monaten aus, sollte man die Maßnahmen modifizieren.

Für eine Besserung sprechen:

  • Volumenreduktion um 30–50 %,
  • Symptomrückgang > 50 % und/oder
  • ausreichende Zufriedenheit des Patienten.

Steroide

Steroide wirken antientzündlich und bremsen die Kollagen- und Glykosaminglykansynthese. Außerdem hemmen sie die Proliferation von Fibroblasten. Zur Narbentherapie eignet sich am ehesten Triamcinolon (10–40 mg, max. 5mg/cm²) mit oder ohne Lidocain. Die Injektion muss streng intraläsional erfolgen und kann bei Bedarf nach drei oder vier Wochen wiederholt werden.

Von einer topischen Anwendung raten die Leitlinienautoren ab. Zur Behandlung pathologischer Narben empfehlen sie die Kombination mit der Kryochirurgie, da diese Schmerzen reduziert und die Injektion durch kurzfristige Ödembildung erleichtert. Die Spritzen sind schmerzhaft und mit zu tiefen Injektionen riskiert man eine Atrophie der Subkutis. Bei zu oberflächlichem Ansatz kann es zu Teleangiektasien und Pigmentstörungen kommen. Der Beginn mit niedriger Dosis (10 mg/ml), gefolgt von einer langsamen Steigerung, senkt das Risiko von Nebenwirkungen und die Rezidivgefahr.

Die Therapie eignet sich am bes­ten für aktive, noch hellrote, evtl. juckende/schmerzende Narben. Auch vorbeugend (intraoperative Injektion in die Wundränder), z.B. bei Prädisponierten oder Risikopatienten, zeigt sie gute Wirkung.

Kryochirurgie

Im Rahmen der Kryochirurgie kommt es kältebedingt zu Alteration, Thrombosierung und schließlich ischämischem Zelltod. Es stehen Spray-und Kontaktverfahren sowie die intraläsionale Variante zur Verfügung. Von der intensiven Kryochirurgie, bei der das Gewebe komplett durchfriert, wird die o.g. „kurze“ unterschieden, die man vor Injektionen einsetzt.

Keloide kalt erwischt

Intraläsional wird die Kryochirurgie bisher selten eingesetzt. Sie ist zeit- und kostenaufwendig, da die erforderliche, teure Doppelhohlnadel nur zur Einmalverwendung gedacht ist. Je nach Größe einer Läsion braucht man aber pro Sitzung mehrere Nadeln und eine einzelne Anwendung genügt oft nicht. Unter lokaler Betäubung wird Stickstoff über die Nadel durch das Keloid geleitet. Der gesamte Wulst erfriert mit einem Halo von 3–5 mm. Zurückgebildet hat sich das Ganze etwa nach 4–6 Monaten. Die Patienten müssen wissen, dass sich eine Blase bildet und später eine nässende Wunde entstehen kann, die eventuell antiseptisch behandelt werden muss. Bei Menschen mit dunkleren Hauttypen können außerdem Hypo- und Hyperpigmentierungen zurückbleiben. Die Anschlussbehandlung sollte erst stattfinden, wenn der vorher gesetzte Defekt abgeheilt ist.

Als häufige Nebenwirkung nennt die Leitlinie eine reversible Depigmentierung, da Melanozyten die Kälte nicht vertragen. Außerdem dauert die Abheilung der gesetzten Läsionen etwa vier Wochen. Die Therapie eignet sich besonders bei aktiven Keloiden, zur Prophylaxe wird sie dagegen nicht empfohlen. Eine einmalige Anwendung reicht in der Regel nicht, die Wiederholung kann in vier- bis sechswöchigen Abständen stattfinden.

Druckbehandlung

Topischer Druck senkt die kapillare Perfusion und beschleunigt die Kollagenreifung. Durch diese Mechanismen flacht die Narbe ab. Die Autoren empfehlen eine Kompression vor allem für großflächige hypertrophe Narben, z.B. nach hitzethermischen Verletzungen. Meistens wird elastisches Gewebe verwendet, z.B. in Form von Bandagen oder Anzügen. Die Therapie sollte früh starten, d.h., sobald sich neues Epithelgewebe gebildet hat, bei bekannter Neigung zu pathologischen Narben lohnt die Methode sich auch vorbeugend. Die Patienten müssen die Produkte rund um die Uhr über 6–24 Monate belassen. In diesem Zeitraum reduziert man den Druck allmählich. Hitze, Schwitzen, Schwellungen, Ekzeme, Erosionen und Ulzerationen können den Betroffenen das Durchhalten allerdings erschweren.

Chirurgische Optionen

Pathologische Narben lassen sich leider nicht so einfach wegschneiden. Gerade bei Keloiden drohen hinterher zu 45–100 % Rezidive, die die ursprüngliche Läsion an Größe teilweise übertreffen. Eine alleinige operative Therapie eignet sich daher in diesen Fällen nicht, es sei denn, die Alternativen bleiben ohne Wirkung, dann muss das Keloid allerdings vollständig entfernt werden. Narbenkontrakturen an Gelenken oder mobilen Regionen, die die Funktion einschränken sowie kosmetisch entstellende Narben bedürfen in jedem Fall einer zeitnahen OP.
Hypertrophe Narbe oder Keloid?
hypertrophe Narbe
Keloid
Inzidenz
häufigselten, nimmt mit vermehrter Hautpigmentierung zu; es besteht aber eine genetische Prädisposition
Entstehung und Ausdehnung
posttraumatisch, bleibt auf das verletzte Areal beschränktposttraumatisch, oft nach nicht wahrgenommenen Mikrotraumata (Insektenstich, Kratzexkoriation, Follikulitis), wächst über die ursprüngliche Verletzungsfläche hinaus
Zeitpunkt des Auftretens
< 6 Monate nach der Verletzung> 6 Monate nach der Verletzung
Rückbildung
oftnein
Lokalisation
gesamtes Integumentgesamtes Integument, gehäuft an Ohrläppchen, Nacken, Sternum
Histologie
  • α-Actin-positive Myofibroblasten
  • wellenförmige Kollagenfasern, parallel zur Epidermis liegend
  • reduzierte Apoptose
  • vermehrte Gefäßbildung
  • dicke Kollagenfasern, teilweise parallel zur Epidermis liegend, teilweise knotig angeordnet
  • Hyalinisierung: im Zentrum zellarm
Chirurgen können bereits im Vorfeld z.B. atraumatische und zugentlastende mehrschichtige Nahttechniken einsetzen und so die Narbenbildung positiv beeinflussen. Zickzack- oder Lappenplas­tiken reduzieren die Spannung bei gelenkübergreifenden Inzisionen und Exzisionen, ggf. muss auf ein Transplantat ausgewichen werden. Postoperativ empfiehlt sich eine längere mechanische Zugentlastung der Wunde, z.B. durch Klammerpflaster, Kompression oder Silikonplatten.

Laser

Mit dem ablativen Laser lassen sich Juckreiz, Rötung, Festigkeit, Pigmentierung und Dicke von Narben güns­tig beeinflussen. Liegen Kontrakturen vor, gelingt es, die Funktion zu bessern. Zu den Nebenwirkungen gehören „Bronzing“ und bei hohen Energien: Erosionen, Nässen, Krus­tenbildung, hartnäckige Erytheme sowie Pigmentstörungen. Außerdem besteht die Gefahr von viralen oder bakteriellen Superinfektionen. Die Therapie eignet sich – am besten direkt nach Fadenzug – für hypertrophe Narben, v.a. nach Verbrennung/Verbrühung, und evtl. für flache inaktive Keloide. Man kann sie ggf. mit einem „laser-assisted drug delivery“ kombinieren, falls eine Applikation von Wirkstoffen geplant ist. Farbstoff- und Neodym-YAG-Laser zählen zu den nicht-ablativen Laserverfahren. Der Farbstofflaser (585 nm) mindert bei frischen, stärker vaskularisierten pathologischen Narben Erytheme. Bei dickeren Keloiden und dunkleren Hauttypen schafft das der Neodym-YAG-Laser (1064 nm) besser, weil er tiefer eindringt. An unerwünschten Wirkungen muss man mit Purpura rechnen, die bis zu 14 Tage bleiben. Je nach Energiedichte können auch Bläschen oder Krusten entstehen, sowie lang anhaltende Hyperpigmentierungen.

Mikroneedling

Beim Mikroneedling stößt man via Stempel oder Rolle viele kleine Nadeln in die Haut (Cave: Infektionen oder allergische bzw. irritative Dermatitis). Die winzigen Verletzungen setzen eine Wundheilungskaskade mit nachfolgendem Remodeling in Gang. Die Methode kann alleine oder als Hilfsmittel zur Applikation von Substanzen Erfolge bei hypertrophen Narben v.a. nach hitzethermischen Verletzungen erzielen. Für Keloide ist sie nicht geeignet.

Strahlentherapie

Strahlen werden vor allem adjuvant – am besten innerhalb von 7 h nach dem Eingriff – eingesetzt und dann bevorzugt als High-Dose-Rate-Brachytherapie. Als wesentliche Indikation gibt die Leitlinie die Rezidivprophylaxe nach Keloidexzisionen an.

Silikone

Silikone gibt es in Form von Platten, Gelen, Kissen, Auflagen und Folien. Die Patienten sollen sie nach dem Wundschluss 12–24 h pro Tag über 12–24 Wochen anwenden. Die Materialien beeinflussen Dicke und Farbe der Narben positiv und dienen vornehmlich der Zusatztherapie bei aktiven hypertrophen Narben.

Zwiebelextrakt

Den Pflanzenextrakt (meist in Form von Kombinationspräparaten) massieren die Patienten – ebenfalls als Zusatztherapie – mehrmals täglich leicht ins Gewebe hypertropher Narben bzw. zur Prophylaxe direkt nach Fadenzug ein. Er wirkt entzündungshemmend, bakterizid und auf Fibroblasten antiproliferativ.

5-Fluoruracil

5-Fluoruracil hemmt die Proliferation der Fibroblasten und kommt off label für therapieresistente pathologische Narben in Betracht. Wie beim Triamcinolon erfolgt die Therapie im vierwöchigen Abstand streng intraläsional. Eine Kombination mit dem Steroid scheint die Erfolge zu steigern und der jeweiligen Monotherapie überlegen.

Weitere Ansätze

Von Imiquimod raten die Autoren der Leitlinie ab. Zu Kalziumkanalblockern, Hyaluronidase und Plasmainjektionen können sie anhand der vorliegenden Daten keine Empfehlung aussprechen.

Quelle: S2k-Leitlinie Therapie pathologischer Narben (hypertrophe Narben und Keloide), AWMF-Register-Nr. 013-030, www.awmf.org

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Nicht operieren: In 45–100 % der Keloid-Fälle droht ein Rezidiv. Nicht operieren: In 45–100 % der Keloid-Fälle droht ein Rezidiv. © istock/ Prompilove