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IL-Inhibitoren, NSAR Co. auf dem Prüfstand

Ganze 128 Arbeiten zog das Team um Dr. Sara Bindoli von der Universität Padua heran, um Effektivität und Sicherheit verschiedener Pharmakotherapien zu prüfen. Die Studien liefen zur systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis (sJIA) und zum adulten Morbus Still (Adult-onset Still’s Disease, AoSD), weshalb in diesem Beitrag noch die alte Nomenklatur verwendet wird. Im Einzelnen kam das Team zu folgenden Ergebnissen:
NSAR
Studien, in denen speziell die Effekte der bei sJIA und AoSD häufig verordneten NSAR geprüft worden waren, lagen nicht vor. Die verfügbaren Daten zeigen aber, dass NSAR bei Erwachsenen in der Regel nicht zur Remission des M. Still führen und die meisten Betroffenen über Nebenwirkungen berichten.
Glukokortikoide
Glukokortikoide (GC) sind bei der Behandlung des Morbus Still wirksam, aber mit den bekannten Nebenwirkungen behaftet. In einer randomisierten Studie mit sJIA-Betroffenen nahmen Fieber und Gelenkschmerzen sowohl bei oraler Gabe von Prednisolon als auch unter einer i.v.-Pulstherapie mit Methylprednisolon (gefolgt von oralem Prednisolon) nach sechs und zwölf Monaten ab. In einer anderen Studie unter Pulstherapie verbesserten sich bei 55 % der 18 Teilnehmenden die Symptome, drei erreichten eine vollständige Remission. Nebenwirkungen wurden bei fünf Betroffenen beobachtet (Akne, Hirsutismus, Striae rubrae, Übergewicht), zwei erlitten eine avaskuläre Nekrose der Hüfte. In einer Studie mit Erwachsenen erreichten 64,7 % unter einem hoch dosierten Regime und 22,8 % unter einem niedrig dosierten eine vollständige Krankheitskontrolle.
Colchicin
In einer kleineren Untersuchung führte Colchicin, zusammen mit NSAR und GC, bei 13 von 20 Erwachsenen mit Perikarditis zu einer klinisch inaktiven Erkrankung (CID). Die Therapie verbesserte neben der Serositis des Herzbeutels auch Gelenkmanifestationen. Das Sicherheitsprofil war unauffällig.
I.v.-Immunglobuline
In einer placebokontrollierten Studie besserten Ig-Gaben über sechs Monate die Arthritis und die Physician’s Global Assessments (PhGA) bei 50 % der Betroffenen. In Langzeitbeobachtungen kam es bei 16 % von 25 sJIA-Erkrankten und bei 17 % von 23 AoSD-Betroffenen zu einer kontrollierten Erkrankung. An unerwünschten Wirkungen traten u. a. septische Meningitis, Glomerulonephritis und nekrotisierende Vaskulitis auf.
Methotrexat
Methotrexat zeigte widersprüchliche Ergebnisse – womöglich aufgrund der großen Bandbreite der verwendeten Dosierungen (2,5 bis 20 mg/Woche). Gegenüber Placebo besserten sich PhGA und Patient’s Global Assessments, aber nicht der JIA-ACR30. Die Nebenwirkungen umfassten einen Transaminasenanstieg und gastrointestinale Beschwerden.
Ciclosporin
In einer Langzeitbeobachtungsstudie erreichten 87 % derjenigen, die auf GC nicht oder nicht ausreichend ansprachen, nach zwei Monaten Ciclosporin eine vollständige Krankheitskontrolle (CID). Oft wurde Ciclosporin auch mit anderen csDMARD kombiniert. Als unerwünschte Wirkung kam es zu Hirsutismus und vorübergehendem Blutdruckanstieg.
Anakinra
Der 2018 für den Morbus Still zugelassene Interleukin(IL)-1-Rezeptorantagonist wurde in zwei randomisierten Studien, zwei systemischen Reviews und über 20 Beobachtungsarbeiten evaluiert. Bei Erwachsenen lagen in einer gepoolten Analyse die CID-Raten zwischen 57 % und 84 %. In einer Untersuchung erreichten unter Anakinra 42 % der sJIA-Betroffenen eine ACR70, unter Placebo waren es 0 %. Verschiedene Langzeitstudien belegen die Effektivität von Anakinra bei sJIA und AoSD, mit CID-Raten von 50 % bis 100 %. Unerwünschte Wirkungen waren Reaktionen an der Injektionsstelle, Infektionen und selten ein Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS, Inzidenzrate 2,2 pro 100 Patientenjahre).
Canakinumab
Der Anti-IL-1b-Antikörper ist seit 2013 für die sJIA zugelassen, seit 2020 auch für die AoSD. Mehrere longitudinale Studien haben seine Wirksamkeit und Sicherheit bei sJIA bestätigt. Insgesamt zeigten die meisten Studien CID-Raten im Bereich von 40 % bis 94 %. In einer gepoolten Analyse wurde in 69 % von 99 AoSD-Erkrankten eine CID erreicht. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählten neben Reaktionen an der Einstichstelle Infektionen, gastrointestinale Störungen und Zytopenien. Ein MAS trat mit einer Inzidenzrate von 2,8/100 Patientenjahre auf.
Tocilizumab
Mit dem IL-6-Inhibitor Tocilizumab wurden in Longitudinalstudien sowohl bei sJIA als auch bei der AoSD CID-Raten von 35 % bis 100 % gezeigt. In der Verlängerung einer Absetzstudie zu sJIA erreichten 90 % der Betroffenen eine JIA-ACR70-Response. In einer Metaanalyse (sJIA und AOSD) war die Wahrscheinlichkeit für eine ACR50 unter Tocilizumab achtmal höher als unter Placebo (Odds-Ratio 8,08).
TNF-Blocker
In AoSD-Studien erzielten TNF-Blocker CID-Raten von 6 % bis 47 %, in Longitudinalstudien bei sJIA 6 % bis 31 %. Unerwünschte Wirkungen waren u. a. Infektionen, MAS und Uveitis. Eine gepoolte Analyse schätzte die CID-Raten in Longitudinalstudien auf 59 % für IL-1-Inhibitoren, 55 % für IL-6-Rezeptorantagonisten und 26 % für TNF-Blocker.
JAK-Inhibitoren
In einer Metaanalyse verschiedener Studien, in denen JAK-I zusammen mit GC und NSAR angewendet wurden, fand sich eine CID-Rate von 42 %. Von vier sJIA-Kindern erreichten zwei eine CID, zwei eine partielle Response. Als Nebenwirkungen traten häufig Pneumonien auf.
Thalidomid
Thalidomid führte in einer Studie bei 11 von 13 sJIA-Kindern zur anhaltenden Response, in einer anderen mit 22 Kindern in jeweils 73 % der Fälle zu Fieberfreiheit oder zu einer Verbesserung der Arthritis. Problem der Substanz bleibt das bekannte Nebenwirkungsprofil.
Behandlung des MAS: Glukokortikoide, IL-1- und Interferon-g-Inhibitoren
Beim Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS) sind hoch dosierte Glukokortikoide (GC) die Basis der Behandlung. Allerdings gibt es keine Studien, in denen sie ausschließlich angewendet werden. Unter GC und Ciclosporin erzielten z. B. sechs von neun Betroffenen mit MAS eine komplette und drei eine partielle Response. Auf GC und Etoposid sprachen fünf von fünf Betroffenen vollständig an. Hocheffektiv ist der IL-1-Rezeptorantagonist Anakinra: Damit wurde in einer Arbeit in 73 % der Fälle eine komplette Response erzielt, in 21 % eine partielle und in 5 % keine. Wie viele der Patientinnen und Patienten gleichzeitig Ciclosporin bekommen hatten, war unklar.
Canakinumab plus hoch dosierte GC war bei sieben von acht Erkrankten erfolgreich, in einem Fall wurde eine partielle Response erreicht. In 13 MAS-Fällen, die auf hoch dosierte GC nicht ansprachen, konnte mit der ergänzenden Gabe des Interferon-g-Inhibitors Emapalumab eine komplette Response erzielt werden. Aufgrund dieser Ergebnisse empfiehlt das Autorenteam beim MAS hoch dosierte GC plus IL-1-Inhibitoren oder Interferon-g-Inhibitoren.
Zusammengefasst zeigen IL-1-Inhibitoren und IL-6-Rezeptorantagonisten in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit das höchste Evidenzniveau bei der Behandlung des M. Still, schreibt das Team. Real-World-Daten liefern darüber hinaus die Grundlage für einen frühen Einsatz der Biologika. In einer gepoolten Analyse mit mehr als 200 Betroffenen führte der frühe Behandlungsbeginn zu hohen Ansprechraten, verbunden mit einem raschen Ausschleichen von GC in den meisten Fällen.
Quelle: Bindoli S et al. Ann Rheum Dis 2024; 0:1–17; DOI: 10.1136/ard-2024-225854
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