Individuelle Impfentscheidung: „Ihr erzeugt Probleme, die schon gelöst waren“

Michael Brendler

Man sollte Kinder nicht unnötig durch Einzelimpfungen belasten. Man sollte Kinder nicht unnötig durch Einzelimpfungen belasten. © fotolia/sonar512

Noch immer lassen die Impfquoten bei Kindern in Deutschland zu wünschen übrig. Daran sind nicht nur Eltern schuld, kritisiert ein Pädiater. Sondern auch Kollegen. Denn manche individualisieren die Immunsierung statt auf Mehrfachimpfungen zurückzugreifen oder raten sogar gänzlich davon ab. Und schaden damit den Kindern.

Für so ein Verhalten fehlt es dem Experten an Verständnis: Aus Unkenntnis der Schwere der Krankheit und der Wirkung der Vakzinierung für die Gesamtbevölkerung, beklagt Professor Wolfgang Rascher, Direktor der Kinderklinik des Universitätsklinikums Erlangen, plädierten leider einige Kollegen für sogenannte individuelle Impfentscheidungen oder gar einen Verzicht. „Damit generieren sie Probleme, die unser Gesundheitssystem im Prinzip gelöst hat“, und belegten ihre fehlende Wissenschaftlichkeit und Ehrlichkeit.

Harte Worte, für die sich das Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft allerdings höchstrichterlich legitimiert sieht. Immerhin hat sogar der Bundesgerichtshof in diesem Jahr entschieden, dass die Standardimpfungen eine „Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind“ sind. Zudem seien Wirksamkeit und Verträglichkeit der Impfungen in klinischen Studien sehr gut untersucht und die Sicherheit werde ebenfalls vorbildlich überwacht.

Impfungen retten jedes Jahr zwei bis drei Millionen Leben

Für Letzteres gibt es laut dem Autor gewichtige Argumente: Immerhin müssen alle Ärzte nach dem Infektionsschutzgesetz Impfkomplikationen melden. 3919 Verdachtsfälle gingen 2015 beim Paul-Ehrlich-Institut ein. Nur bei einem Drittel der schwerwiegenden Komplikationen konnte ein kausaler Zusammenhang mit der Vakzinierung nachgewiesen werden, nicht jedoch bei den 18 gemeldeten Todesfällen. Als Impfschäden anerkannt wurden letztendlich 18 extrem seltene Ereignisse wie Abszesse, Narkolepsie und Invagination.

Demgegenüber steht, dass erheblich mehr Leben gerettet werden – weltweit sind es zwei bis drei Millionen pro Jahr. Das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis spricht laut dem Pädiater eindeutig für eine Immunisierung. Doch „umso seltener Krankheiten werden, desto geringer ist das Bewusstsein für deren Gefährlichkeit und für die Notwendigkeit der Bekämpfung“, warnt der Kollege.

Auch das Argument, die Verabreichung der Mehrfachimpfstoffe sei für das unreife kindliche Immunsystem zu belastend, kann Prof. Rascher nicht nachvollziehen: „Dafür gibt es keine wissenschaftlich begründete Basis“.

Verzicht nur bei schweren Krankheiten vertretbar

Erst durch den Kontakt mit solchen Fremdstoffen entwickelt sich bekanntermaßen das Abwehrsystem. Beliebig sowie unnötig belastend und damit unethisch sei es, die acht bis neun Kombinationsvakzinen aufzuteilen und das Kind mit bis zu zwanzig Einzelspritzen zu traktieren oder manche Impfstoffe ganz wegzulassen. Die Immunisierung würde auch nicht verträglicher, wenn sie erst ab dem Laufalter empfohlen werde. Nur ist das Kind später geschützt. Ob der Staat Eltern in die Pflicht nehmen sollte, lässt Prof. Rascher offen. Für den Experten steht fest: Die in Deutschland empfohlenen Impfungen von Kindern sind eine „segensreiche Präventionsmaßnahme“, sodass es nur einen einzigen vernünftigen Grund gibt, auf sie zu verzichten: Wenn der Nachwuchs schwerwiegende Krankheiten oder Immundefekte hat.

Quelle: Rascher W. Arzneiverordnung in der Praxis 2017; 44: 186-190

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