
Die Biennale von St. Gallen

Der SGBCC-Konsensus basiert auf den Abstimmungsvoten eines international zusammengesetzten Expert:innen-Panels unterschiedlicher Fachdisziplinen. Das diesjährige Gremium bestand aus 71 Brustkrebsexpert:innen aus 27 Ländern, darunter mit Prof. Dr. Sara Brucker, Universität Tübingen, Prof. Dr. Carsten Denkert Universitätsklinikum Marburg, Prof. Dr. Nadia Harbeck, LMU Klinikum München, Prof. Dr. Jörg Heil, Brustzentrum Heidelberg, und Prof. Dr. Sibylle Loibl, German Breast Group, Neu-Isenburg, fünf Vertreter:innen aus Deutschland.
Votum für die hypofraktionierte Radiatio
Das SGBCC-Panel bestätigte die moderat hypofraktionierte Bestrahlung als Standardverfahren: Sowohl für brusterhaltend operierte Patient:innen mit duktalem Carcinoma in situ (DCIS) und niedrigem Risiko als auch für die adjuvante Radiatio von Patient:innen mit einem frühen invasiven Mammakarzinom gab es ein klares Votum zugunsten der moderat hypofraktionierten Bestrahlung (15–16 Fraktionen über drei Wochen) gegenüber der konventionellen Fraktionierung. Die ultra-hypofraktionierte Bestrahlung mit fünf Fraktionen in einer Woche konnte sich nicht durchsetzen.
Eine Indikation zur Boost-Bestrahlung auf das primäre Tumorbett eines frühen invasiven Mammakarzinoms besteht, wenn prognostisch ungünstige Faktoren vorliegen, z.B. ein G3-Tumor, ein ausgedehnter intraduktaler Anteil oder ein prognostisch ungünstiger Subtyp wie das triple-negative oder HER2+ Mammakarzinom sowie bei jungen Patient:innen (< 50 Jahre). Keine Einigung erzielte das Gremium, ob nach brusterhaltender Operation und pathologischer Komplettremission (pCR) nach neoadjuvanter Systemtherapie (NAST) auf die Boost-Bestrahlung verzichtet werden kann.
Ist die Axilla nach NAST nicht tumorfrei, stellt sich u.a. die Frage, wie die Patient:innen lokoregional weiterbehandelt werden. Bei Personen mit TNBC und Tumorrest in der Axilla (Makrometastase in 1/3 Sentinel-Lymphknoten [SLN]) nach anthrazyklin-/taxanbasierter NAST empfiehlt eine einfache Mehrheit der Panelmitglieder eine komplettierende axilläre Lymphknoten-Dissektion (ALND), was der Empfehlung der AGO Mamma entspricht.
Die medikamentösen Möglichkeiten haben sich beim frühen Mammakarzinom mit der Immuntherapie, den PARP-Inhibitoren und den CDK4/6-Inhibitoren deutlich erweitert. Das SGBCC-Panel bestätigt mit klarem Mehrheitsvotum, dass sich beim ER+/HER2- frühen Mammakarzinom die Entscheidung, Patient:innen adjuvant zusätzlich zur endokrinen Therapie mit Abemaciclib zu behandeln, zulassungskonform am Tumorstadium und der Histologie orientieren sollte und nicht an der Ki67-Expression.
Die Therapie der Wahl beim hormonsensitiven frühen invasiven Brustkrebs ist die endokrine Therapie. Bei hohem Rückfallrisiko kann jedoch eine zusätzliche Chemotherapie-Indikation bestehen. Fraglich ist der Chemotherapie-Nutzen bei Betroffenen mit bis zu drei befallenen Lymphknoten und genomisch intermediärem Risiko. Das Gremium empfiehlt präoperativ eine kurze endokrine Therapie über 2–4 Wochen, um das endokrine Ansprechen anhand des Ki67-Abfalls (sog. dynamisches Ki67) zu prüfen und jene Personen zu identifizieren, die auf eine endokrine Therapie adäquat ansprechen und keine zusätzliche Chemo benötigen. Über 60 % der Panelmitglieder sprechen sich dafür aus, das endokrine Ansprechen als zusätzliche Information zu nutzen.
Über Jahre wurde der neoadjuvante Einsatz von Carboplatin beim frühen TNBC diskutiert. Mittlerweile ist Carboplatin in Kombination mit Taxanen und Anthrazyklinen – unabhängig vom zusätzlichen Einsatz des Checkpoint-Inhibitors Pembrolizumab – integraler Bestandteil der neoadjuvanten Chemotherapie (NACT) beim frühen TNBC. Das SGBCC-Panel bestätigt dies jeweils mit einem klaren Mehrheitsvotum. Das Gremium weist zudem darauf hin, dass die Indikation einer platinbasierten Chemotherapie beim frühen TNBC unabhängig vom Nachweis einer Keimbahn-BRCA1/2-Mutation ist.
Intensiv diskutiert wurde, ob das AC-Regime (Doxorubicin/Cyclophosphamid), das in der Pembrolizumab-Zulassungsstudie Keynote(KN)-522 dreiwöchentlich gegeben wurde, auch dosisdicht (alle zwei Wochen) eingesetzt werden kann. Knapp 40 % der Panelmitglieder sind aufgrund der fehlenden Daten unsicher. Knapp 30 % sprechen sich dafür aus. Bezüglich der adjuvanten Weiterbehandlung mit Pembrolizumab empfehlen sie dagegen mehrheitlich auch bei Patient:innen mit pCR nicht auf die adjuvante Weiterbehandlung mit Pembrolizumab zu verzichten.
Kombination aus PARP- und PD1-Hemmer als Option
Mit der PARP-Inhibition steht eine weitere wichtige Therapieoption beim frühen invasiven Mammakarzinom und Nachweis einer gBRCA1/2-Mutation zur Verfügung. Weist eine gBRCA1-mutierte Patientin mit frühem TNBC, die neoadjuvant mit Pembrolizumab und Chemotherapie behandelt wurde (entsprechend der KN-522-Studie) postoperativ noch einen Tumorrest auf (non-pCR), ist laut SGBCC-Panel die postneoadjuvante Weiterbehandlung mit Pembrolizumab und Olaparib eine Option. Obwohl es bislang keine Wirksamkeitsdaten für die Gabe beider Substanzen gibt, befürworten die Panelmitglieder dies mehrheitlich aufgrund des hohen Risikos: Zudem zeigen Sicherheitsdaten, dass die kombinierte Gabe unter Sicherheitsaspekten möglich ist. Knapp ein Viertel der Expert:innen würde beide Substanzen in Sequenz geben.
Analog dazu empfiehlt eine einfache Mehrheit bei einer gBRCA2-mutierten Patientin mit einem ER+/HER2- invasiven Mammakarzinom im Stadium III – ebenfalls einer Hochrisiko-Situation – nach (neo)adjuvanter dosisdichter Chemotherapie (z.B. AC/Paclitaxel) adjuvant zusätzlich zur endokrinen Standardtherapie Olaparib und Abemaciclib in Sequenz zu geben. Knapp 38 % würden zusätzlich zur endokrinen Therapie nur Olaparib einsetzen.
Quelle:
18th St. Gallen International Breast Cancer Conference
Welche Erwartungen haben Patient:innen an die Kommunikation mit ihrem Arzt bzw. ihrer Ärztin?
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Einen von drei Best-Poster-Awards gab es für Prof. Dr. Christian Jackisch, Frauenklinik und Brustzentrum am Sana Klinikum Offenbach, dem Erstautor einer Posterpräsentation (P262) zu der Frage, welche Erwartungen Patient:innen mit frühem Mammakarzinom an die Arzt-Patienten-Kommunikation haben. Im Rahmen einer internationalen Analyse aus Deutschland, Italien und Japan wurden insgesamt 451 Patient:innen, darunter 151 Personen aus Deutschland, zu 13 Statements befragt, welche die Teilnehmenden im Rahmen eines Best-Worst-Rankings priorisierten.
Was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der oben beschriebenen Untersuchung?
Prof. Jackisch: Die Patient:innen wünschen eine an das individuelle Risiko angepasste, individuelle Behandlung und ein Mitspracherecht bei der Therapieentscheidung. Sie wollen die Gründe für die Therapieentscheidung nachvollziehen können. Wenn es notwendig ist, nehmen sie dann auch eine aggressivere Behandlung in Kauf. Die Befragung zeigt aber auch sehr klar, dass unnötige Therapien abgelehnt werden.
Was bedeuten die Ergebnisse für den klinischen Alltag?
Prof. Jackisch: Wir müssen unsere Patient:innen vollumfänglich informieren und sie nicht nur bei der Therapieentscheidung selbst, sondern bereits auf dem Weg dorthin einbinden und mitnehmen. So können sie ihr individuelles Risiko nachvollziehen, Therapieoptionen bewerten und die Behandlungsentscheidung im Sinne einer partizipatorischen Entscheidungsfindung mitgestalten.
Werden Sie in ihrer Klinik im Umgang mit den Patient:innen etwas ändern?
Prof. Jackisch: Ich werde eine stufenweise Kommunikation einführen – sprich, das volle Ausmaß der Behandlungsentscheidung erst dann besprechen, wenn alle Daten vorliegen und wir das individuelle Rückfallrisiko kennen bzw. einordnen können. Das werden wir im Gespräch mit der Patientin bzw. dem Patienten von Anfang an so kommunizieren.
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