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Jedes dritte Delir lässt sich verhindern!
Synonyme wie Durchgangssyndrom oder hirnorganisches Psychosyndrom schaffen meist nur Verwirrung. Stattdessen sollte man von einem „nicht durch Alkohol und andere psychotrope Substanzen bedingten Delir“ sprechen, empfahl Professor Dr. Michael Hüll vom Zentrum für Geriatrie und Gerontologie des Universitätsklinikums Freiburg.
Das unspezifische hirnorganische Syndrom ist vor allem durch Störungen von Bewusstsein und Aufmerksamkeit gekennzeichnet – zusätzlich können Wahrnehmung, Denken, Gedächtnis, Psychomotorik, Emotionalität und der Schlaf-Wach-Rhythmus gestört sein.
30 bis 60 % der Delir-Fälle werden nicht erkannt
Patienten mit Delir gehören auf chirurgischen, aber auch auf internistischen Stationen zum klinischen Alltag. Die Dunkelziffer ist hoch: Man geht davon aus, dass 30 bis 60 % der Delire nicht erkannt werden. Dies gilt vor allem, wenn psychiatrische Vorerkrankungen bestehen. Auch bei Patienten, die zu Hause leben, sollte man immer an die Möglichkeit eines Delirs denken, erklärte Prof. Hüll.
Was macht das Delir so gefährlich? Insbesondere wenn zuvor bereits kognitive Einbußen bestanden, nimmt der geistige Abbau nach einem Delir richtig Fahrt auf und treibt die Patienten schneller in die Demenz. Auch bei nicht dementen Hochbetagten (> 85 Jahre) beschleunigt ein Delir das Nachlassen der Geisteskraft. Und wenn ein Delir während der stationären Behandlung auftritt, verlängert sich der Krankenhausaufenthalt – mit allen damit verbundenen Risiken, nicht zuletzt auch dem Kostenanstieg.
Bei Ursachensuche ist Zurückhaltung fehl am Platz
Für die Ursachen gilt: Ein Delir hat viele Väter. Deshalb sollte man sich bemühen, alle Teilursachen zu bestimmen und wenn möglich zu eliminieren, betonte Prof. Hüll. Dazu gehören hypoxisch-metabolische Veränderungen, z.B. bedingt durch Blutdruckabfall, Glukoseverschiebungen, Herzstillstand/Reanimation und Elektrolytverschiebungen, ebenso wie toxische Effekte von Medikamenten.
Auch eine systemische Inflammation mit steigenden Zytokinspiegeln im Gehirn kann eine Rolle spielen. All dies führt gemeinsam zu einem Neurotransmitter-Ungleichgewicht mit Unterbrechung der synaptischen Kommunikation und damit zum Delir. Die wichtigsten Risikofaktoren sind höheres Alter und bereits bestehende kognitive Störungen. Bei der Ursachensuche ist Zurückhaltung fehl am Platz. Zum Minimalprogramm gehören:
Medizinische Untersuchungen
• Puls, Blutdruck, Temperatur – zum Ausschluss von Infekt, Intoxikation und Entzug
• Auskultation (Pneumonieausschluss, ggf. Röntgenthorax)
• Neurologische Befunde
• Ausschluss von Schmerzen (Verletzung, Perforation), neu aufgetretenen fokalen Symptomen (CT), Meningismus (Lumbalpunktion) oder stereotypen Bewegungsautomatismen (EEG)
Laboruntersuchungen
• Hb, Blutbild, Elektrolyte, Leber- und Nierenwerte, Glukose (Ausschluss Infekt, Hyponatriämie, Leber-/Nierenversagen, Anämie)
• Urindiagnostik (Ausschluss Harnwegsinfekt)
Sind alle beeinflussbaren Ursachen beseitigt, bleibt noch die symptomatische Therapie. Die besten Daten gibt es für eine niedrig dosierte Haloperidol-Therapie (z.B. 0,1–0,5 mg per os alle 4 Stunden). Alternativ können atypische Neuroleptika wie Risperidon, Olanzapin oder Quetiapin angewandt werden – die Datenlage ist hier aber deutlich dünner. Lorazepam wird v.a. bei Hyperaktivität und Angst häufig eingesetzt. Keine Indikation besteht bei akutem Delir für Cholinesterasehemmer.
Anämie und Exsikkose rechtzeitig behandeln
Man kann im Krankenhaus vieles tun, um der Entwicklung eines Delirs vorzubeugen. Hierzu gehört zum Beispiel die rechtzeitige Behandlung von Anämie, Hypoglykämie und Exsikkose. Daneben helfen aber auch viele einzelne Allgemeinmaßnahmen dem Patienten, seine Orientierung zu behalten (s. Kasten). Mit all diesen Maßnahmen lassen sich wahrscheinlich bis zu 30 % aller Delire verhindern, sagte der Experte.
Quelle: Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, Berlin, 2013,
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