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Jenseits von Corona

Pertussis, Influenza, Pneumokokkenpneumonie, Zoster, COVID-19 – gegen diese Infektionskrankheiten sollten COPD-Patienten geimpft sein, so sehen es auch die Autoren des GOLD-Reports 2022 vor. In seinem Impf-Update beschränkte sich der in Meerbusch-Büderich niedergelassene Pneumologe Sebastian Böing jedoch auf die vier Routineimpfungen. Die fast täglich wachsenden Erkenntnisse zur Coronaimpfung würden jeweils aktuell in den Journals und über Rundmails weitergeleitet, meinte er.
Pertussisimpfung
Etwa 60 % der Infektionen mit Bordetella pertussis finden im Erwachsenenalter statt. Bei den Betroffnenen kommt es zum Teil zu einem hartnäckigen, manchmal therapieresistenten Husten, „der uns wirklich vor Probleme stellt“, sagte Sebastian Böing.
Die STIKO empfiehlt derzeit, nach erfolgter Immunisierung im Kindesalter Erwachsene erneut gegen Keuchhusten zu impfen. Ist die nächste Tetanus-Diphterie-Impfung fällig, erhalten sie einmalig eine Tdap-Kombinationsvakzine. Besteht die entsprechende Indikation, wird ein Tdap-IPV-Impfstoff gespritzt. „Ich identifiziere immer wieder in meiner Klientel Patienten, die seit 30 Jahren keine Auffrischung durch den Hausarzt erhalten haben“, berichtete der Kollege. Es sei daher absolut sinnvoll, den Impfstatus der eigenen Patienten zu prüfen. Gut laufe dagegen die Immunisierung von Schwangeren zu Beginn des 3. Trimenons durch die Gynäkologen, wie Sebatian Böing bei seinen Asthmapatientinnen beobachtet hat.
Wichtig: Ärzte und Praxispersonal sollten alle zehn Jahre eine Pertussis-Auffrischimpfung erhalten.
Herpes-zoster-Impfung
Die Immunisierung gegen Herpes zoster ist laut der STIKO bei Menschen ab dem Alter von 60 Jahren Standard. Darüber hinaus besteht die Indikation u.a. bei Patienten ≥ 50 Jahre mit Immundefizit, COPD oder Asthma bronchiale. Zwar sind aktuell zwei Impfstoffe zugelassen: ein attenuierter Lebendimpfstoff und ein adjuvantierter Subunit-Totimpfstoff. Als Standardimpfung sieht die STIKO aber nur Letzteren vor und präferiert ihn auch für die Indikationsimpfungen. Im Abstand von 2–6 Monaten verabreicht man zwei Impfstoffdosen.
Kein Anlass besteht, vor der Immunisierung die Windpockenanamnese bzw. den Serostatus zu klären, da die Durchseuchung mit dem Varicella-Zoster-Virus in der Bevölkerung bei weit über 90 % liegt, stellte der Kollege klar. Eine Ausnahme gibt es jedoch bei Patienten vor einer Lungentransplantation. Sind sie seronegativ getestet, sollten sie die Varizellenvakzine erhalten. Bei Seropositivität werden sie gegen Zoster geimpft.
Influenzaimpfung
Die Relevanz der Influenza ist angesichts von COVID-19 fast in Vergessenheit geraten. Der Pneumologe erinnerte jedoch an die Epidemie 2018, die in den Praxen für erhebliche Belastungen sorgte, fast das Gesundheitssystem lahmlegte und viele Menschen das Leben kostete.
Jährlich gegen Grippe geimpft werden sollen u.a. alle Menschen ab 60 Jahre sowie Chroniker, zu denen natürlich auch die Lungenkranken zählen. Sind diese über 60, bekommen sie eine inaktivierte quadrivalente Hochdosis-Vakzine, weil sich damit ein deutlich verbesserter Impfschutz erreichen lässt.
Pneumokokkenimpfung
Für Menschen über 60 ebenso wie für die meisten Patienten mit chronischen (Lungen-)Erkrankungen empfiehlt die STIKO seit vielen Jahren die Immunisierung mit der 23-valenten Polysaccharidvakzine (PPSV23). Daran änderte sich auch nichts, als 2011 der gut wirksame 13-valente Konjugatimpfstoff (PCV13) für Ältere und Risikopatienten zugelassen und international empfohlen wurde. Die STIKO befürchtete, dass es durch PCV13 zu einer erheblichen Verschiebung der Serotypenverteilung bei invasiven Pneumokokkenerkrankungen kommen werde, einige könnten verschwinden, andere Relevanz gewinnen.
Damit sei die PCV13-Impfung nicht mehr wirksam, so die Argumentation. Sie sorgte damals seitens der Pneumologen für sehr gut begründete Kritik, wie Sebastian Böing berichtete.
Der Blick in die USA zeigt allerdings, dass die Sorge der STIKO womöglich nicht ganz unbegründet war. Die hohe Effektivität des auch im Kindesalter eingesetzten 13-valenten Konjugatimpfstoffs führte dort tatsächlich zu einem Shift der für invasive Pneumokokkenerkrankungen verantwortlichen Serotypen hin zu den nicht in der Vakzine enthaltenen. Daher sprach sich das US-amerikanische Pendant der STIKO 2019 ebenfalls für die Impfung mit PPSV23 bei älteren Menschen und Chronikern aus.
Mittlerweile will man dort das PPSV-23-Impfschema aber wieder verlassen, und setzt auf die neuen Konjugatimpfstoffe. Immerhin wird mit dem 20-valenten PCV eine „Abdeckung“ von ca. 60 % der an invasiven Pneumokokkenerkrankungen beteiligten Serotypen erreicht. Stimmen die Centers for Disease Control zu, werden ältere Menschen und Risikogruppen künftig mit PCV20 oder PCV15 plus PPSV23 geimpft. Sebastian Böing: „Es bleibt zu hoffen, dass sich die STIKO von der guten Datenlage im Hinblick auf die ambulant erworbene Pneumonie überzeugen lässt und sich den Empfehlungen der CDC anschließen wird.“
Kongressbericht: 10. Kongress der Westdeutschen Gesellschaft für Pneumologie
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