Jung und unterversorgt

Dr. Elke Ruchalla

Durch Statine werden vermehrt LDL-Rezeptoren (lila) produziert. Durch Statine werden vermehrt LDL-Rezeptoren (lila) produziert. © Science Photo Library/Gaertner, Juan

Eigentlich benennen die Leitlinien klare Indikationen für eine lipidsenkende Therapie. Im Alltag jedoch nehmen weniger als die Hälfte der Hochrisikopatienten unter 40 Jahre ein Statin. Woran liegt das?

Bei Erwachsenen mit einer ausgeprägten LDL-Cholesterin-Erhöhung über 190 mg/dl gehört gemäß Leitlinie sofort ein Statin verordnet und bis zur maximal tolerablen Dosis ausgereizt, betont Professor Dr. Neil Stone von der Feinberg School of Medicine der Northwestern University in Chicago. Amerikanische Re­gisterstudien zeigen aber, dass gerade Jüngere die Behandlung trotz Indikation nicht erhalten. Ein möglicher Grund sind Sicherheitsbedenken der Therapie bei Frauen im gebärfähigen Alter. Dieses Argument lässt Prof. Stone nicht gelten: Ein Statin kann man bei Kinderwunsch einfach absetzen und nach Ende des Stillens genauso leicht wieder verordnen.

Männer erhalten ein Statin öfter als Frauen

Auch die Zahlen von Dr. Shauna Newton, Department of Medicine, Massachusetts General Hospital der Harvard Medical School in Bos­ton, und Kollegen sprechen für eine massive Untertherapie. Die Wissenschaftler werteten die Patientenakten von sieben Zentren und Praxen im Bereich von Boston aus den Jahren 2005 und 2018 aus. Insgesamt erfüllten fast 17.600 Patienten im Alter zwischen 20 und 39 Jahren die Einschlusskriterien eines erhöhten LDL-C-Wertes. Bei fast einem Drittel von ihnen betrug der LDL-Cholesterin-Wert 190 mg/dl und mehr. Sie wurden Kohorte 1 zugeteilt. Patienten mit moderater Hypercholesterin­ämie kamen in Kohorte 2. In diesen 12.513 Fällen lag das LDL zwischen 160 und 190 mg/dl.

Im Follow-up-Zeitraum von durchschnittlich knapp acht Jahren erreichten in Kohorte 1 nur 30 % die angestrebte Senkung des LDL um mindestens 50 %. Dabei waren Ältere erfolgreicher als Jüngere. In der Gruppe der 35- bis 39-Jährigen konnte jeder Dritte seinen Cholesterinwert halbieren, bei den 20- bis 24-Jährigen schaffte es nur jeder Vierte. Auch wenn 78 % der Therapierten damit den 50%-Zielwert erreichten, nicht einmal die Hälfte der Patienten hatte überhaupt einen Lipidsenker erhalten und wenn, waren es bevorzugt Männer (51,1 % vs. 43,7 % Frauen). 23 % der gesam­ten Kohorte blieben auf dem hohen LDL-Wert von ≥ 190 mg/dl. 

In Kohorte 2 verminderte gut ein Drittel das LDL um die für diese Gruppe angesetzten 30 % (4.515 Patienten), ein weiteres Drittel blieb auf dem ursprünglichen Wert. Aus dieser Kohorte erhielt aber nicht einmal jeder Fünfte eine spezifische Behandlung. Die Geschlechtsbevorzugung ähnelte der ersten Kohorte.

Warum bleiben so viele Patienten unterversorgt? Neben Vorbehalten auf Arztseite und evtl. fehlinterpretierten Leitlinienempfehlungen hält Prof. Stone es für denkbar, dass einige Kollegen das kardiovaskuläre Risiko durch extrem hohe Lipidwerte unterschätzen. Ein nicht zu vernachlässigender Faktor sei außerdem der Patient selbst. Bei vielen führen z.B. persönliche Meinungen und Ängste bezüglich der Substanzklasse sowie Fehlinformationen aus dem Internet dazu, dass sie eine Statintherapie ablehnen.

Quelle:
1. Stone NJ. JAMA Cardiol 2021; DOI: 10.1001/jamacardio.2021.4987
2. Newton SL et al. JAMA Cardiol 2021; DOI: 10.1001/jamacardio.2021.4983

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Durch Statine werden vermehrt LDL-Rezeptoren (lila) produziert. Durch Statine werden vermehrt LDL-Rezeptoren (lila) produziert. © Science Photo Library/Gaertner, Juan