Kalt erwischt: So reagieren Sie bei Hypothermie und lokalen Kälteschäden richtig

Maria Fett

Eine Bergtour auf den knapp 6000 Meter hohen Mount Logan in Kanada bescherte diesem Patienten Frostbeulen im Stadium 2–3 an den Zehen (links). Zwölf Tage später liegt die Spitze des Digitus II komplett frei (rechts). Auch die nekrotische Verfärbung der Nachbarzehe verheißt nichts Gutes: Binnen neun Tagen wird es dem Glied ähnlich ergehen. Eine Bergtour auf den knapp 6000 Meter hohen Mount Logan in Kanada bescherte diesem Patienten Frostbeulen im Stadium 2–3 an den Zehen (links). Zwölf Tage später liegt die Spitze des Digitus II komplett frei (rechts). Auch die nekrotische Verfärbung der Nachbarzehe verheißt nichts Gutes: Binnen neun Tagen wird es dem Glied ähnlich ergehen. © wikimedia/Dr. S. Falz

Warum sollte man sich als Hausarzt mit den Erfrierungen von Ultraläufern beschäftigen? Weil das Wissen um Kälteschäden durchaus in der eigenen Praxis helfen kann. Etwa in der Versorgung älterer Patienten.

Unterkühlung und lokale Erfrierungen treffen nicht nur Ultraläufer, die sich bei -25 °C über 700 km durchs Yukon Territory quälen, erklärte Dr. Andreas­ Leischker­. Bereits bei Temperaturen von 2–5 °C können sich Frostbeulen bilden, sagte der Ger­iater vom Krankenhaus Maria-Hilf in Krefeld.

Neben Obdachlosen und Menschen, die berufsbedingt mit Kälte in Kontakt kommen, muss man auch an Senioren in alten Wohungen denken. „Da wird teilweise nachts die Heizung ausgeschaltet, dann sitzen die allein in ihren kalten Wohnungen, unterkühlen über die Nacht und wachen am nächsten Morgen verwirrt auf. Da kann wer weiß was passieren“, sagte Dr. Leischker. Zu den typischen Komplikationen gehören Wundinfektionen (in ca. 30 % der Fälle), eine persistierende Kälte­empfindlichkeit oder ein Kompartmentsyndrom.

Erste Devise: vor der lokalen Erfrierung die Hypothermie behandeln. Sie teilt man am besten klinisch ein. Personen mit leichter Unterkühlung sind ansprechbar und zittern (35–32 °C Körperkerntemperatur). Hier gilt es zunächst, den Patienten vor einem weiteren Wärmeverlust zu schützen und möglichst Energie in den Organismus zu pumpen, beispielsweise mit stark gesüßtem Tee. Ins Krankenhaus muss er nicht, sofern keine Verletzungen vorliegen. Von körperlichen Anstrengungen raten Experten für 24 Stunden ab.

Körperliche Bewegung ist bei Unterkühlung tabu

Sinkt die Körpertemperatur unter 32 °C, hört das Zittern auf (kostet zu viel Energie). Betroffene sind entweder verwirrt oder bewusstlos und es kommt häufig zu Arrhythmien. In diesen Fällen sollte man den Carotispuls mindestens eine Minute lang tasten (am besten mehrmals), die verbliebene Wärme unbedingt erhalten und möglichst zusätzlich in Leisten und Nacken applizieren. Körperliche Bewegung ist absolut tabu (Kammerflimmern!).

Im Falle einer Wiederbelebung riet Dr. Leischker, kein Adrenalin oder andere Medikamente zu geben, solange die Kerntemperatur unter 30 °C liegt, und maximal dreimal zu defibrillieren. Bei 30–35 °C verdoppelt man die Intervalle zwischen den normalen „Dosen“, d.h. cardiopulmonale Reanimation (CPR) alle sechs Minuten. Unter 28 °C heißt es: abwechselnd fünf Minuten Herzdruckmassage und maximal fünf Minuten Pause, und im Extremfall von < 20 °C genügen fünf Minuten CPR im Wechsel mit maximal zehn Minuten Pause.

Frostbeulen außerhalb der Großstadt

Wer doch einmal in die Lage kommt, lokale Erfrierungen „im Feld“ versorgen zu müssen, sollte so vorgehen:
  • Betroffene in eine warme Umgebung bringen
  • warme, zuckerhaltige Getränke geben
  • enge Kleidung und Ringe ent­fernen
  • Extremitäten nicht (!) reiben
  • Hände unter die Achseln
  • lockeren Verband anlegen
  • nur auftauen, wenn keine Gefahr für Wiedereinfrieren besteht

Gefäße kontrahieren in 15 °C kaltem Gewebe am stärksten

Das Risiko für lokale Erfrierungen wie Frostbeulen und sogenannte non-freezing cold injury (s. Kasten) wird durch Alkohol und Nikotin, Verletzungen, zu enge Schuhe (Vasokonstriktion) und dem wiederholten Kontakt mit kaltem Wasser erhöht. Am stärksten ziehen sich die peripheren Gefäße bei einer Gewebetemperatur von 15 °C zusammen, unter 10 °C kommt es zur intermittierenden Vasodilatation.

Nicht erfroren, aber stark verkühlt

Bei den non-freezing cold injuries sinkt die Körperkerntemperatur langsam, ohne dass es zu Erfrierungen kommt. Hypo- und Hyperthermie wechseln sich ab und im Gegensatz zu den Frostbeulen bilden sich nur selten Blasen. Allerdings liegt die Gefahr bei weniger als 10 °C Außentemperatur hoch. Betroffene gehören weder ins Wasserbad noch sollten sie schnell aktiv erwärmt werden, mahnte Dr. Leischker. Besser sei eine langsame Erwärmung mit Luft (22–27 °C), später kann Amitryptilin zur Schmerzbehandlung eingesetzt werden.

Frostbeulen teilt man anhand des Grades der Gewebeschäden in vier Stadien ein:
  1. oberflächliche Hautläsion
  2. Blasen mit klarer Flüssigkeit und Ödem
  3. blutgefüllte Blasen, blau-grauen Verfärbungen der Haut
  4. Sehnen, Muskeln und Knochen sind betroffen, der Patient hat keine Schmerzen bei Wieder­erwärmung
Bezüglich der Therapie riet Dr. Leischker zu Ibuprofen anstelle von ASS, um Entzündungsmediatoren zu blockieren: 12 mg/kgKG Ibuprofen zweimal täglich, bei Bedarf zusätzlich Opiate. Das betroffene Körperteil sollte täglich in warmem, mit Antiseptika versetztem Wasser gebadet und mit sterilen Verbänden abgedeckt werden. Stellt sich der Blutfluss binnen 48 Stunden damit nicht wieder her, kommen Prostaglandine als Dauerinfusion infrage.

Quelle: 125. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V.

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Eine Bergtour auf den knapp 6000 Meter hohen Mount Logan in Kanada bescherte diesem Patienten Frostbeulen im Stadium 2–3 an den Zehen (links). Zwölf Tage später liegt die Spitze des Digitus II komplett frei (rechts). Auch die nekrotische Verfärbung der Nachbarzehe verheißt nichts Gutes: Binnen neun Tagen wird es dem Glied ähnlich ergehen. Eine Bergtour auf den knapp 6000 Meter hohen Mount Logan in Kanada bescherte diesem Patienten Frostbeulen im Stadium 2–3 an den Zehen (links). Zwölf Tage später liegt die Spitze des Digitus II komplett frei (rechts). Auch die nekrotische Verfärbung der Nachbarzehe verheißt nichts Gutes: Binnen neun Tagen wird es dem Glied ähnlich ergehen. © wikimedia/Dr. S. Falz
Frostbeulen im Stadium 2–3. Frostbeulen im Stadium 2–3. © wikimedia/Dr. S. Falz
Dieselben Frostbeulen nach zwölf Tagen. Dieselben Frostbeulen nach zwölf Tagen. © wikimedia/Dr. S. Falz