Keine Panik, wenn nichts mehr schmeckt

Dr. Angelika Bischoff

Hypo- und Dysgeusien neigen in hohem Maße zur spontanen Remission. Hypo- und Dysgeusien neigen in hohem Maße zur spontanen Remission. © fotolia/v.poth

Ob Schädel-Hirn-Trauma, Vitaminmangel oder Infektionen – die Ursachen für Schmeckstörungen sind vielfältig. Doch allen gemein ist eine gute Nachricht: Es bestehen große Chancen auf Besserung.

Nach dem Ort der Schädigung unterscheidet man peripher-nervöse Störungen, die meist auf einer afferenten Nervenläsion beruhen. Zentrale Störungen, die selten isoliert vorliegen, entstehen meist in Verbindung mit Schädigungen von Hirnstamm, Thalamus oder ventralem Temporallappen – Strukturen, die an der Verarbeitung von Schmeckreizen beteiligt sind. Über Hypogeusien berichten 5 % der Allgemeinbevölkerung, komplette Ausfälle kommen extrem selten vor. Treten sie einseitig auf, wie etwa nach Durchtrennung der Chorda tympani, bemerken Betroffene den Geschmacksverlust subjektiv oft gar nicht.

Zu den wichtigsten Ursachen gehören Schädel-Hirn-Traumata. Auch Frakturen von os temporale oder mandibulare, die den N. facialis in Mitleidenschaft ziehen, können das Schmecken beeinträchtigen. In vielen Fällen kann man nach traumatischer Genese mit einer Restitutio ad integrum rechnen. Selbst nach beidseitiger Durchtrennung der Chorda tympani wurde dies bei 20 % der Patienten beobachtet.

Anticholinergika oder Zytostatika eingenommen?

Neben Infektionen der oberen Atemwege, Noxen und iatrogenen Auslösern (Op., Bestrahlung) kommen als weitere Ursachen zwei Medikamentengruppen in Betracht: Substanzen, die den Speichelfluss verändern, z.B. Anticholinergika, oder Stoffe, die die Mundschleimhaut schädigen wie Vincristin.

Drei-Tropfen-Methode ermittelt Schmeckschwelle

Dann gibt es noch das „Burning mouth“-Syndrom, das immer mit einem ständigen bitteren oder metallischen Geschmack im Mund assoziiert ist. Ätiologisch werden psychische (Depression), hormonelle (Östrogenmangel) oder ernährungsbedingte Faktoren (Vitamin-B-Mangel, Zinkmangel) vermutet.

Anamnese, HNO-Status, Endoskopie von Nase und Nasenrachen, Lupenlaryngoskopie, Palpation der Zunge, orientierende Riechprüfung und quantitative Bestimmung des Schmeckvermögens gehören zur diagnostischen Abklärung. In der Anamnese muss das Augenmerk vor allem auf kürzlich erfolgten zahnärztlichen oder oralchirurgischen Eingriffen sowie auf Nierenerkrankungen, Diabetes, unmittelbar vorausgegangenen Infektionen der oberen Atemwege, Kopftraumata, psychiatrischen und neurodegenerativen Erkrankungen sowie Zungenbrennen liegen.

Zink ja oder nein?

Obwohl die Wirksamkeit bei Schmeckstörungen lange umstritten war, kommt in der Praxis häufig Zink zum Einsatz. Neuere randomisierte kontrollierte Studien zeigen, dass eine Therapie mit 140 mg Zinkglukonat pro Tag über 4 Monate die Symptomatik vor allem bei idiopathischen Dysgeusien und renalem Zinkmangel verbessern kann. Ein Defizit des Spurenelementes sollte auf jeden Fall behoben werden.

Obwohl Schmeckstörungen häufiger qualitativer Art sind, erfassen die üblichen Tests quantitative Einschränkungen der Empfindung von süß, sauer, salzig und bitter. Zum Screening appliziert man diese vier Geschmacksqualitäten in überschwelliger Konzentration. Kommerziell erhältlich ist ein Set aus 10 %iger Saccharoselösung, 5 %iger Zitronensäurelösung, 7,5 %iger Kochsalzlösung und einer 0,05%-igen Chininhydrochloridlösung, die nacheinander in den Mund gesprüht werden. Mit der Drei-Tropfen-Methode, die auch zur Routinediagnostik gehört, lässt sich die Schmeckschwelle für die vier Qualitäten über die Steigerung der Konzentration von Tropfen zu Tropfen ermitteln.

Bis zur Spontanerholung können Jahre vergehen

Das Auftragen der Lösungen lokal auf die Zunge erlaubt die Beurteilung der regionalen Schmeckfunktion. Der Patient muss die Zunge dabei ganz ruhig halten und soll nicht sprechen, damit sich die Lösung nicht ausbreitet. Eine Seitendifferenz erfasst am schnellsten und leichtesten die Elektrogustometrie. Dabei wird die elektrische Wahrnehmungsschwelle bestimmt. Spezialzentren können auch gustatorisch evozierte Potenziale ableiten.

Schmeckstörungen neigen stark zur Spontanremission, die aber in der Regel erst nach Monaten bis Jahren eintritt. Steckt eine Systemerkrankung hinter der Dysgeusie, bessert sich diese meist auch durch optimale Behandlung des Grundleidens.

Gerne ordentlich an der Gewürzmühle drehen

Wenn möglich, sollten toxische Medikamente weggelassen werden. Nikotinkarenz und Nachwürzen können helfen, die gustatorische Restfunktion zu stimulieren. Haben die Geschmacksstörungen schon zu einem Gewichtsverlust geführt, stehen zusätzlich Ernährungsberatung und Schleimhautpflege durch Speichelersatzstoffe auf dem Therapieplan.

Quelle: S2k-Leitlinie AWMF-Register Nr. 017/050: Riech- und Schmeckstörungen

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Hypo- und Dysgeusien neigen in hohem Maße zur spontanen Remission. Hypo- und Dysgeusien neigen in hohem Maße zur spontanen Remission. © fotolia/v.poth