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Keine Scheu vor Stimulanzien!

Es gibt Hinweise darauf, dass die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Sportlern häufiger vorkommt als in der Allgemeinbevölkerung. Dies könnte zum einen damit zusammenhängen, dass körperliche Aktivität ADHS-Symptome bessert und die Betroffenen sich daher überdurchschnittlich stark sportlich engagieren. Zum anderen bringt das Trainieren im Verein Struktur in den Alltag, was sich ebenfalls günstig auf die ADHS auswirkt. Die Therapie von Athleten birgt jedoch besondere Herausforderungen. Wie in dieser Patientengruppe Diagnose und Therapie am besten gelingen, beschreibt ein aktualisiertes Positionspapier der AMSSM* unter Federführung des Sportmediziners Prof. Dr. George Pujalte von der Mayo Clinic in Jacksonville, Florida.
Zur Diagnose auf Basis der DSM-5-Kriterien sollten Anamnesegespräche mit dem Sportler selbst, seinen Betreuern sowie ggf. Eltern und Lehrern erfolgen. Dieses Netzwerk muss auch an Diskussionen über Therapiepläne beteiligt werden. Die Betroffenen – bzw. bei Minderjährigen ihre Eltern – müssen der Befragung und Aufklärung weiterer Personen explizit zustimmen. Auch zum Behandlungsplan und etwaiger Medikation sollte man immer ein schriftliches Einverständnis einholen. Eine Reihe von Erkrankungen kann ähnliche Symptome wie ADHS hervorrufen und sollte daher bei der Differenzialdiagnose berücksichtigt werden (siehe Kasten).
Methylphenidat ist keine Gefahr fürs Herz
Kognitive Verhaltenstherapie, Training der Sozialkompetenz und Psychopharmaka wirken als Hauptpfeiler der Behandlung zusammen. Erste Wahl unter den Pharmaka sind Stimulanzien wie Methylphenidat. Sie steigern zwar Herzfrequenz und Blutdruck, bei ordnungsgemäßer Anwendung und fehlendem Risikopotenzial besteht jedoch keine erhöhte Gefahr für kardiovaskuläre Ereignisse wie den plötzlichen Herztod, heißt es im Positionspapier. Um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten, muss vor der Verordnung von Stimulanzien eine eingehende kardiovaskuläre Eigen- und Familienanamnese erfolgen. In diesem Rahmen routinemäßig ein EKG zu schreiben, erhöht die Sicherheit dagegen nicht weiter und sollte ohne konkreten Verdacht unterbleiben.
Unbehandelt schränkt die ADHS die Leistungsfähigkeit im sportlichen Wettkampf durch Kernsymptome wie Konzentrationsmangel oder Impulsivität eher ein. Die Behandlung mit Stimulanzien kann diese Wettbewerbsnachteile ausgleichen, sie ist allerdings bei vielen Wettkämpfen verboten.
Athleten, die aufgrund einer medizinischen Indikation und auf Verordnung von Ärzten Stimulanzien einnehmen, müssen der Welt-Anti-Doping-Agentur zufolge eine Ausnahmegenehmigung vorlegen. Ärzte, die Sportler mit ADHS betreuen, sollten sich mit den Anforderungen zur Dokumentation der jeweils zuständigen Organisationen vertraut machen. Selbst wenn ein Verzicht auf Stimulanzien vor einem Wettkampf erforderlich ist, kann ihr Gebrauch für die Betroffenen im vorausgehenden Training nützlich sein, etwa durch eine verbesserte Konzentrationsleistung und mentale Fokussierung.
Stimulanzien sind auch bei Sportlern ohne ADHS beliebt, weil diese sich davon eine Leistungssteigerung erwarten. Sie sollen die Ausdauer verbessern und das Erschöpfungsgefühl vermindern. Die Evidenz für solche Effekte ist jedoch schwach und beruht im Wesentlichen auf Selbstberichten und unkontrollierten Studien. Stimulanzien sollten daher diagnostizierten ADHS-Betroffenen vorbehalten bleiben – nicht zuletzt aufgrund der vielfältigen Nebenwirkungen wie Hypertonie und Tachykardie, Appetitverlust, gastrointestinale Symptome, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und eine verminderte Hitzetoleranz.
* American Medical Society for Sports Medicine
Quelle: Pujalte GGA et al. Clin J Sport Med 2023; 33: 195-208; DOI: 10.1097/JSM.0000000000001152
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