Keine Vorsorge bei erblichem Darmkrebs

Dr. Angelika Bischoff; Foto: thinkstock

Genetisch bedingter Darmkrebs bedroht in Deutschland vier Millionen Menschen. Es gibt keine Screening-Programme und keine Kostendeckung durch Kassen. Klären Sie Ihre Patienten auf!

Bei etwa 20 000 der jährlich 63 000 Neuerkrankungen an Darmkrebs liegt eine positive Familiengeschichte vor, wie Dr. Christa Maar von der Felix Burda Stiftung ausführte. Rund 8–10 % der Patienten haben mehr als drei Betroffene in der Familie und erfüllen damit die Kriterien für erblichen Darmkrebs.

Auch weitere Familienangehörige bedroht erhöhte Gefahr, an einem Kolonkarzinom zu erkranken. Ihr Risiko ist besonders stark gesteigert, wenn der Indexpatient bereits vor einem Alter von 50 Jahren diagnostiziert wurde.


Unauffälliges Kolon Transversum
Abbildung: Joachim Guntau

Darmkrebs-Inzidenz bei Jüngeren steigt rasch

In den USA wird für Darmkrebs unter 50 Jahren ein jährlicher Inzidenzanstieg von 1,4 % beobachtet, während die Inzidenz von Erkrankungen im Alter über 50 Jahren kontinuierlich abfällt. Die höchste Zunahme verzeichnet man bei 24- bis 34-Jährigen. Möglicherweise liegt dies an Ernährungsgewohnheiten. In Deutschland sind 10 % der Darmkrebspatienten zum Zeitpunkt der Diagnose jünger als 55 Jahre.

Die Tumoren früh erkrankter Menschen sind größer und durch häufigeren Lymphknotenbefall und aggressiveren Verlauf gekennzeichnet. Die DGVS-Leitlinie empfiehlt für Menschen, die einen nahen Verwandten haben, der in einem Alter über 50 Jahren an Darmkrebs erkrankt ist, eine Screening-Koloskopie spätestens ab 40 oder 45 Jahren. Wer einen Verwandten hat, bei dem bereits mit < 50 Jahren Darmkrebs festgestellt wurde, sollte das Screening zehn Jahre vor dem Erkrankungsalter dieses Angehörigen beginnen.

Risikopatienten schon ab 25 zur Vorsorge!

Schon mit 25 Jahren sollte das Screening starten bei Menschen mit erblichem Risiko, d.h. mit drei oder mehr Verwandten, die an Darm-, Gebärmutter-, Magenkrebs oder Ovarialkarzinom leiden. In diesem Fall werden auch kürzere Screeningintervalle, genetische Beratung und molekulargenetische Testung empfohlen.

In der Praxis werden diese Empfehlungen für Personen mit erhöhtem Darmkrebsrisiko praktisch nicht umgesetzt, so die Referentin. Es fehlt an Strategien, diese Personen frühzeitig zu identifizieren und ihnen ein Screening anzuraten und es fehlt ein gesetzlicher Anspruch auf eine risikoadaptierte Vorsorge in einem jüngeren Alter. Wenn sie das Alter von 55 Jahren erreichen, ist es für viele von ihnen zu spät. Sie leiden bereits an einem kolorektalen Karzinom oder sind womöglich schon daran gestorben.


Gestielter Kolonpolyp
Abbildung: Joachim Guntau
Kolonkarzinom
Abbildung: Joachim Guntau

Schlechtes Screening, keine Kostendeckung

Um für diese Menschen ein Anrecht auf ein vorgezogenes Screening zu erwirken, haben die Felix Burda Stiftung und das Netzwerk gegen Darmkrebs bereits 2008 beim G-BA einen Antrag gestellt, entsprechende Hochrisikogruppen in die Krebsfrüherkennungsrichtlinien aufzunehmen. Erst 2012 bekam das IQWiG den Antrag zur Bewertung vorgelegt und beschied im Juli 2013, dass es keine hochwertigen Studien gebe, die den Nutzen und Schaden einer vorgezogenen Früherkennung für diese Risikogruppe belegen.

Wenngleich auch das IQWiG bestätigte, dass das Risiko 1,7- bis 4,1-fach erhöht ist, und Personen mit erblichem Risiko mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 % im Laufe ihres Lebens an Darmkrebs erkranken werden. Darum würden auch randomisierte Studien, die den Nutzen des frühen Screenings klären könnten, mit Sicherheit durch keine Ethikkommission mehr abgesegnet, betonte Dr. Maar.

Keine Aussicht auf Einschreiten von G-BA und IQWiG

Die Aufnahme von Hochrisikogruppen in die Früherkennung würde zwar die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen, wäre aber sinnlos ohne die Implementierung von Begleitmaßnahmen, die der Identifizierung von Risikopersonen dienen. Erforderlich wären eine generelle Familienanamnese im frühen Erwachsenenalter und eine Aufklärung über das Risiko für Angehörige überall dort, wo Darmkrebspatienten behandelt werden.

Die Felix Burda Stiftung hat z.B. Informationsblätter für Patienten mit Darmkrebsdiagnose und ihre Angehörigen entwickelt, die man Betroffenen mitgeben kann. Seit Mitte März gibt es unter www.schnell-check-darmkrebs.de auch ein Onlinetool zum Selbstcheck.

Quelle: 41. Deutscher Koloproktologen-Kongress, Nürnberg, März 2015

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