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Kleines Einmaleins der Psychopharmakologie für Diabetologen

Gegen Depressionen gibt’s Antidepressiva, bei Schlafstörungen werden Hypnotika verschrieben und wer unter pathologischen Ängsten leidet, bekommt – na klar – Anxiolytika. Diese 1-zu-1-Zuordnung von Psychopharmaka zu einzelnen psychischen Störungen ist pragmatisch, widerspricht jedoch den Befunden aus Genetik und Bildgebung. Vielmehr finden sich starke Überlappungen zwischen den verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen. In der Psychiatrie geht man deshalb davon aus, dass vielmehr Netzwerkfunktionen im Gehirn gestört sind, als nur die einzelnen Transmittersysteme, erklärte Professor Dr. Dieter F. Braus, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, HELIOS Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden.
In der Behandlung von Angststörungen oder einer Depression gehe es in erster Linie darum, die synaptische und zelluläre Plastizität anzuregen und die Neuroprotektion zu fördern. Die typischerweise als Antidepressiva bezeichneten Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Inhibitoren (SNRI) zum Beispiel kommen in ganz unterschiedlichen Indikationen zum Einsatz: bei Herabstimmung, Ängsten, neuropathischen Schmerzen oder einer Reizblase. Weil diese mehrdimensionalen Wirkstoffe also auch in andere Stoffwechselvorgänge eingreifen können, sei es wichtig, die verwendeten Substanzen genau zu kennen und Erfahrungen zu sammeln, betonte Prof. Braus. Vor allem in Hinblick auf mögliche Neben- und Wechselwirkungen.
Für Nicht-Psychiater empfahl er ein medikamentöses Grundrüstzeug aus einigen wenigen Psychopharmaka, die für den klinischen Alltag meist ausreichen (s. Tabelle). Trotzdem sollte vor deren Einsatz beim jeweiligen Patienten ein Interaktionscheck durchgeführt werden. Manche Psychopharmaka seien wahre Interaktionskanonen, so Prof. Braus. Gerade in der Therapie von Menschen mit einer Stoffwechselstörung wie Diabetes und deren Komorbiditäten sei dies wichtig. Ein hilfreicher Link dazu finden sich am Textende.
Medikamentöses Grundrüstzeug für Nicht-Psychiater | ||
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Substanzklasse | Indikation | Beispiele Wirkstoff und Dosierung |
SSRI | depressive Störungen, Angsterkrankungen, Zwänge, neuropathische Schmerzen | Escitalopram (5–20 mg), Sertralin (25–150 mg) |
SNRI | depressive Störungen, Angsterkrankungen, Zwänge, neuropathischer Schmerz | Escitalopram (5–20 mg), Sertralin (25–150 mg) |
Melatoninagonisten | Rhythmusstörungen unter Angst und Depression | Agomelatin (25–50 mg) |
DA-NE-RI | Anhedonie, vaskuläre Enzephalopathie mit Depression | Agomelatin (25–50 mg) |
Kalziumkanalblocker, indirekt GABAerg | Angst, Schmerz | Pregabalin (25–600 mg) |
direkte GABA-Agonisten | schwere nicht-organische Insomnie | Zopiclon (3,75 –7,5 mg), nur im Notfall! Lorazepam (0,5–5 mg) |
D2-Antagonisten | Psychosen | Haloperidol (0,5–5 mg) |
D2-5HT2a-Antagonisten | Psychosen | Risperidon (0,5–6 mg) |
Multi-Receptor-Acting-Substance | niedrig dosiert: sedierend moderat dosiert: antidepressiv höher dosiert: Phasenprophylaktikum hoch dosiert: antipsychotisch | Risperidon (0,5–6 mg) |
nach Prof. Dr. Dieter F. Braus |
Mehr Heißhungerattacken unter Mirtazapin
Eine zentrale Rolle spielt dabei das CYP-System, über das viele Psychopharmaka metabolisiert werden. Kritisch mit Blick auf mögliche Arzneimittelinteraktionen sind vor allem CYP2C19-Substrate wie Sertralin oder Amitriptylin (s. Kasten). Deshalb sollte man bevorzugt auf Medikamente zurückgreifen, die nicht über dieses Enzym verstoffwechselt werden, beispielsweise Duloxetin, Risperidon und Mirtazapin (cave: appetitanregend!).
Gleiche Dosis, unterschiedliche Wirkung
Erst die Depression, dann der Typ-2-Diabetes?
Mit Blick auf die eingangs angesprochene Überlappung von verschiedenen Erkrankungen muss auch bedacht werden, dass sich ein Diabetes und psychische Störungen wechselseitig beeinflussen können. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine aktuelle schwedische Kohortenstudie, in die Daten von 1,5 Millionen Personen eingeflossen sind. Darin konnte gezeigt werden, dass Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend an einer Depression gelitten haben, ein zweifach erhöhtes Risiko für einen Typ-2-Diabetes im Erwachsenenalter tragen.1. Arterburn, D et al. J Clin Med 2016; 5: 48; DOI: 10.3390/jcm5040048
Quelle: Diabetes Update 2021
Interaktionscheck zu möglichen medikamentösen Wechselwirkungen: www.drugs.com/drug_interactions.html
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