Verlust der Lebensqualität als Nebenwirkung

Dr. Elke Ruchalla

Bei unerwünschten Effekten bleibt oft nur der Wechsel auf andere Substanzen. (Agenturfoto) Bei unerwünschten Effekten bleibt oft nur der Wechsel auf andere Substanzen. (Agenturfoto) © RioPatuca Images – stock.adobe.com

Die Nebenwirkungen von Antidepressiva und Neuroleptika können so belastend sein, dass der Patient die Behandlung eigenmächtig abbricht. Dabei lassen sich die Probleme in vielen Fällen lösen.

Mit einem Anpassen der Dosis oder dem Wechsel der Galenik bekommt man unerwünschte Effekte von Psychopharmaka oft in den Griff. Mitunter – und sofern für den Patienten akzeptabel – hilft bereits Zuwarten.

Lässt sich damit keine Besserung erzielen, bleiben im Wesentlichen drei Möglichkeiten:

  • eine zusätzliche Medikation, die die ungewollten Effekte abmildert
  • der Wechsel auf ein alternatives Arzneimittel
  • verhaltensmodifizierende Interventionen

Stets sind individuelle Lösungen gefragt, schreiben Dr. ­Simon ­Cohen und ­Matthias ­Müller-Riese von der ­HELIOS ­Marien ­Klinik in Duis­burg. Das gelte insbesondere für Patienten, die offenkundig von der Pharmakotherapie profitieren und bei denen ein Therapiewechsel riskant ist oder für die es nur wenig andere Behandlungsoptionen gibt. Anhand einiger klinischer Fallberichte zeigen die beiden Psychiater, wie sich Betroffenen helfen lässt.

Sexuelle Funktionsstörungen bei antidepressiver Behandlung

Unter klassischen trizyklischen Antidepressiva oder selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern treten regelmäßig sexuelle Funktionsstörungen auf. Die Autoren berichten von einem 26-Jährigen, dessen schwere rezidivierende Depression sich unter ­Citalopram zwar deutlich besserte – allerdings um den Preis der Erektionsfähigkeit. Auch die Dosishalbierung auf 20 mg/d brachte keine Abhilfe. Da der Mann mit dem Antidepressivum ansonsten bestens zurecht kam, entschieden sich Ärzte und Patient gegen eine Medikamentenumstellung und für die zusätzliche Eindosierung von ­Mirtazapin, das die serotonerge Überstimulation deutlich reduzierte.

Prolaktinerhöhung unter Antipsychotika

Bei einer 32-Jährigen mit paranoider Schizophrenie kam es unter ­Amisulprid 600 mg/d schon nach wenigen Tagen zu einem Spannungsgefühl in den Brüsten, bald darauf zu Galaktorrhö. Da das Neuroleptikum ausgezeichnet anschlug, kam eine Medikamentenumstellung für die Frau nicht infrage. Angesichts des massiven Milchflusses war Abwarten keine Option. Zusätzliches ­Aripiprazol war aufgrund einer vorbestehenden Leberschädigung ungeeignet, und ­Bromocriptin stand aktuell nicht zur Verfügung. Letztlich bekam die Frau niedrig dosiertes ­Cabergolin (0,5 mg einmal pro Woche), was den Prolaktinspiegel deutlich erniedrig­te und den Milchfluss weitgehend stoppte.

Gewichtszunahme infolge antipsychotischer Therapie

Eine Patientin mit paranoider Schizophrenie hatte infolge verschiedener antipsychotischer Therapien – u.a. mit ­Olanzapin als Monotherapie sowie ­Clozapin – innerhalb von sechs Jahren 40 kg zugenommen. Bei stationärer Aufnahme wog sie 110 kg, ihr BMI betrug 39,8 kg/m². In der Klinik bekam sie eine Ernährungsberatung, kognitive Verhaltenstherapie und die Anleitung zu mehr Aktivität und Sport. Dazu verschrieben ihr die Kollegen off ­label zusätzlich ­Metformin (2 x 500 g/d). Über fünf Wochen hinweg verlor die Patientin vier Kilo Gewicht, was sie für weiteres Abspecken motivierte. Insbesondere Olanzapin und Clozapin begünstigen eine Gewichtszunahme, erläutern die beiden Psychiater. Oft bleibe nur der Wechsel auf andere Substanzen, etwa Aripiprazol, Amisulprid oder ­Zipradison. Diese seien aber oft keine adäquate Therapiealternative.

Akathisie bei antipsychotischer Therapie

Eine Akathisie, also die von Patienten als sehr quälend empfundene Sitz- und Stehunruhe, verursachen viele Neuroleptika der ersten und zweiten Generation. Im Fallbeispiel der Duisburger Psychiater trat sie bei einem jungen Mann auf, der bei paranoider Schizophrenie gut auf Aripiprazol ansprach. Nach zwei Wochen entschied man sich für eine Depot­medikation Aripiprazol 400 mg alle 28 Tage. Eine Woche nach Umstellung auf das Depot kam es beim Patienten zu vermehrter Unruhe, er war reizbar und beschrieb Angstsymptome. Die Ärzte stellten die Diagnose einer medikamentös bedingten Akathisie. Da ein direkter Therapiewechsel nicht ohne Weiteres möglich war, verordneten die Kollegen ­Propranolol, was den Leidensdruck deutlich senkte. Langfristig stellten sie den Mann auf eine andere antipsychotische Behandlung um.

Hypersalivation unter Clozapin

Clozapin kommt gelegentlich zur Therapie der paranoiden Schizophrenie zum Einsatz, wenn andere Regimes keine zufriedenstellenden Ergebnisse bringen. So war ein 36-jähriger Psychotiker, von dem die Autoren berichten, unter der Gesamtdosis von 350 mg/d Clozapin erstmals seit Jahren fast symptomfrei. Allerdings führte das Neuroleptikum zu einer derart ausgeprägten Hypersalivation, dass dem Mann schon beim normalen Sprechen Speichel aus dem Mund floss und er jeden Morgen sein Kopfkissen wechseln musste. Abhilfe verschaffte die zusätzliche morgendliche Behandlung mit 50 mg des Anticholinergikums ­Pirenzepin, das die Beschwerden zumindest tagsüber milderte. Alternativ schlagen die beiden Autoren in derartigen Fällen Mundspülungen mit verdünnter Atropin-Augentropfen-Lösung vor, unter denen ihrer Erfahrung nach lediglich lokale parasympathikolytische Effekte zu erwarten sind. Diese Option komme aber nur bei sehr zuverlässigen Patienten infrage.

Quelle: Müller-Riese M, Cohen S. DNP 2021; 22: 24-28; DOI: 10.1007/s15202-021-4707-5

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Bei unerwünschten Effekten bleibt oft nur der Wechsel auf andere Substanzen. (Agenturfoto) Bei unerwünschten Effekten bleibt oft nur der Wechsel auf andere Substanzen. (Agenturfoto) © RioPatuca Images – stock.adobe.com